Tierschutzrelevant: Schultergeschwüre bei Sauen

Schulterläsionen am häufigsten in der Frühlaktation, wenn die Sauen viel auf der Seite liegen um ihre Ferkel zu säugen. (Foto: © WiSiTiA/jh)

Haben Sauen Nekrosen und schlecht heilende Geschwüren an der Schulter, dann gibt es viele Ursachen: falscher Boden, schlechte Körperkondition aber auch schlechte Belüftung – worauf man achten muss und wie man schnell reagieren kann.

(aw) – Schulterverletzungen kommen in erster Linie an den Knochenvorsprüngen des Schulterblatts vor und stellen sich ähnlich wie Liegegeschwüre bei Menschen dar. Sie entstehen am häufigsten in der Frühlaktation, wenn die Sauen viel auf der Seite liegen um ihre Ferkel zu säugen. Der Druck beeinträchtigt die Durchblutung – vor allem im Bereich der Schulterblattgräte – und es kommt aufgrund der ungenügenden Zirkulation zu Nekrosen und schlecht heilenden Geschwüren.
In der aktuellen Ausgabe des Journal of Swine Health and Reproduction hat Dr. Fiona Rioja-Lang von der University of Edinburgh zusammen mit Kollegen aus Schottland und den USA Faktoren zu Auftreten und Vorbeugung von Schulterverletzungen bei Sauen zusammengetragen.
Weltweit leiden zwischen fünf und 50 Prozent aller Sauen (je nach Studie) an diesen schmerzhaften Veränderungen. Deshalb ist es zuerst ein tierschutzrelevantes Geschehen – und erst danach ein ökonomisches Problem (vorzeitige Abgänge, schlechte Schlachtkörper).

Problem „Boden“ – zu rauh, zu hart, zu dreckig

Die Faktoren, die die Geschwürbildung begünstigen sind vielfältig. Eine besondere Rolle spielt die Bodenbeschaffenheit. Beim Menschen nimmt man an, dass durch Reibung die Haut beschädigt wird und Ähnliches gilt vermutlich auch für Schweine.
Treten vermehrt Schulterprobleme in einem Bestand auf, muss man den Boden der Abferkelbuchten im Hinblick auf Rauheit, Härtegrad, Oberflächenprofil und Wärmeableitung überprüfen. Gitter- oder Spaltenböden begünstigen zum Beispiel Druckgeschwüre im Brustbereich der Sauen, da die Druckverteilung auf die Haut des liegenden Tieres nicht gleichmäßig ist.

Feuchtigkeit begünstig Hautverletzungen

Ebenfalls nachteilig sind beschädigte, unebene, verschmutzte oder feuchte Böden. Gerade Feuchtigkeit begünstigt Hautverletzungen. Daher kann auch eine mangelhafte Belüftung mit entsprechend hoher Luftfeuchtigkeit das Problem verschärfen. Treten in einem Stall nur in bestimmten Abfekelbuchten Schultergeschwüre auf, muss neben der Bodenbeschaffenheit unbedingt die Effektivität der Lüftung überprüft werden. Eventuell spielt auch die Umgebungstemperatur eine Rolle. Bei zu hohen Temperaturen bewegen sich die Sauen nicht gerne und liegen daher länger als gut für sie wäre.

Schulterläsionen am häufigsten in der Frühlaktation, wenn die Sauen viel auf der Seite liegen um ihre Ferkel zu säugen. (Foto: © WiSiTiA/jh)

 „Bequeme“ Bucht für die Sau

Im Umkehrschluss bedeuten diese Aspekte: Der Boden der Abfekelbuchten sollte bequem sein und die Sau muss genug Platz zum Aufstehen, Ablegen und Säugen haben. Auch darf der Boden nicht rutschig werden und sollte dem Gewicht der Sauen entsprechend stabil sein. Exkremente müssen separiert werden können, um den Boden nicht zu verschmutzen. Generell ist auf Trockenheit und Sauberkeit zu achten.
Die Autoren halten den weltweiten Trend zur Abschaffung von relativ engen Abferkelbuchten im Zusammenhang mit Schulterverletzungen für sinnvoll, da Sauen in Systemen, in denen sie mehr Platz haben, häufiger ihre Lage wechseln (können) und durch die Bewegung einen besseren Muskeltonus besitzen.

Zur Entlastung: Stroh oder andere weiche Böden

Sauen mit Schulterverletzungen sollten unverzüglich auf Stroh oder anderen weichen Untergründen gehalten werden. Dänemark schreibt bereits jetzt vor, dass Sauen, die Schulterveränderung mit einem Schweregrad von 3 oder 4 (auf einer Skala von 0 bis 4, je nach Beteiligung der verschiedenen Hautschichten) aufweisen, nicht mehr fixiert werden dürfen und die Liegeflächen weich sein müssen.
Als Untergrund würde sich aufgrund der gleichmäßigen Druckverteilung vor allem Stroh anbieten. Doch da sich Stroh nicht immer mit der Art der Entmistung verträgt, sind auch weiche Gummiböden zulässig. Studien haben gezeigt, dass Schultergeschwüre im Brustbereich schneller heilen, wenn die Sauen auf weichen Gummimatten oder Platten aus rostfreiem Stahl liegen können.

Tetrazyklinsalbe statt Zinkspray

Die zusätzliche Behandlung mit einem tetrazyklinhaltigen Spray fördert die Heilung etwas besser als die lokale Anwendung einer Zinksalbe. Auch die Verwendung von Schulterschonern hat sich bewährt. Die sollten sofort eingesetzt werden, wenn die Schultern der Sauen rote Druckstellen aufweisen.

„Polsterung“ der Sau verlangt gute Körperkondition

Neben der Beschaffenheit des Bodens spielt die „Polsterung“ der Sau selbst eine wichtige Rolle, um das Vorstehen von Knochen zu vermeiden. Sauen brauchen daher eine ausreichende Körperkondition beziehungsweise entsprechendes Rückenfett. Sie sollten zum Abferkeln eine Körperkondition von 3 (Skala von 1 bis 5) besitzen. Untersuchungen haben gezeigt, dass Sauen, die am 109.Tag der Trächtigkeit eher mager waren, während der Säugeperiode deutlich häufiger unter Schultergeschwüren litten.

Lahmheiten unverzüglich behandeln

Um Schulterproblemen bei Sauen vorzubeugen muss der Landwirt während der Hochträchtigkeit auf eine ausreichende Futteraufnahme und die Aufrechterhaltung einer guten Körperkondition achten. Außerdem müssen Lahmheiten unverzüglich behandelt werden, da die Sauen sonst aufgrund von Schmerzen lieber liegen als stehen/aufstehen.

Abheilung von Geschwüren ist langwierig

Im Abferkelbereich müssen die Böden unbeschädigt, trocken und sauber gehalten werden und im Brust-/Schulterbereich ist auf eine weiche Liegefläche zu achten. Spätestens beim ersten Anzeichen von Hautrötungen an den Schultern oder auffälligem Fliegenbefall in diesem Bereich muss der Schulterbereich gepolstert werden.
Verschlechtert sich der Hautzustand, müssen Sauen mehr Bewegungsfreiheit und Zugang zu weichen Liegeflächen bekommen. Die Abheilung vorhandener Geschwüre ist langwierig und abhängig von der Qualität der Pflege der Tiere.
Die Anfälligkeit von Schweinen für Liegegeschwüre ist darüber hinaus eventuell genetisch verankert, daher sollte jede entsprechende Erkrankung dokumentiert und eingeordnet werden.

Quelle:
Journal of Swine Health and Reproduction: „Shoulder lesions in sows: A review of their causes, prevention, and treatment“  (Web-Link oder PDF-Download)

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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