Corona-Tests ohne Vet-Labore: Politik verzichtet auf Testkapazitäten

Ursprünglich wollte die Bundesregierung per Gesetz veterinärmedizinische Testkapazitäten in die COVID-19-Bekämpfung einbinden. Doch das wurde gestrichen. (Foto: © Hernandoz Himinaicela / pixabay)

Testen, testen, testen – das ist das Credo weltweit, wenn es um die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie geht. Doch aus dem „2. Corona-Pandemie-Gesetz“ ist die Einbindung der veterinärmedizinischen Laborkapazitäten wieder herausgestrichen. Ein kurzer Sachstandsüberblick und ein Kommentar über Frust und Pfründe, die eine sinnvolle Vorsorge verhindern.

von Jörg Held

Hinweis: Der Bundestag hat das „2. Corona-Gesetz“ letztlich ohne eine Einbindung von Veterinär Laboren verabschiedet. Der bpt kommentiert dies hier (15.5.2020).

Der Titel ist etwas sperrig: Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und es umfasst viele Seiten (über 100) und Themen. Ziel ist es, rechtliche Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass man auch auf ein Wiederaufflammen der Pandemie schnell und effektiv reagieren kann. Der erste Entwurf im April hat deshalb auch den Zugriff auf die Testkapazitäten der veterinärmedizinischen Labore in das Gesetz aufgenommen. Verschiedene Medien machten das sogar zur Schlagzeile – wohl auch weil es Signal eines neuen Denkens im Sinne einer One-Health-Zusammenarbeit war.

Schlagzeile in der FAZ+ (kostenpflichtiger Artikel)

Vet-Labore schnell wieder gestrichen

Doch binnen weniger Tage bis zur Kabinettsvorlage waren die Vet-Labore schon wieder aus dem Entwurf verschwunden. „Auf Druck der vorhandenen Strukturen“, heißt es in Berlin. Konkret hat etwa die Bundesärztekammer die Einbindung abgelehnt (PDF-Download).* Die Wortwahl scheint dabei bewusst mit dem Gegensatz Tierarzt – Humanmediziner zu spielen. Es ist nicht die Rede von tierärztlichen Laboren. Stattdessen sollten laut BÄK eher Gynäkologen testen.

Und obwohl der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) und auch Bundestagsabgeordnete aus dem Agrarausschuss die Frage nach dem sachlichen Warum stellten, sieht es so aus, als sei dies das letzte Wort. Der Gesetzesentwurf geht ‚ohne die Vet-Labore‘ (zuvor Paragraph 5b) am kommenden Montag (Kalenderwoche 20) in die Beratungen im Gesundheitsausschuss und womöglich auch am Donnerstag in die 2. und 3. Lesung im Bundestag.

Dabei hatten Vet-Labore (Bsp. in diesem Spiegel+ Artikel / €) und auch der bpt schon früh ihre Hilfe angeboten. Die veterinärmedizinischen Untersuchungsämter und Landeslabore testen bereits auf Anweisung ihrer Landesregierungen (Bsp. hier und hier) und auch private Vet-Labore waren schon auf Regierungsbezirkebene von Behörden angefragt und ins Corona-Monitoring eingebunden worden.
(wir-sind-tierarzt hat hier und hier berichtet)

Für die Zukunft aber glaubt man in Deutschland – zumindest laut aktuellem Gesetzesentwurf – ohne diese veterinärmedizinischen Testkapazitäten auskommen zu können.
International werden Vet-Labore dagegen durchaus aktiv und erfolgreich in die Corona-Bekämpfung eingebunden. Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hat dafür einen Laborleitfaden erstellt (PDF-Download).

Zusammenarbeit mit Veterinäre-Laboren in der COVID-19-Diagnostik gibt es zum Beispiel in Spanien aber auch Italien. (Screenshot Webseite OIE)

wir-sind-tierarzt kommentiert:
Riskanter Verzicht auf Corona-Testkapazität

(jh) – Gut, die eine oder andere Schlagzeile mag etwas zu schlicht gewesen sein. „Tierärzte werden zu Corona-Testern“ (FAZ 22.4.2020 / €) meint nicht, dass der Schweinepraktiker auf dem Rückweg aus dem Stall schnell noch mal ein paar Corona-Rachenabstriche im Kindergarten macht und die in der heimischen Praxis untersucht.
Es geht darum, die sechsstelligen wöchentlichen Testkapazitäten der akkreditierten und nach internationalen Standards zertifizierten veterinärmedizinischen Labore in die bundesweite Corona-Testinfrastruktur einzubinden.

Gestrichen – aber keiner fragt: Warum?

Vielleicht sollten die Medien, die über den Gesetzentwurf – und die Tierarztbeteiligung – berichtet haben, jetzt in Berlin bei den Politikern mal nachfragen, was daraus geworden ist? Welche harten Fakten sprechen dagegen, in einem „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ die größtmögliche Testkapazität von vornherein mit einzuplanen? Und wer hat da hinter den Kulissen womöglich aus Angst um seinen Status, seine Budgets und mit vermeintlichen Qualitätsdebatten diese Laborkapazitäten herauslobbyiert?

Vorgeschobene Qualitätsprobleme und Budgetängste?

Veterinärlabore – dazu zählen in meiner Lesart im übrigen auch die staatlichen Veterinäruntersuchungsämter – haben definitiv kein Qualitätsproblem. Im Gegenteil: Vet-Labore sind zertifziert wie ihre Humanpendants. Sie haben Erfahrung mit großen, und standardisierten Untersuchungsreihen. Sie sind das Rückgrat der Tierseuchenbekämpfung. Das gilt sowohl für PCR-Tests – wie jetzt dem Nachweis von SARS-COV2 – als auch für ELISA-Nachweise von Antikörpern nach überstandener COVID-19-Infektion.

Punkt 2 ist wohl das liebe Geld. Ja, Massentests werden – gerade wenn die Bundesregierung sie per Gesetz ausweiten will und aus meiner Sicht unbedingt auch ausweiten muss – viel Geld kosten. Deshalb zeichnet es sich ja auch ab, dass der Staat aus Steuermitteln alle Mehr-Tests bezahlen wird. Da laben sich Tierärzte also nicht am fremden Kuchen „Krankenkassenbudget“.

Was passiert, wenn Testkapazität wieder knapp wird?

Die Tierärzteschaft bietet schlicht Unterstützung für den Fall der Fälle an. Sie will nicht auf Dauer neue Geschäftsfelder erobern.
Es geht auch nicht, darum ein dauerhaftes Test- oder gar Abrechnungsrecht gesetzlich zu verankern.
Es geht darum, JETZT die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit WENN ein Rückschlag kommt und die Pandemie wieder aufflammt, Strukturen und Prozesse geklärt sind.

Wenn die jetzt so großzügig erscheinenden Kapazitäten wieder knapp werden, können die Behörden auf gesetzlich abgesicherter Grundlage schnell und unkompliziert die Vet-Labore einbinden und so ihre Testkapazitäten – insbesondere regional – bedarfsgerecht erhöhen.

So klar – so einfach – so zwingend logisch. Und doch selbst in Krisenzeiten so unrealistisch. Warum?
Tierärzte jedenfalls sind frustriert, denn das ist ein Schlag ins Gesicht des One-Health Gedankens.

Quellen im Artikel verlinkt
Pressemitteilung des bpt veröffentlicht am 10.5.2020

*Stellungnahme der Bundesärztekammer am 13.5.2020 ergänzt

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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