Rindertransporte in Drittländer nicht rechtskonform

Folie von Dr. G. Fuchs, LRA Oberallgäu, Bayr. TÄ-Tage 2019 (Foto: WiSiTiA/aw)

Amtstierärzte, die Rindertransporte aus Deutschland in Drittländer freigeben, verstoßen gegen geltendes EU-Recht. Das ist die Kernaussage des Vortrags von Dr. Gabriele Fuchs (Landratsamt Oberallgäu) auf den Bayrischen Tierärztetagen 2019.

(aw) – Die Bestimmungen, die der Organisator von Rindertransporten und die abfertigende Behörde einzuhalten haben, regelt die VO (EG) 1/2005. Ein EuGH Urteil (C-424/13) vom 23.4.2015 betont, dass die technischen Vorschriften dieser Verordnung auch beim Export in Drittländer bis zum Bestimmungsort eingehalten werden müssen. Dies bedeutet unter anderem, dass die Tiere nach Transportzeiten von maximal zwei mal 14 Stunden mit zwei Stunden Pause dazwischen abgeladen, versorgt und auf ihre Transportfähigkeit untersucht werden müssen. Dieses Abladen darf nur an zugelassenen Einrichtungen (CP) erfolgen, die über entsprechende Räumlichkeiten verfügen.

In Russland ist Abladen verboten

Für Exporttiere die durch Russland transportiert werden – zum Beispiel mit dem Ziel Usbekistan –, ist eine Einhaltung dieser Vorschriften schlicht nicht möglich: Ein russisches Gesetz verbietet das Abladen dieser „Transittiere“. Aber auch alle anderen Drittländer verfügen nicht über entsprechend zugelassene Versorgungspunkte (CPs).

Genehmigung ist Straftat

Damit ein Tiertransport von Amtstierärzten abgefertigt werden kann, muss die Behörde vom Organisator nachvollziehbare Angaben erhalten (u.a. Transportroute/-zeit und eben auch Versorgungspunkte). Diese Angaben sind aber für viele Länder schlichtweg nicht lieferbar. Deshalb stelle, betont Dr. Fuchs, die Genehmigung der Transporte eine Beihilfe zu einer Straftat da. Und  das nicht nur in Bayern, wo sich flächendeckender Wiederstand gegen die Genehmigung der Transporte formiert, sondern auch in sämtlichen anderen Bundesländern, in die die Exporteure nun ausweichen, um eine Genehmigung zu erhalten.

Folien aus dem Vortrag von Dr. Gabriele Fuchs / Bay. Tierärztetage

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Unklare Wartezeiten und keine Versorgungspunkte an Grenzen und Häfen

Dr. Fuchs zeigt in ihrem Vortrag zahlreiche Beispiele für systembedingte Verstöße gegen die EU-Vorgaben für einen Tiertransport:

  • Etwa an Grenzposten, wo die Rinder bei über 35 °C Celsius bis zu neun Tagen in den Transportern verbringen. Eine eigens für EU-Exporte eingerichtete „Animal-Line“ zur schnelleren Abfertigung sei nur Augenwischerei. Auch (EU)Tiertransporte müssen sich in die normale Warteschlange einreihen. Ablademöglichkeiten bestehen nicht.
  • Notstromaggregate in den LKW, die für Frischluft sorgen könnten, können maximal vier Stunden betrieben werden. Sie  sind somit keine ernst zu nehmende Entlastung.
  • In den gängigen Häfen, in denen sich die Wartezeiten nach der Wetterlage auf See richten und im Zweifelsfalle mehrere Tage betragen können, sind ohnehin keine Ablademöglichkeiten vorhanden.
  • Zudem befinden sich auf den Schiffen keine sachkundigen Personen, die den Umgang mit den Tieren überwachen. Die von der EU-Kommission aufgeführten Missstände gehen dabei nicht etwa auf Informationen durch Tierschutzorganisationen zurück, sondern auf offizielle Kontrollen seitens der EU.

Regelmäßige, systembedingte Verstöße

Kollegin Fuchs hat sich die Mühe gemacht, von den Expoteuren gemachte Angaben zu Versorgungspunkten in Drittländern anhand der GPS-Daten zu überprüfen. Dabei ist sie in der Regel auf unplausible Adressangaben gestoßen. Ebenso sind die Angaben zu den Viehtransportern, Routen und Öffnungen der Ladeklappen (zum Be- und Entladen) häufig fehlerhaft. Auch die GPS-Daten der LKW stimmen häufig nicht mit den Angaben der handschriftlichen Fahrtenbücher überein. „Man gibt sich nicht einmal die Mühe, vernünftig zu dokumentieren“, ist das Fazit der Kollegin. Da die gezeigten Verstöße auf den standardisierten Routen gefunden wurden, handelt es sich nicht um Einzelfälle sondern systembedingte Wiederholungsfälle mit einem erheblichen Potential an Tierschutzverstößen.

Mehr Details im Audio-Interview von Thomas Wengenroth mit Dr. Fuchs – anzuhören und verlinkt am Artikelende.

Sperma statt Zuchttiere exportieren

Entsprechend fordert Kollegin Dr. Fuchs:

  • Wenn er rechtskonform sein soll, muss ein Rindertransport über weite Strecken mit dem Flugzeug erfolgen,.
  • Schlacht-und Masttiertransporte müssen komplett eingestellt werden bis Drittländer sich an entsprechende Vorgaben halten.
  • Anstelle von Zuchttieren sollten Embryonen oder Sperma exportiert werden.
  • „Insgesamt muss die Politik endlich für Rechtssicherheit sorgen,“ verlangt Fuchs. Obwohl die Abfertigung von Exporten in Drittländer aus genannten Gründen nicht legal sei, würden Amtstierärzte häufig von übergeordneten Stellen dazu gedrängt, Genehmigungen auszustellen. Dabei sei der Schutz und das Wohlbefinden der Tiere ganz klar höher zu bewerten sind, als wirtschaftliche Interessen.

 Thomas Wengenroth (stallbesuch.de) hat mit Gabriele Fuchs ein längeres Gespräch (Audio) zum Thema geführt. Es geht um:

0:00 Gesetzliche Vorgaben für Tiertransporter
1:54 Transportzeiten, Entladungen und Versorgung nach EU-Verordnung 1/2005
6:15 Transportplan
6:55 Offizielle Entlade- und Versorgungsstationen in Drittländern
8:08 Die Wahrheit über offizielle Versorgungsstationen in Russland
11:58 Kontrollpunkt Kapikule an der bulgarisch-türkischen Grenze, Usbekistan, Türkei, Iran
14:55 Schlacht- oder Zuchtvieh?
17:20 Verladung in EU-Häfen (Algeciras, Spanien und Rasa, Kroatien)
21:40 Lufttransport von Zuchtvieh die Lösung?

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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