Die Verdienstmöglichkeiten angestellter Tierärzte klaffen weit auseinander. Jeder zehnte verdient weniger als 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde, sagt eine aktuelle Umfrage. Und – was für einen der anspruchsvollsten und teuersten Studiengänge besonders dramatisch ist: Mehr als ein Drittel würden ihren Beruf nicht wieder wählen.
von Jörg Held und Henrik Hofmann
1.930 praktizierende Tierärzte haben Johanna Kersebohm auf eine Umfrage zu den Arbeitsbedingungen und der Berufszufriedenheit geantwortet. Auf dem bpt-Kongress in Hannover nannte sie erste Zahlen aus der Auswertung, die auf Daten von 1.200 angestellten Tierärzten beruhen:
- Angestellte Tierärzte verdienen demnach im Schnitt 3.000 Euro/ Monat. Das seien 1.300 Euro weniger als die vergleichbare Bevölkerungsgruppe.
- Jeder zehnte Angestellte verdient aber weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen 8,50 Euro Mindestlohn. Das trifft drei Bereiche besonders: Unter Mindestlohn liegen ¼ der Pferdepraktiker, ¼ der Berufsanfänger und die Hälfte der Universitätsmitarbeiter, die an der Umfrage teilgenommen haben.
Kleines Tierarztgehalt – viel Arbeit
Das Lohnproblem entsteht vor allem durch die Arbeitszeit: Einem fest vereinbarten Tierarztgehalt stehen oft überdurchschnittlich lange Arbeitszeiten gegenüber.
- So ist die 50-Stunden-Woche für die in Vollzeit angestellten Tierärzte der Umfrage der Median – das heißt: Die Hälfte arbeitet sogar noch länger. In Tierkliniken und insbesondere der Pferdepraxis liegt der Median bei 55 Stunden. Die Tierärzte aus der Umfrage arbeiten damit deutlich länger als der Bevölkerungsdurchschnitt.
- Damit verstießen die Arbeitszeiten von 600 der Umfrageteilnehmern gegen das deutsche Arbeitszeitgesetz. Das ist eine für Arbeitgeber rechtlich heikle Situation, denn Verstöße sind, wenn sie denn nachgewiesen werden können, bußgeldbewehrt (bis 15.000 Euro).
Das Problem für die Tiermedizin: Anders als etwa in der Humanmedizin, gibt es keine Tarifverträge, die zum Beispiel die Arbeitszeiten für Nachtdienste gesondert regeln und so 24- oder 36-Stunden-Dienste abweichend vom Arbeitszeitgesetz erlauben. Stattdessen gilt in jeder Praxis und Tierklinik das Arbeitszeitgesetz mit der Höchstgrenze von acht bzw. zehn Stunden/Tag, die dann ausgeglichen werden müssen
Beispiel: Leistet ein Mitarbeiter Bereitschaftsdienst mit Präsenzpflicht über das gesamte Wochenende von Freitagabend bis Montagmorgen, so wären mit diesen 60 Stunden die Möglichkeiten der Beschäftigung für die gesamte Woche vollkommen erschöpft.
Glücklich bei der Arbeit – unzufrieden im Beruf
Die Umfrageteilnehmer waren sehr zufrieden mit ihrer täglichen (kurativen) Arbeit am Tier; „nur“ 25 Prozent sind mit ihrem Beruf „sehr unzufrieden“. Die Arbeit an sich ist erfüllend. Hier hat der Tierarzt weiter seinen Status als Traumberuf.
Trotzdem würden 35 Prozent den Beruf nicht erneut wählen – die Arbeitsinhalte kompensieren also nicht die schlechten anderen Rahmenbedingungen.
Johanna Kersebohm: „Es trägt nicht mehr zur Berufszufriedenheit bei, wenn ich den ganzen Tag nur arbeite und fast nix verdiene.“ Umgekehrt sei aber auch klar, dass sich die Berufszufriedenheit insgesamt leicht verbessern liesse, wenn man die Arbeitsbedingungen verbessere.