(jh/PM) – „Bravecto® kills“ – das war der überspitzte Tenor eines Social-Media-Shitstorms in 2017, über den auch wir-sind-tierarzt ausführlich berichtet hatte. Es ging um mögliche Nebenwirkungen und deren Bewertung.
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In diesem Streit hatte der Hersteller mit Facebook-Posts Position bezogen, in denen er die Sicherheit des Medikamentes betonte. Ein Wettbewerber klagte auf Unterlassung, weil gemäß § 10 I Heilmittelwerbegesetz (HWG) Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente nur bei den sogenannten Fachkreisen – insbesondere Tierärzten – zulässig ist. Werbung in der allgemeinen Öffentlichkeit aber ist verboten. Das Landgericht Köln hatte dem Antrag zunächst vollständig stattgegeben.
OLG-Köln: Facebook-Posts mit werbendem Inhalt können zulässig sein
In der Berufung hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln differenziert entschieden:
- Ein Post, der den Wirkstoff „als sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken“ bezeichnet, bleibt verboten.
- Ein Post mit der Frage „Ist dieses verschreibungspflichtige Medikament sicher für meinen Hund?“ ist dagegen erlaubt.
Die Begründung (mehr unten) ist komplex.
Das Gericht erklärt außerdem die Bedeutung des Heilmittelwerbeverbotes für Tierärzte: Es soll sie vor Einflussnahme und Druck schützen.
Werbeverbot: Tierärzte sollen frei entscheiden
In seiner Urteilsbegründung erläuterte des OLG auch, warum es das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 10 I HWG) in der Tiermedizin für verfassungsrechtlich zulässig hält:
- Der gesetzliche Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Berufs- und Meinungsfreiheit der Hersteller von Tierarzneimitteln sei gerechtfertigt, weil sie den Tierarzt vor Einflussnahme schütze. Der müsse frei entscheiden dürfen, ob und welche Medikamente er aufgrund seiner Expertise verschreiben möchte. Werbung für ein Medikament in der allgemeinen Öffentlichkeit könnte aber diese freie Entscheidung des Tierarztes erheblich beeinflussen.
Konkret: Tierhalter könnten aufgrund der Werbung einen Tierarzt zur Verschreibung drängen. Oder sie könnten versuchen, das Arzneimittel ohne Konsultation eines Tierarztes zu erhalten (Stichwort Internethandel). Damit diene das Werbeverbot letztlich auch dem Tierwohl.
Was ein Hersteller nicht darf …
Generell seien die Posts wegen der Nennung des Wirkstoffs und des Logos der Herstellerin als produktbezogene Werbung einzuordnen, die über Facebook auch außerhalb der Fachkreise geschaltet worden sei, sagt das OLG Köln (Volltext des Beschluss hier).
Der Post mit der Behauptung, das Medikament sei „(ein) sicheres und wirksames Mittel gegen Flöhe und Zecken“ sei nicht zulässig und auch innerhalb der Fachkreise – also auch gegenüber Tierärzten – zu unterlassen.
Begründung: Durch die besondere Herausstellung der Sicherheit des Mittels würde der unrichtige Eindruck erweckt, das Arzneimittel habe keine Nebenwirkungen. Der Umstand, dass das Arzneimittel behördlich zugelassen sei, genüge nicht, um es als „sicher“ zu bezeichnen, weil sich aus der Zulassung nur ein positives Verhältnis zwischen Nebenwirkungen und Behandlungserfolg ergebe.
… und was das Gericht erlaubt
Dagegen hält des OLG-Köln einen Facebook-Post mit der Frage „Ist dieses verschreibungspflichtige Medikament sicher für meinen Hund?“ für erlaubt – in der besonderen Situation des „Shitstorms“.
Das OLG argumentiert: Zwar sei auch dieser Post als Werbung einzuordnen, aber dennoch nach HWG zulässig, weil er im Zusammenhang mit der Social-Media-Debatte nur für diejenigen als Werbung erkennbar sei, die auch den „Shitstorm“ gegen das Produkt kennen. Facebook-Nutzer, deren Interesse nicht aufgrund einer anderweitigen Kenntnis von der Diskussion über das Arzneimittel geweckt worden sei, würden sich mit der Darstellung nicht weiter auseinandersetzen.
Außerdem würden in dem Post nicht die besonderen Vorteile des Mittels beworben, sondern die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Produktes, welche gerade Gegenstand der auf Facebook geführten Diskussion sei.
Insgesamt würde daher letztlich nicht ein breiter Kreis von Tierhaltern angesprochen, sondern lediglich Personen, denen das Arzneimittel und die Diskussion hierüber bereits bekannt seien. Die mit einer solchen Werbung verbundenen Risiken, denen der Gesetzgeber durch das Werbeverbot begegnen wollte, könnten sich daher bei diesem Personenkreis kaum verwirklichen
Im Ergebnis überwiege das Interesse des Herstellers, sich in die Diskussion über die Gefahren und Risiken ihres Arzneimittels einzubringen.