(jh) Adrianus Straathof tritt bis zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn als Geschäftsführer seiner Unternehmen zurück. Das soll den reibungslosen Weiterbetrieb der Schweinzuchtbetriebe ermöglichen, liess er über seine Medienagentur erklären. Zuvor hatten sowohl das Verwaltungsgericht Magdeburg, als auch das von Straathof danach angerufene Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt das „sofort vollziehbare Verbot des Haltens und Betreuens von Schweinen“ gegen den holländischen Unternehmer für Rechtens erklärt. (erstellt: 16.12. /zuletzt aktualisiert: 23.12. – 16:00)
Hintergründe zum Tierhaltungsverbot gegen einen der größten Schweinehalter Europas finden Sie hier
Das OVG sah in seinem Beschluss, „hinreichenden Anlass zu der Annahme, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung der Tiere durch Herrn Straathof eine Gefahr für deren angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung resultiere“. Die endgültige Entscheidung über ein Tierhaltungsverbot für einen der größten Schweinezüchter Europas fällt aber dennoch erst in einem ordentlichen Widerspruchsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt.
Eilrechtsschutz abgelehnt
Die Versuche von Straathof, bis dahin die vom Landkreis Jerichower Land angeordnete sofortige Vollziehbarkeit des Verbotes durch Eilrechtsschutzanträge aufzuheben, blieben erfolglos. Nachdem schon das Verwaltungsgericht Magdeburg in erster Instanz den sofortigen Vollzug für angemessen erachtete, bestätige auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) die sofortige Vollziehbarkeit des Tierhaltungsverbotes. Es sah keinen Grund für eine anders lautende „Zwischenentscheidung“, denn – so argumentierte das OVG laut Straathofs Medienagentur: Er, Straathof habe die Möglichkeit der – gegebenenfalls auch nur befristeten – rechtsgeschäftlichen Übertragung der Befugnisse zur Haltung von Tieren. Das bedeutet im Klartext: Da das Verbot für ihn persönlich gilt, wird es nicht gegen die Betriebe der Straathof-Holding durchgesetzt, wenn er als Geschäftsführer zurücktritt. Das hat er zunächst getan.
Straathof-Betriebe machen weiter
Straathof ließ dementsprechend erklären, das Oberverwaltungsgericht habe auch bestätigt, dass mit dem Tierhaltungsverbot weder die Schließung seiner Schweinezuchtbetriebe noch etwa eine Ausstallungsverpflichtung oder ein Wiederbelegungsverbot verbunden sei. Damit greife die Verfügung nicht in den Geschäftsbetrieb der einzelnen Unternehmen ein. Sie können weiter arbeiten.
Schwere Tierschutzmängel
Das Magdeburger Verwaltungsgericht hatte bereits am Dienstag (16. Oktober) das am 24. November gegen Adrianus Straathof verhängte Haltungsverbot bestätigt, weil es sich auf der Grundlage des Tierschutzgesetzes als rechtmäßig erweise. In der Begründung bezog es sich ausdrücklich auf mehrere, offenbar von den Veterinärbehörden gut dokumentierte Tierschutzverstöße: Das veterinärmedizinische Fachpersonal des Landkreises Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) habe seit mehreren Jahren bei zahlreichen Tierschutzkontrollen in den Schweinezuchtanlagen immer wieder schwerwiegende Mängel bei der Versorgung, Unterbringung und Pflege der gehaltenen Schweine festgestellt.
Haltungsmängel sind nicht wirtschaftlich zu begründen
Es geht insbesondere um zu enge beziehungsweise zu kleine Kastenstände, die laut Gericht tierschutzwidrig seien und den Tieren durch kommerzielle Interessen nicht zu rechtfertigende Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügten. Außerdem seien Schweine ohne vernünftigen Grund und ohne Betäubungsmittel getötet worden. So habe – argumentiert das Verwaltungsgericht weiter – eine Straathof-Angestellte im Beisein der amtlichen Veterinärin und bevor diese habe einschreiten können, ein Tier mit einem Schlag über eine im Kadaverhaus befindliche Kante getötet, ohne es zu entbluten.
Weitere Haltung würde weitere Leiden bedeuten
Weiterhin seien entgegen europarechtlichen Vorschriften kranke, nicht transportfähige Ferkel verladen und zum Schlachthof transportiert worden. Hierdurch seien den Tieren unnötige und vermeidbare Schmerzen und Leiden zugefügt worden. Auf weitere Vorwürfe ging das Gericht im Beschluss nicht ein. In Summe bestehe aber zumindest hinreichender Anlass zu der Annahme, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung von Tieren durch den Antragsteller eine Gefahr für deren angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung resultiere.
Über 400 Fälle verletzter Ferkel dokumentiert
Speziell die Verstöße bei den Ferkel-Transporten, scheinen Gewicht zu haben. Bei stichpunktartigen Tierschutzkontrollen hätten die Veterinäre des Landkreises Jerichower Land 413 Fälle von Verletzungen und Erkrankungen an Ferkeln bemängelt, berichtet Report Mainz und beruft sich auf vorliegende Protokolle (3 Artikel & Video). Darunter seien zum Beispiel 149 Fälle von Hoden-, Nabel- und Leistenbrüchen und 40 Fälle von Gliedmaßen-Verletzungen. Außerdem hätten viele Tiere an einer bakteriellen Hautkrankheit gelitten, der sogenannte Ferkelruß sei in 258 Stallbuchten festgestellt worden. Angezeigt hatte die Missstände Horst Beck, Geschäftsführer eines Schlachthofes, bei dem 2013 und 2014 mehrfach aus verschiedenen Betrieben der Straathof-Holdung schwer kranke, nicht transportfähige Ferkel angeliefert worden waren: „So etwas habe ich in diesem Ausmaß noch nie gesehen. Ein Landwirt, der seinen Stall im Griff hat, da kommt so was nicht vor.“
Eingriff in Grundrechte gerechtfertigt
Das Gericht betonte, es verkenne bei seiner Entscheidung nicht, dass die von Straathof angefochtenen Maßnahmen für ihn zumindest einen erheblichen Eingriff in seine Grundrechte bedeuteten. Da die Schaffung tierschutzgerechter Bedingungen in seiner Sphäre liege, müsse dies der Antragsteller aber hinnehmen. Der respektvolle, tierschutzgerechte Umgang mit Tieren sei durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Art. 20 a GG) zum Staatsziel erhoben worden. Dem sei der einzelne durch Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen verpflichtet, auch wenn er Tiere zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken halte.
Weitere Berichte auf wir-sind-tierarzt.de
Tierhaltungsverbot gegen Adrianus Straathof, einen der größten Schweinezüchter Europas – (15.12.2014)
Der Fall Straathof ist – direkt oder indirekt – auch Thema einer ganzen Reihe von TV-Beiträgen – eine Auswahl hier – (22.12.2014)