Deutsche Kleintierkliniken setzen doppelt soviel Antibiotika ein wie ihre Pendants in Schweden oder Norwegen – bei gleichwertigen Behandlungsergebnissen. Das sagt zumindest der interne Qualitätsbericht 2016 der Tierklinikkette AniCura. Er wertet Daten von 150 Tierkliniken aus.
(jh/PM) – Die schwedische Tierklinikkette AniCura hat in Deutschland inzwischen 22 Standorte (Übersicht hier) und betreibt in sieben europäischen Ländern insgesamt 150 Kliniken und Praxen. Neben der Antibiotikamenge gebe es auch bei der Handdesinfektion in Kliniken Verbesserungspotential (Details siehe unten).
Das Unternehmen gibt an, mit seinem Qualitätsbericht in der europäischen Veterinärmedizin bislang einzigartig zu sein. Er soll transparent beschreiben, wie die Klinikkette 2016 in Sachen Versorgungsqualität gearbeitet hat und wichtige Schlussfolgerungen für die medizinische Qualität und Patientensicherheit ermöglichen. Gleichzeitig will AniCura mit dem Bericht (PDF_Download hier) mögliche Ansatzpunkte für Verbesserungen aufzeigen.
Schlussfolgerungen aus dem AniCura Qualitätsbericht 2016
- Es gilt, die großen Unterschiede beim Antibiotikaeinsatz innerhalb der verschiedenen europäischen Ländern anzugehen.
Schwedische und norwegische Tierkliniken verwenden nur halb so viel Antibiotika wie der Rest Europas, allerdings mit gleichwertigen Behandlungsergebnissen. Die Ergebnisse des Berichts böten ein wertvolles Fundament für die weitere Forschung, da bisher Daten fehlten, warum Tierärzte welches Antibiotikum verwendeten.
Im Qualitätsbericht (Seite 31ff) schreibt AniCura, dass die Menge der eingesetzten Antibiotika reduziert werden und eine genauere Substanzauswahl erfolgen soll. In den meisten Fällen wurden Antibiotika „erfahrungsbasiert“ und nicht nach Resistenztests oder Keimbestimmung eingesetzt.
- Der Verbrauch von Handdesinfektionsmittel in der Tiermedizin sollte erhöht werden.
Der Verbrauch von Handdesinfektionsmittel ist ein anerkanntes indirektes Maß für die Händehygiene im Gesundheitswesen. Der Bericht deckt auf, dass der Verbrauch in den einzelnen Kliniken sehr unterschiedlich und insgesamt vergleichsweise gering ist. Im Durchschnitt wurden 14 ml Handdesinfektion pro Patient und Tag verbraucht. Mit Hygienerichtlinien unterstützt AniCura die Tierkliniken bei ihren Bemühungen um eine bessere Handhygiene.
- Guter Umgang mit Patientenakten in der Tiermedizin
Fast 90 Prozent der AniCura-Kliniken haben Richtlinien für den Umgang mit Patientenakten. Die Hälfte der Tierkliniken prüft regelmäßig die Akten, um deren Qualität zu bewerten.
- Das Management von Vor-/Zwischenfällen muss verbessert werden.
Aus historischen Gründen hat jede einzelne Klinik der Kette ihre eigene Handhabung von Vor- und Zwischenfällen. Der Bericht zeigt, dass ein Bedarf an gemeinsamen Richtlinien und Prozessen existiert, um eine einheitliche Qualität, Überwachung, Evaluierung und resultierende Maßnahmen zu gewährleisten.
wir-sind-tierarzt.de meint: Lesen lohnt
(jh) – Skandinavien hat ein andere, eigene Tradition im Umgang mit Daten. Dort ist man nicht nur bei der Steuererklärung transparenter. Dass die Schweden dies auch mit der Expansion in andere Länder und Kulturen beibehalten, ist lobenswert.
Der vollständige Qualitätsbericht verrät zwar keine Firmengeheimnisse, geht nicht allzusehr ins Detail und stellt auch nicht einzelne Standorte bloß. Aber er dürfte „typische“ Informationen über Prozesse in Kleintierkliniken enthalten, die auch auf sehr viele Praxen/Kliniken zutreffen, die nicht zur Kette gehören.
Wer als Praxisinhaber also nach Denkanstössen sucht, wie er die Qualität im eigenen Haus verbesssern kann, für den kann sich die Lektüre lohnen.
Eine Übersicht aller Artikel zur Expansion der schwedischen Klinikketten nach Europa finden Sie hier