MRSA-Sanierung: Schweinestall abreißen

DR. HENRIK HOFMANN Schwein Bioschwein Biogas

Multiresistente Keime lassen sich wieder aus Ställen entfernen. Allerdings nur mit radikalem Aufwand: Mit Keulung und Neuaufbau des Bestandes sowie mehrfacher Dekontamination aller Gebäude, Kernsanierung und teilweisem Neubau – ein Weg, der im laufenden Betrieb aber nicht möglich ist.

(jh) – Am Beispiel eines Schweinebauern haben Forscher verschiedener Institute (siehe Quellen unten) erstmalig geprüft, ob es möglich ist, durch umfassende Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen von Stallgebäuden und Stallinstallationen den als MRSA bekannten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus sowie den Extended Spectrum Beta-Lactamase-bildenden Enterobakterien, kurz ESBL-E. aus einem Betrieb zu eliminieren.

Produktion auf geschlossenes System umgestellt

Beide Keime waren in dem Betrieb bei einem Routine-Hygiene-Monitoring nachgewiesen worden. Der Landwirt entschloss sich im Rahmen einer Produktionserweiterung seinen Betrieb umzustellen: Von der Ferkelerzeugung auch auf Jungsauenaufzucht, was den Zukauf von Tieren und damit das Risiko des Eintrags neuer Keime reduziert. In der Konsequenz wurde der bestehende Tierbestand gekeult, die gesamte Anlage von einem zertifizierten Desinfektor dekontaminiert (d.h. gereinigt und desinfiziert) und der Hof saniert und um einen weiteren Tierstall erweitert. So konnten die Wissenschaftler die Entwicklung sowohl in (kernsanierten) Altgebäuden als auch im Neubau nachvollziehen.

Keime auf allen Kontaktflächen

Das Problem bei der Desinfektion eines Schweinestalls ist, dass sich die Keime nicht nur auf beziehungsweise in den Tieren befinden, sondern – resistente ebenso wie nicht resistente Keime – auch die „Kontaktflächen“ (Wände/Böden, Güllegruben, Einbauten) besiedeln sowie im Staub und damit im gesamten Stall zu finden sind. Außerdem sind häfig auch Geräte und Personen, die in dem Betrieb arbeiten oder im Umfeld leben, vorübergehende (transiente) Träger der verschiedenen Erreger. Obwohl auch in der klassischen Schweinehaltung – beim sogenannten Rein-Raus-Verfahren – die Tiere meist komplett ausgetauscht und die Stallanlagen sorgfältig desinfiziert werden – erschwert diese tiefe Durchdringung die Elimination multiresistenter Keime.

Mehrstufige Dekontamination

Nach der in diesem Fall aufwendigen Sanierung und mehrstufigen Dekontamination – die in der Form in einem laufenden Betrieb nicht zu leisten wäre – konnten die Wissenschaftler Mithilfe von Abstrichen von den Schweinen, aus Luft, Wasser und Staub sowie von Haustieren und Personen, die auf dem Hof leben beziehungsweise arbeiten, nachweisen, dass zuvor vorhandenen LA-MRSA und ESBL-E-Keime vollständig eliminiert worden waren.

Nach zwei Jahren immer noch ESBL-frei

Auch heute, nach zwei Jahren, sei der Betrieb noch ESBL-frei  und auch der ursprünglich vorhandene LA-MRSA-Stamm ist vollständig eliminiert. Allerdings wiesen die Forscher bereits zwei Tage nach Wiederaufnahme des Betriebs einen neuen LA-MRSA-Stamm nach. Dessen Herkunft konnte nicht geklärt werden, er wurde aber vermutlich mit neu eingestallten Tieren eingeschleppt – obwohl diese stichprobenweise getestet worden waren. Auch einer der Mitarbeiter, der zuvor mit dem vor der Desinfektion nachweisbaren LA-MRSA kolonisiert war, war zwei Monate nach der Dekontamination ebenfalls mit dem neuen MRSA-Stamm der Schweine kolonisiert.

Weniger Erkrankungen, weniger Antibiotika

Ein Jahr nach Dekontamination berichtete der Landwirt aber unter anderem über deutlich weniger Darmerkrankungen der Tiere und einen geringeren Einsatz von Antibiotika – aufgrund des geringeren Zukaufs von Schweinen. „Dieses Beispiel zeigt, dass es möglich ist, durch radikale Dekontamination multiresistente Keime aus landwirtschaftlichen Betrieben zu eliminieren. Die Herausforderung ist es, Methoden zu entwickeln, um den Neueintrag und die Verschleppung zu verhindern“«, erläutert Priv.-Doz. Dr. Isabelle Bekeredjian-Ding (Paul-Ehrlich-Insitut) die Ergebnisse. „Diese radikalen Maßnahmen dürften sich aber in den wenigsten Fällen umsetzen lassen“, räumt die Agrarwissenschaftlerin Dr. Ricarda Schmithausen von der Universität Bonn ein.

wir-sind-tierarzt.de meint:

(jh) – Was Tierärzte und Landwirte in der Praxis vielfach erleben, ist jetzt auch wissenschaftlich noch einmal belegt: Das Ausbreitungs-Risiko von MRSA und ESBL-E lässt sich durch eine Kombination verschiedenster hygienischer und organisatorischer Maßnahmen deutlich minimieren – aber eben nicht auf Null senken. Trotzdem zeigt der Fall eindrucksvoll, was möglich ist. Entscheidend scheint gewesen zu sein, dass eine Profi-Firma die mehrstufige komplette Desinfektion von Stall, Leitungen und Einrichtung übernommen hat. Angesichts der momentan daniederliegenden Ferkel- und Schweinepreise unter den Herstellungskosten, könnte solch eine längere, gründliche Desinfektionspause zwischen zwei Durchgängen vielleicht für den ein oder anderen Betrieb eine Überlegung sein? 

Quellen:
Presseinformation des Paul-Ehrlich-Institutes (7.9.2015) 
Presseinformation der Universität Bonn (7.9.2015)
Originalquelle der Arbeit aus der Zeitschrift Applied and Environmental Microbiology (Online-Ausgabe / nur abstract frei zugänglich – 9.2015)

Der Deutschlandfunk berichtete bereits im Oktober 2014 über das Projekt

Beitragsbild: ©WiSiTiA/hh

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