Erneut Tierschutzverstöße an einem Schlachthof in Niedersachsen – Landwirtschaftsministerin wütend

Sinnvolles Instrument: Europäischer Tierärzteverband befürwortet Videoüberwachung in Schlachthöfen. (Fotos: © Pixabay / Montage: WiSiTiA/jh)

Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen ist in Niedersachsen ein Schlachthof wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz angezeigt worden. Während im ersten Fall die „Soko Tierschutz“ illegal in einem Schlachthof in Bad Iburg gefilmt hatte, ist diesmal die Organisation „Deutsches Tierschutzbüro“ mit Filmmaterial aus einem Schlachthof in Oldenburg an die Öffentlichkeit gegangen.

„Ich bin entsetzt, und es macht mich wütend“

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast erklärt, dass sie wütend über solche Verstöße sei und über Konsequenzen nachdenke. Tierschutzverstöße an Schlachthöfen sind leider europaweit keine Seltenheit, daher hat Großbritannien bereits verpflichtende Überwachungskameras eingeführt, um die Zustände vom Entladen bis zur Schlachtung festzuhalten. Auch in Deutschland haben einige Schlachthöfe freiwillig solche Überwachungskameras installiert, ebenso wie in Belgien und Frankreich.

Der Europäische Tierärzteverband (FVE) hat sich bereits in 2017 für eine verpflichtende Videoüberwachung an Schlachthöfen ausgesprochen, die nicht die Lebendbeschau und Kontrolle durch den amtlichen Tierarzt ersetzen soll, sondern zusätzlich als Kontrollmechanismus gedacht ist. Ein solche ständige Überwachung wirft allerdings datenschutzrechtliche Bedenken auf, daher hat die jetzige Bundesregierung auf mehrere parlamentarische Anfragen im Bezug auf Überwachungsmaßnahmen (April 2017, März 2018, April 2018  ablehnend reagiert. Ministerin Otte-Kinast lässt nun laut eigener Angabe juristisch prüfen, ob es möglich sei, Kameras an Schlüsselstellen in Schlachthöfen zu installieren.

Pressemeldung im Wortlaut:

Stellungnahme zu den Vorwürfen bezüglich Verstößen gegen das Tierschutzgesetz

HANNOVER. In Bezug auf die Vorwürfe gegenüber einem Schlachtbetrieb in der Stadt Oldenburg, dem Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen werden, erklärt Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast: „Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen erreichen uns Bilder von misshandelten Rindern und offenkundigen Verstößen gegen das Tierschutzrecht. Wie hier mit Tieren umgegangen wird, ist in keinster Weise akzeptabel. Ich bin entsetzt, und es macht mich wütend.“

Die Ministerin macht darauf aufmerksam, dass einige Schlachtunternehmen selbst Kameras in den Bereichen der Anlieferung, der Betäubung und der Tötung eingerichtet haben, um eine tierschutzgerechte Behandlung der Tiere zu gewährleisten und Verstöße selbst nachvollziehen zu können. Barbara Otte-Kinast: „Das halte ich für ausgesprochen sinnvoll. Ich lasse mein Haus daher derzeit juristisch prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, verbindlich ein Kamerasystem in den Bereichen der Anlieferung, des Zutriebes, der Betäubung und der Schlachtung der Schlachthöfe anzuordnen.“ Hierbei müsse es sich um eine bundeseinheitliche Regelung handeln, die entsprechend gesetzlich verankert ist.

Folgende Maßnahmen hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) umgehend eingeleitet:

  • Das ML hat am gestrigen Montag Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Oldenburg gestellt
  • Das ML hat angeordnet, dass ein Veterinär des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) zunächst für mindestens eine Woche während des Schlachtbetriebes die Bereiche des Zutriebs, der Betäubung und der Tötung überwacht. Dies geschieht in Abstimmung und auf Bitten der Stadt Oldenburg im Rahmen der Amtshilfe.
  • Das ML hat angeordnet, dass das LAVES die Zuverlässigkeit des Lebensmittelunternehmers prüfen lässt und als Folge ggf. ein Verfahren zum Entzug / des Ruhens der Zulassung einleitet.
  • Gemeinsam mit den Landkreisen und dem LAVES wird das ML unangemeldete, und risikoorientierte Kontrollen in Schlachtbetrieben planen und durchführen, um die ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts zu überprüfen. Ein entsprechender Erlass befindet sich derzeit in der Vorbereitung.
  • Das ML hat nach dem Fall im Schlachthof im Landkreis Osnabrück Kontakt zu den oberen Landesbehörden der anderen Bundesländer aufgenommen mit dem Ziel, künftig länderübergreifende, kriminelle Aktivitäten Einzelner wirkungsvoll zu unterbinden.

Ferner werden noch in diesem Jahr seitens ML landesweite Schulungen des amtlichen Kontrollpersonals, insbesondere der amtlichen Tierärztinnen und Tierärzte durchgeführt.

Der Hintergrund:
Die Organisation „Deutsches Tierschutzbüro“ hat mit illegal angebrachten Kameras Aufnahmen in einem Schlachthof in der Stadt Oldenburg gemacht und dieses Material gestern der Staatsanwaltschaft in Oldenburg übergeben. Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hatte am gestrigen Montag zunächst durch eine Presseanfrage von den Vorwürfen erfahren und im Laufe des Tages einen etwa zehnminütigen Ausschnitt der Filmaufnehmen erhalten.

Erst vor wenigen Wochen hatte das ML Strafanzeige gegen einen Schlachthof im Landkreis Osnabrück gestellt, nachdem ihm der Verein „Soko Tierschutz“ Verstöße unter anderem gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen hatte. Damals hatte das ML Filmmaterial zur Ansicht erhalten und nach dessen Sichtung selbst Strafanzeige erstattet. Das Unternehmen wurde anschließend vom zuständigen Landkreis stillgelegt und ist inzwischen aufgelöst worden.

pressestelle@ml.niedersachen.de

 

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