Kastenstandhaltung, Ferkelschutzkorb, Ferkelkastration – auf die Sauenhalter kommen eine Reihe neuer Vorschriften zu. Auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz hält die gesetzlichen Mindeststandards nicht für ausreichend. Sie hat ein neues Eckpunktepapier mit Anforderungen an eine tiergerechte Sauenhaltung vorgelegt.
(jh/TVT) – Die Agrarminister der Länder haben das Bundeslandwirtschaftsministerium aufgefordert eine novellierte Tierschutznutztierhaltungsverordnung zu erarbeiten. Dass Land Berlin hat beim Bundesverfassungsgericht eine Normenkontrollklage gegen die Verordnung eingereicht. Die Mindestanforderungen der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) für die Sauenhaltung reichen vielen Akteuren nicht mehr aus.
Dass sich etwas ändern muss, erkennen auch die Tierhalterverbände an, fordern aber finanzielle Hilfe vom Staat und ausreichend lange Übergangsfristen. „Kommt diese Unterstützung nicht, werden wir mit Ablauf der Fristen ein Ausmaß des Sterbens der Ferkelerzeugung in Deutschland haben, wie wir es bislang noch nicht erlebt haben,“ sagt Christian Schulze Bremer, Sauenhalter und stellvertretender Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.
TVT: Tiergerechte Sauenhaltung in der Praxis umsetzen
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) hat ein neues Eckpunktepapier zur vorgelegt. „Mit diesem Merkblatt fordern wir wissenschaftlich fundiert eine tiergerechtere Sauen-Haltung und zeigen auf, worauf dabei geachtet werden muss,“ sagt Prof. Thomas Blaha, Vorsitzender der TVT. Die Verbesserung der Lebensbedingungen der Tiere wie beispielsweise das Abferkeln ohne Fixierung oder die Gruppenhaltung im Deckzentrum seien in der Praxis umsetzbar.
Merkblatt mit wissenschaftlichen Umbauempfehlungen
Für die neuen Empfehlungen hat die TVT verschiedene wissenschaftliche Studien ausgewertet. Das Merkblatt (PDF-Download hier) gehe auf sämtliche Aspekte der Sauenhaltung und Ferkelproduktion ein; die zu verändernden Parameter in den verschiedenen Produktionsabschnitten sind in einzelnen Kapiteln genau beschrieben:
- Tiergerechte Gruppenhaltung im Deckzentrum
Die Ergebnisse von Studien und Praxiserfahrungen von Betrieben, die bereits die Gruppenhaltung im Besamungsstall praktizieren, zeigen, dass dies möglich ist. Das Merkblatt beschreibt konkrete Maßnahmen beim Stallbau und Management (Platzangebot, Fressplätze, strukturierte Böden), um die entsprechenden Voraussetzungen für die Gruppenhaltung zu schaffen. - Unterbringung im Wartestall
Detailliert erklärt das Merkblatt, welches Beschäftigungsmaterial sinnvoll ist, wie die artgerechte Ernährung und die Strukturierung des Stalles aussehen sollte. - Bewegungsbuchten statt „Ferkelschutzkorb“ im Abferkelstall
Die TVT fordert schon länger das freie Abferkeln in Bewegungsbuchten statt der Fixierung der Sauen im „Ferkelschutzkorb“. Da viele Tierhalter beim freien Abferkeln hohe Saugferkelverluste befürchten, geht das Papier speziell darauf ein, wie diese Verluste in Bewegungsbuchten sogar verringert werden können. Und es erläutert, dass diese Haltungsform auch nicht unbedingt deutlich teurer sein muss. - Jungsaueneingliederung und Zyklussteuerung ohne PMSG
Das Merkblatt geht außerdem auf tiergesundheitliche Aspekte, die Gestaltung des Eingliederungsstalles und das Management der künstlichen Besamung und Zyklussteuerung ein.
Bei der Zyklussteuerung werden auch Alternativen zum Einsatz von PMSG aufzeigt. Die TVT empfiehlt, derzeit auf den Einsatz von PMSG zu verzichten, da es bei der PMSG-Gewinnung von tragenden Stuten vielfach zu großen Belastungen und tierschutzrelevanten Mängeln gekommen ist (Berichte zum PMSG-Skandal und Alternativen hier).
Hilfestellung bei Tierschutzindikatoren
Seit 2014 müssen Tierhalter sogenannte „Tierschutzindikatoren“ erheben. Sie sollen es ermöglichen, das Wohlergehen der Tiere einzuschätzen. Der Gesetzgeber hat die Indikatoren allerdings noch nicht konkretisiert. Das TVT-Merkblatt nennt die wichtigsten Indikatoren für Sauen und Saugferkel, die in der Praxis mit geringem Aufwand erfassbar, aussagekräftig, objektiv und aufgrund der Forschungsergebnisse sinnvoll sind:
- Bei den Sauen gehören dazu neben den allgemeinen Kennzahlen wie Antibiotika-Therapieindex oder Umrauschqote beispielsweise auch die tierbezogenen Indikatoren wie Kotkonsistenz und Vulvaverletzungen.
- Bei den Saugferkeln ist neben den Saugferkelverlusten und der Anzahl der notgetöteten Ferkel auch die Erhebung von Lefzen-/Nasenbeißen wichtig.
Wichtig ist aber, laut TVT, dass die betriebliche Eigenkontrolle erst dann zu einer Verbesserung des Befindens der Tiere führt, wenn über einen längeren Zeitraum standardisierte Merkmale erhoben, verglichen und bei Abweichungen die Ursachen ermittelt und schnellst möglich abgestellt werden. Dabei müsse letztendlich die Haltung als Ganzes individuell betrachtet werden.