Die Zahl der toten Wildvögel mit H5N8-Geflügelpestinfektionen steigt schnell. Inzwischen sind in Deutschland auch acht Hausgeflügelhaltungen infiziert. Darunter aber erst eine große geschlossene Hühnerhaltung. Auch Dänemark und die Niederlande melden Infektionen in sogenannten „Backyard“-Haltungen; Österreich in größeren Freilandhaltungen. Sollte sich eine, in einem 16.000er Putenbestand im Landkreis Cloppenburg nachgewiesene H5-Infektion als hochansteckend erweisen, wäre der erste Nutztierbestand in einem Gebiet mit hoher Geflügeldichte infiziert.
(Dieser Beitrag wird nicht mehr aktualisiert – letzte Aktualisierung: 23.11.2016 – 23:00 Uhr)
von Jörg Held
Den aktuellen Stand (ab 24.11.) der Berichterstattung über den H5N8-Geflügelpestausbruch 2016 finden Sie hier
Den aktuellen Stand der H5N8-Aussbreitung zeigt nebenstehende Karte des Friedrich-Loeffler-Institutes (Direktlink / Stand 23.11. – 13:00 Uhr)
Auffallend ist die hohe Todesrate bei Wildvögeln, die bisher als eher symptomlose Virusträger galten. Obwohl längst nicht alle Totfunde untersucht werden konnten, sind bereits über 200 Fälle der hochansteckenden (HPAI) H5N8-Infektion bei Wildvögeln bestätigt. Hotspot mit über 150 toten Wildvögeln ist der Bodenseeraum. Die Funde gelten laut Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) aber nur als „Spitze des Eisberges“. Inwieweit das Virus zu einer aggressiveren Variante mutiert ist, wird dort am Nationalen Referenzlabor für Aviäre Influenza/Geflügelpest (AI) noch untersucht. „Nie zuvor hat sich das Virus so schnell über die gesamte Bundesrepublik ausgebreitet“, sagte etwa Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft und Umwelt in Mecklenburg-Vorpommern. Dies zeigt auch die Gegenüberstellung der Karten (unten).
Informationen zur Lage in der Schweiz (hier) und Österreich (hier).
Nutzgeflügel bisher weitgehend verschont
Neben vier Hausgeflügel-Freilandhaltungen ist in Deutschland bisher erst ein größerer geschlossener Betrieb mit 36.000 inzwischen getöteten Hühnern vom hochansteckenden H5N8-Virus infiziert (Schleswig-Holstein – weitere Fallübersicht in den Bundesländern siehe unten). Über einen sechsten, weiteren Betrieb in Mecklenburg Vorpommern ist noch nichts näheres bekannt. Die FLI-Karte (oben) führt ihn aber als Ausbruch (domestic).
Sorgen macht der Verdacht auf Ausbruch der Vogelgrippe in einem Putenbestand mit rund 16.000 Tieren im Landkreis Cloppenburg. Der gilt als „Geflügelhochburg“. Der Erreger vom Typ H5 wurde seitens des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg bestätigt. Ob es das hochansteckende H5N8-Virus ist wird noch im FLI untersucht.
Alle Betriebe liegen in Gebieten, in denen auch viele tote Wasservögel gefunden wurden. Für die Freilandhaltungen gilt deshalb der direkte Kontakt mit infizierten Wildvögeln beziehungsweise deren Kot als wahrscheinlich.
Wie das Virus in den geschlossenen Hühnerzuchtbetrieb gelangen konnte, dessen Bruteier nicht an Konsumenten geliefert werden, ist noch nicht geklärt. Das FLI warnt vor indirektem Kontakt: „Bereits nicht sichtbare Spuren von Kot beziehungsweise Nasensekreten von Wildvögeln reichen für die Übertragung aus.“ Risikofaktoren sind die Einstallung von Tieren sowie Personen- und Fahrzeugverkehr. Auch Futter, Wasser, Gerät oder Einstreu können verunreinigt sein.
Seit Montag (21.11.2016) gelten bundesweit die per Eilverordnung vorgeschriebenen besondere Biosischerheitsvorschriften (PDF-Download) für jede Art von Geflügelhaltung – auch Kleinstbetriebe.
Das FLI hat zum aktuellen Stand der Geflügelpest eine
überarbeitete Risikoeinschätzung veröffentlicht (Stand 18.11.2016)
sowie einen
Fragen und Antworten-Katalog (FAQ) zur aktuellen Ausbruchswelle
erstellt.
Empfehlungen des FLI zur Vorbeugung eines H5N8-Eintrages finden Sie hier (PDF-Download).
Konkrete Verhaltensregeln für Geflügelhalter hat auch das Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein hier veröffentlicht (PDF-Download).
Bundesweit gilt seit 21.11.2016 eine Eilverordnung zum Schutz von auch kleinen Geflügelbeständen (PDF-Download)
Sind Wildvögel Schuld?
Kritikern, die die „Wildvogel-These“ als Infektionsweg aus Asien (siehe unten) hinterfragen, antwortet das FLI: Ein infizierter Vogel müsse nicht über lange Strecken fliegen. „Entscheidend ist, dass sich Infektionsketten aufbauen, über die das Virus von Rastort zu Rastort weitergegeben wird.“ Die momentan als „dynamisch“ bezeichnete Ausbreitung unter Wildvögeln sei schwer einzuschätzen. Möglicherweise symptomlos infizierte Wildvögel und solche, die sich in der Inkubationszeit befinden, gelten als mobile Virusträger. Auch Aasfresser – sowohl Raubvögel wie auch Fuchs oder Marder – verbreiten das Virus weiter.
Warum sofort töten?
Wird in einer Geflügelhaltung Vogelgrippe (niedrig pathogene Viren) oder Geflügelpest (HP-AIV / hochansteckende Viren) festgestellt, werden die Tiere im Bestand getötet. Dies schreibt die Geflügelpestverordnung vor. Heilversuche sind verboten.
Die hochpathogene Geflügelpest kann in Nutzgeflügelhaltungen Krankheitsverläufe mit einer Sterblichkeit von bis zu 100 Prozent zur Folge haben, so dass die Tötung hier meist dem natürlichen Verlauf vorgreift und die Tier vor Schmerzen und Leiden bewahrt.
Bei niedrigpathogenen Viren kann das Geflügel eine Infektio zum Teil symptomlos überleben. Hier fürchtet man aber die bewiesene Möglichkeit, dass diese Viren zur hochansteckenden Variante mutieren. Die Tötung erfolgt daher vorbeugend.
Gleichzeitig werden aber meist auch die Tiere in Beständen getötet, die in einem Sperrbezirk um den Ausbruchsort liegen – selbst wenn dort noch kein Ausbruch nachgewiesen ist. Diese vorbeugende Tötung wird kritisiert, weil sie laut „Geflügelpestverordnung“ nicht zwingend ist, sondern als „Kann-Regel“ gilt (§21.4.4.). Insbesondere Tierschützer fordern, diese Betriebe zwar unter Quarantäne zu stellen, aber erst bei Nachweis einer Infektion zu keulen.
Bisher ordnen die Behörden aber die sofortige Tötung an, weil sie glauben, nur so eine verdeckte Verbreitung unterbinden zu können: Sollten Viren in einem Bestand zunächst ohne Symptome zirkulieren, fürchtet man ansonsten einer Ausbruchswelle nur noch „nachlaufen“ und sie nicht mehr schnell genug lokal eingrenzen zu können.
Das schnelle Ende eines Suchenzuges ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Obwohl bisher erst ein großer Nutzgeflügelbestand betroffen ist, haben bereits vier Staaten ein Einfuhrverbot für Geflügel aus Deutschland verhängt.
Könnte man impfen?
Impfungen gegen aviäre Influenza sind in der EU nicht erlaubt. Sie böten aufgrund der hohen Variabilität der Viren häufig nur einen unzureichenden Schutz, sagt das FLI.
Als wichtigster Grund für eine Nichtimpfung gilt bei der Vogelgrippe: Selbst wenn eine Impfung klinisch schützt (Symptome verhindert/mindert), verhindert sie nicht zuverlässig das weitere Ausscheiden des Virus. So könnte sich ein Infektionsgeschehen unbemerkt unter der Impfdecke ausbreiten und zu kontinuierlichen neuen Krankheitsausbrüchen führen.
Das gilt für Länder wie Ägypten oder China als gut belegt: Dort wird geimpft, dennoch kämpft man fortlaufend mit neuen Ausbrüchen. Dagegen konnte Europa die bisherigen Ausbrüche durch konsequente Keulung der betroffenen Bestände stets eindämmen.
Impfausnahmen gibt es für seltene Vogelrassen.
Ursprung in Asien
Die seit etwa 14 Tagen in Deutschland nachgewiesenen hochpathogenen H5N8-Viren unterscheiden sich deutlich von denen des letzten Ausbruchs 2014/2015. Sie sind aber eng verwandt mit einem als Gruppe-B-ähnlichen (Gochang-like) Southeast Asian goose/Guangdong bezeichneten Stamm. Die engste Beziehung besteht zu Ausbrüchen in Polen und Südrussland, berichtete Prof. Timm Harder (FLI) der Internationalen Gesellschaft für Infektionskrankheiten.
Quellen:
FLI FAQ-Katalog zur aktuellen Ausbruchswelle (PDF-Download)
FLI aktualisierter Risikobericht (PDF-Download)
Eilverordnung zur Biosicherheit in Geflügelbetrieben – gültig seit 21.11.2016 (PDF-Downlaod)
H5N8-Übersichtsseite des Bundeslandwirtschaftsministerium mit weiterführenden LinksGeflügelpestverordnung – Regelwerk zu Schutmaßnahmen, Aufstallung, Sperr- und Beobachtungsbezirken
Übersicht der Geflügelpestfälle in Deutschland und den Nachbarländern
Schleswig Holstein
4./5. November 2016 – Erste Verdachtsmeldungen aus dem nördlichsten Bundesland gab es nach Funden toter Reiherenten.
8. November 2016 – Bestätigung der hochpathogenen Geflügelpest vom Subtyp H5N8 durch das FLI.
Seitdem konnte das Virus in sieben Kreisen nachgewiesen werden: Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde, Plön, Segeberg, Herzogtum-Lauenburg, Dithmarsschen und der Hansestadt Lübeck.
In Lübeck war die erste Freilandhaltungen betroffen (ca. 100 getötete Puten).
Der Ausbruch in einer Hühnerzuchtanlage mit 36.000 Tieren im Kreis Schleswig-Flensburg ist der erste Fall von H5N8 in einem geschlossen Geflügelbetrieb.
In Dithmarschen sind zwei Gänsehaltungen eines Landwirtes betroffen (ca.3.800 Tiere). Allerdings wurde in diesen Beständen „nur“ ein niedrigpathogenes H5-Virus nachgewiesen. Dennoch werden alle Tier vorsorglich getötet, um einer Mutation vorzubeugen. (Korrekturhinweis: Diese Bestände wurden in einer früheren Version dieses Artikels als H5N8-infiziert gezählt)
H5N8-Übersichtsseite Schleswig-Holstein
Bayern und Baden-Württemberg
Fast zeitgleich zu den Funden im Norden wurden auch entlang des Bodensees sowohl auf der deutschen als auch der Schweizer und österreichischen Seite (siehe unten) zahlreiche Wildvögel-Totfunde gemeldet.
8. November 2016 – Bestätigung der hochpathogenen Geflügelpest vom Subtyp H5N8 durch das FLI.
Der Bodenseeraum gilt als Hotspot der aktuellen Ausbruchswelle, dort wurden bisher die meisten infizierten Wildvögel nachgewiesen (148 / Stand 18.11.).
In Bayern ist H5N8 in neun Landkreisen nachgewiesen. Es gilt eine landesweite Stallpflicht. Die Untersuchungszahlen veröffentlicht das LGL hier.
Baden-Württemberg hat ebenfalls eine landesweite Stallpflicht verhängt.
H5N8-Übersichtsseite Baden-Württemberg
Mecklenburg Vorpommern
Bestätigt sind H5N8-Infektionen bei 109 Wildvögeln aus allen Landkreisen des Bundeslandes.
Bestätigt sind auch (Stand 23.11.) sieben Ausbrüche der Geflügelpest bei Nutzgeflügel durch hochpathogene H5N8-Viren und zwei weitere Fälle durch niedrigpathogene Influenzaviren des Subtyps H5. Alle Fälle traten in kleinen Geflügelhaltungen und in einem kleinen Tierpark auf der Insel Rügen auf.
Es gilt eine landesweite Stallpflicht.
H5N8-Übersichtsseite Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
H5N8-Nachweis in Wildvögeln. Im Landkreis Clopenburg besteht der Verdacht auf Ausbruch der Geflügelpest in einem Putenbestand mit rund 16.000 Tieren. Der Erreger vom Typ H5 wurde seitens des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg bestätigt. Ob es das H5N8-Virus ist wird noch im FLI untersucht.
In Niedersachsen haben die als „Geflügelhochburgen“ geltenden Landkreise Emsland, Vechta, Cloppenburg und Grafschaft Bentheim sowie der Stadt- und Landkreis Onsabrück schön länger eine Stallpflicht verhängte. Insgesamt werden dort rund 80 Millionen Stück Geflügel gehalten.
Nordrhein-Westfalen
Das Bundesland mit der zweithöchsten Nutzgeflügeldichte meldet bisher zwei Fälle bei Wildvögeln – darunter ein Bussard.
Eine Stallpflicht gilt in Risikogebieten.
Sachsen
H5N8 in Wildvögeln im Raum Leipzig. Es gilt eine landesweite Stallpflicht.
Stadtstaaten Hamburg und Berlin
H5N8 in Wildvögeln.
Hessen
H5N8 bei einem Wildvogel am Twistestausee und einer Kanadagans in Frankfurt. Hessen hat eine landesweite Aufstallpflicht angeordnet. Mehr Informationen auf dieser Übersichtsseite.
Europa: Neun Staaten betroffen
In acht europäischen Staaten ist die hochansteckende Geflügelpest des Subtyps H5N8 inzwischen ebenfalls bei Wildvögeln bestätigt: Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark, Niederlande, Polen, Schweden, Ungarn und Kroatien.
Ausbrüche in Nutztierbeständen gibt es in Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden und insbesondere Ungarn.
Niederlande
Das Nachbarland meldet sieben nachgewiesene H5N8-Funde bei Wildvögeln und ein in einer Hobby-Geflügelhaltung von Schwäne, Enten und Hühnern. Karte mit den Ausbruchsorten (Stand 22.11.16)
Dänemark
Nach landesweiten H5N8-Nachweisen in Wildvögeln bestätigten die dänischen Behörden am 21.11.2016 auch einen Ausbruch in einer kleinen Geflügelhaltung mit 35 Enten, 16 Gänsen, 13 Hühnern und fünf Puten.
H5N8-Übersichtsseite Dänemark
Österreich
Für Österreich sind neben Wildvogelfunden H5N8-Infektionen in einer Putenfreilandhaltung (ca. 1.100 getötete Tiere) gemeldet. Ein auch hier zunächst gemeldeter 2. Fall in einer Hühnerfreilandhaltung hat sich nicht bestätigt.
H5N8-Übersichtsseite der AGES
Schweiz
In der Schweiz ist H5N8 bei Wildvögeln zuerst am Bodensee und dann auch am Genfer See nachgewiesen. Inzwischen sind Funde von weiteren Seen bestätigt (siehe Karte) u.a. vom Neuenburger See und dem Bieler See. Auf die rasante Ausbreitung haben die Behörden mit einem schweizweiten Aufstallungsgebot reagiert.
H5N8-Übersichtseite BLV-Schweiz
Schweden
Auch Schweden bestätigt jetzt zwei H5N8-Nachweise: Einmal bei einem Wildvogel, aber auch in einem Legehennenbetrieb.
Ungarn
In Ungarn sind bisher die größten Nutztierbestände betroffen: Zuerst ein Putenbestand mit 9.000 Tieren, inzwischen auch vier Farmen mit zusammen fast 63.000 Enten.
Polen
Die polnischen Behörden meldeten bislang 70 Wildvogelfunde im Zusammenhang mit H5N8.
Weltweit
H5N8-Fälle wurden zuvor in diesem Jahr aus Asien, den asiatischen Regionen Russlands und insbesondere aktuell aus Indien und Israel gemeldet.