„Die Resistenzlage bei den meisten bakteriellen Infektionserregern von Schweinen in Deutschland ist nicht besorgniserregend,“ lautet das Fazit von Prof. Dr. Stefan Schwarz vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen der FU Berlin auf den Bayrischen Tierärztetage 2019.
(aw) – Prof. Schwarz ging in seinem Vortag zunächst auf die vielfältigen Möglichkeiten ein, wie Resistenzen und Resistenzgene zwischen Menschen und Tieren ausgetauscht werden können. Ob durch direkten Kontakt, über Lebensmittel oder die Umwelt, früher oder später finden resistente Bakterien ihren Weg vom Tier zum Menschen – oder auch umgekehrt. Problematisch sind vor allem Resistenzen gegenüber Wirkstoffen, die in der Humanmedizin als besonders wichtig gelten (WHO-Liste hier).
In der Gruppe der höchsten Priorität befinden sich gleich mehrere Wirkstoffe, die bei Tieren angewendet werden dürfen, so etwa Cephalosporine der 3. + 4. Generation, Fluorquinolone und Colistin. In der Tiermedizin kommen auch Wirkstoffe aus der zweitwichtigsten Gruppe der Antibiotika zum Einsatz, nämlich Penicilline und Aminoglykoside. Die meisten als wichtig oder sehr wichtig für die Humanmedizin angesehenen Wirkstoffklassen werden in der Tiermedizin aber nicht verwendet und es gibt auch keine Umwidmungsmöglichkeiten für lebensmittelliefernde Tiere.
Daten aus dem Germ-Vet-Resistenzmonitoring
Zur Beurteilung der Entwicklung der Resistenzlage zieht Prof. Schwarz die Daten für Schweine aus „Germ-Vet“ heran, so der Name des nationalen Resistenzmonitorings für Deutschland.
Hohe Resistenzraten bei „älteren“ Antibiotika
Generell zeigen die Daten, dass E. coli – Bakterien von Ferkeln gegenüber „älteren“ Antibiotika zum Teil hohe Resistenzraten aufweisen. Vor allem Tetrazykline, Trimethoprim-Sulfamethoxazol und Ampicillin wirken kaum noch, andere „alte“ Wirkstoffe wie Gentamycin und Amoxicillin-Clavulansäure dagegen sind immer noch sehr gut wirksam. Auch die untersuchten S. suis haben in vielen Fällen Resistenzen gegen Tetrazyklin entwickelt, das zu den am häufigsten eingesetzten Antibiotika bei Schweinen gehört.
Eine gute Nachricht ist, dass S. aureus, die generell bekannt für hohe Resistenzraten sind, zumindest gegenüber Vancomycin und Linezolid – Wirkstoffe, die nur in der Humanmedizin eingesetzt werden – weiterhin empfindlich reagieren.
Fast kein Anstieg von Resistenzen zwischen 2006 und 2017
Zur besseren Vergleichbarkeit arbeitet die Statistik mit den MHK90-Werten, das ist die Wirkstoffkonzentration, bei der 90 Prozent einer Bakterienpopulation getötet oder zumindest am Wachstum gehindert werden. Gleichbleibende MHK-Werte – wie etwa bei den Cephalosporinen oder auch den Fluorquinolonen – über den Untersuchungszeitraum von 2006 bis 2017 bedeuten, dass es nicht zu einer ansteigenden Resistenzentwicklung bei E. coli in Ferkelbeständen gekommen ist.
Einziger Wermutstropfen ist die Situation bei der Nalidixinsäure. Die hohen MHK90-Werte zeigen, dass es hier bereits die ersten Mutationen in Richtung Resistenzbildung gegeben haben muss. Für die Tiermedizin sind die Ergebnisse zur Nalidixinsäure selbst zunächst belanglos, da es in Deutschland keine zugelassenen Präparate mit diesem Wirkstoff für Schweine gibt. Doch es ist bekannt, dass eine erfolgreiche Mutation eines Bakteriums dazu führt, dass weitere Mutationen schneller folgen. Es könnte also sein, dass E. coli von Ferkeln in naher Zukunft Resistenzmechanismen gegenüber weiteren Wirkstoffen entwickeln.
Bordetella nicht mit Ampicillin behandeln
Für andere Bakterien, die häufig bei Schweinen vorkommen, ist die Resistenzlage eher günstig. So etwa für Pasteurellen, bei denen die MHK-Werte generell niedrig sind: Oder auch für S. suis, bei denen außer Tetrazyklinen und Makroliden alle Wirkstoffe gut helfen. Bei Bordetella bestehen hochgradige Resistenzen gegenüber Ampicillin, da sie intrinsisch resistent gegenüber Betalaktamen sind. Atemwegsinfektionen bei Schweinen, die durch Bordetella ausgelöst werden, sollten daher nicht mit diesen Wirkstoffen behandelt werden.
Methicillinresistenz bei S. aureus (MRSA) kritisch
Die Tatsache dass Resistenzen gängiger Krankheitserreger bei deutschen Schweinen in den letzten elf Jahren nicht dramatisch zugenommen haben – gerade im Bezug auf wichtige Antibiotika für Menschen – ist erfreulich.
Trotzdem muss die weitere Entwicklung sorgfältig beobachtet werden, allen voran die Methicillinresistenz bei S. aureus (MRSA), die Penicillinresistenz bei S. suis und Multiresistenzen (+ Fluorchinolonresistenz) bei E. coli (ESBL). Ein nicht zu unterschätzendes Risiko sind außerdem resistente Keime, die aus anderen Ländern durch Tierimporte und menschlichen Tourismus nach Deutschland eingeschleppt werden.