Die Regierungskoalition will Stalleinbrüche schärfer ahnden; die Gerichte urteilten zuletzt aber, sie seien „gerechtfertigt“, wenn dadurch Tierschutzmissstände aufgedeckt werden. Skandalbilder aus Ställen in den Medien sind ein zentrales Instrument in der politischen Debatte um eine Neuausrichtung der Nutztierhaltung. QS legt Zahlen zu Einbrüchen und Konsequenzen vor.
(jh) – Tatort Stall – aus der tierhaltenden Landwirtschaft tauchen immer wieder nicht nur unschöne, sondern auch inakzeptable Bilder in den Medien auf. Meist stammen sie aus Stalleinbrüchen – zuletzt in Stern-TV und im MDR.
Jetzt legte das Ereignis- und Krisenmanagement im QS-System Zahlen zu Stalleinbrüchen vor:
- In den letzten zwei Jahren – von Mai 2016 bis April 2018 –, hat QS 22 Medienberichte zur Tierhaltung registriert, bei denen das Bildmaterial mit Stalleinbrüchen in Verbindung stand.
- QS selbst war in dieser Zeit mit insgesamt 46 Fällen zu Stalleinbrüchen konfrontiert.
- In sofort veranlassten Sonderaudits hat man 107 Standorte überprüft.
Zum Vergleich: Rund 185.000 nutztierhaltende Betriebe gibt es in Deutschland; davon nehmen 65.720 Tierhalter am QS-System teil. Sie müssen ihre Betriebe unter klar definierten Anforderungen führen und dies in zusätzlichen Kontrollen regelmäßig überprüfen lassen. Die Bilder aus den Ställen würden die Tierhaltung insgesamt verzerrt, einseitig und skandalisierend darstellen.
13 Betriebe wegen Tierschutzverstößen von QS ausgeschlossen
An den 107 auditierten Standorten waren Landwirte über alle Betriebsgrößen hinweg und in den verschiedensten Regionen Deutschlands betroffen:
- Darunter waren 76 Schweinehaltungen,
- 29 Geflügelhaltungen
- und zwei Rinderhaltungen.
- 36 dieser Audits wurden ohne Abweichungen bestanden,
- in 58 Fällen wurden Korrekturmaßnahmen vereinbart. Dies betraf unzureichende Stalleinrichtung und Kadaverlagerung, Mängel bei der Schädlingsbekämpfung sowie das verfügbare Beschäftigungsmaterial.
- 13 Standorte bestanden das jeweilige Audit wegen Verstößen in der Tierhaltung nicht.
Als klarer K.O-Verstoß wird im Rahmen eines Audits besonders der Umgang mit kranken und verletzten Tieren geahndet. In diesen Fällen wurden Sanktionsverfahren eingeleitet und Strafen verhängt. Zwei Betriebe wurden dauerhaft aus dem QS-System ausgeschlossen.
Politischer und juristischer Streit: Sind Stalleinbrüche strafbar?
Der politische und juristische Streit um die Stalleinbrüche nimmt unterdessen Fahrt auf.
- Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung formuliert: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden“. Was genau unter diesem Satz zu verstehen ist, ist aber noch nicht präzisiert (Bericht zu Positionen der Parteien hier).
- Die FDP-Bundestagsfraktion hat in einer kleinen Anfrage zum Thema „Stalleinbrüche“ die Bundesregierung nach Zahlen gefragt – und was sie jetzt zu unternehmen gedenkt.
Die Antwort zu den Zahlen wird wahrscheinlich dürftig ausfallen, denn bisher werden Stalleinbrüche (juristisch: Hausfriedesnbruch) in der Kriminalstatistik nicht gesondert erfasst. NRW will das ab 2019 ändern. - In Niedersachsen hat Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) via Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ)“ eine Diskussion darüber angestoßen, ob Vereine, die bewußt gegen geltendes Recht verstoßen, gemeinnützig sein können? Man müsse überprüfen, ob Tierrechtsorganisationen, die heimlich gedrehte Aufnahmen aus Ställen erst Monate später über die Medien veröffentlichten, damit wirklich die betroffenen Tiere schützen würden oder ob das dem Eintreiben von Spendengeldern diene?
- Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) kritisierte das Vorgehen in der NOZ: „Wir brauchen keine selbsternannte Stallpolizei, die die Einhaltung des Tierschutzes kontrolliert.“ Würde es um die Tiere gehen, dann würden man die sofort veröffentlichen und die Behörden einschalten. Sie kündigte härtere Strafen für „Stalleinbrüche“ an.
Tierrechtler durch Gerichtsurteil gestärkt
Die Tierrechtler wiederum sehen sich durch ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Naumburg in ihrer Position gestärkt: Das Gericht erkannte zwar den Tatbestand des Hausfriedensbruchs, sah aber einen rechtfertigenden Notstand. Nur mit dem so erstellten Videomaterial hätten die Aktivisten die zuvor untätigen Behörden zu einem Eingreifen bewegen können. Bei nachfolgenden Kontrollen stellten diese dann tatsächlich diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung fest.
Auch die knapp fünf Monate zwischen Aufnahme und Anzeige/Medienveröffentlichung seien vertretbar, da es sich in dem Fall (u.a. Kastenstandmaße) um eine „Dauergefahr“ gehandelt habe, bei der es für die Rechtfertigung ausreiche, wenn die Notstandshandlung zu einer zeitlich versetzten Gefahrenabwehr führt. Der Richter hielt aber in der Urteilsbegründung auch fest, das Urteil sei „kein Freibrief für tatsächliche oder selbst ernannte Tierschützer“. Ein weiteres OLG-Urteil zu einem Stalleinbruch in eine Putenmastanlage steht in Baden-Württemberg an (OLG-Stuttgart).
Kampagne statt Tierschutz
Die Landwirtschaft wiederum sieht in der Zeitverzögerung eher ein Geschäftsmodell
Besonders wenn es um verletzte oder tote Tiere gehe, müssten Tierschützer, die ihre Aufgabe ernst nehmen, sofort die Behörden einschalten. Stattdessen sammle man Bilder um sie medial für Kampagnen gegen die Tierhaltung und Tierhalter zu nutzen und beispielsweise passgenau zu politischen Entscheidungsterminen (z.B. Agrarministerkonferenz/Grüne Woche) zu veröffentlichen. Als solche gezielte Kampagne wertet man einen Fall aus 2016, als parallel Videos aus Ställen einer ganzen Anzahl von Verbandsfunktionären in Medien verbreitet und online gestellt wurden, die zum Teil aber ein Jahr zuvor oder früher aufgenommen worden waren. Oder auch die Aufnahmen aus dem Stall der Familie von NRW-Landwirtschaftsministerin Christina Schulze-Föcking (CDU), die vor der NRW-Wahl aufgenommen, aber erst nach ihrer Ernennung zur Ministerin veröffentlicht wurden.
Die Berichterstattung über Stalleinbrüche ist häufig einseitig und skandalisierend. Das ist nicht unsere Landwirtschaft und Tierhaltung, die so verzerrt dargestellt wird
, betont etwa Dr. Hermann-Josef Nienhoff, Geschäftsführer der QS Qualität und Sicherheit GmbH. Er fordert: Alle Wirtschaftsbeteiligten sowie die Politik sollten dafür eintreten, die Landwirte davor zu schützen.
Dringender Rat: Jeden Stalleinbruch anzeigen
Um das Problem deutlich zu machen, versucht die Branche Zahlen zu Stalleinbrüchen zusammenzutragen. Sowohl QS-Krisenmanager Thomas May als auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), raten den Tierhaltern, bei einem Einbruch sofort Anzeige zu erstatten – die ISN hat dafür sogar ein eigenes Hilfskonzept mit Rechtsberatung aufgelegt.
May: „Betroffene sollten einen Einbruch in jedem Fall QS und den zuständigen Ämtern melden, um einen Nachweis in der Hand zu haben. Außerdem empfehlen wir, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.“
Die ISN sieht hinter den Stalleinbrüchen ein Geschäftsmodell, mit dem Tierrechtler medienwirksam Spendengelder einwerben. Es gebe ein regelrechtes Tierrechtlergeflecht. Mit konkreten Zahlen müsse man der Justiz das Ausmaß verdeutlichen.