Geflügelpest erreicht Geflügelhochburg Cloppenburg

Geflügelpest (H5N8) in der Geflügelhochburg Landkreis Cloppenburg bestätigt. (Symbolfoto: ©tpsdave/pixabay.com)

Die Geflügelpest erreicht europaweit die Nutztierhaltungen. Der Ausbruch in einer geschlossenen 16.000er Putenhaltung in Barßel (Landkeis Cloppenburg*) erfolgte in einer der geflügeldichtesten deutschen Regionen. Auch in Schweden werden 200.000 Hühner eines Bestandes getötet; in Ungarn und in den Niederlanden sind es ebenfalls jeweils fast 200.000 Tiere. Deutschlandweit gibt es in 13 Bundesländern inzwischen H5N8-Nachweise bei Wildvögeln, 14, meist kleinere Nutzgeflügelhaltungen sind betroffen. (letzte Aktualisierung: 30.11.2016 – 22:00 Uhr)

von Jörg Held

Karte mit Sperrgebiet (rot) und Schutzzone (blau) um den H5N8-Ausbruch in Barßel. (Karte: © Landkreis Cloppenburg)

Karte mit Sperrgebiet (rot) und Schutzzone (blau) um den H5N8-Ausbruch in Barßel. (Karte: © Landkreis Cloppenburg)

Die H5N8-Infektion in einer geschlossenen 16.000er Putenhaltung in Barßel (Landkreis Cloppenburg*/Niedersachsen) hat das Niedersächsische Landwirtschaftsministerium bestätigt. Der Bestand ist gesperrt, die Tiere werden getötet. Der Landkreis hat im umliegenden 3-km-Radius einen Sperrbezirk eingerichtet und seit gestern Abend (23.11.) einen 76-Stunden dauerndes „Stand-Still“ verfügt: Geflügel darf weder in die noch aus den betroffenen Betrieben verbracht werden.

  • Im Sperrbezirk befinden sich 75 Geflügel haltende Betriebe mit insgesamt rund 270.000 Tieren. Im Beobachtungsgebiet liegen 134 Betriebe mit rund 885.000 Tieren.
  • In Betrieben im unmittelbaren Umfeld des Ausbruchsbetriebes werden weitere 92.000 weitere Stück Geflügel „vorsorglich getötet“.

Medien spekulieren aufgrund der Sperrbezirksangaben, dass in dem Betrieb in Barßel bereits beim Seuchenzug 2014/2015 die Geflügelpest ausgebrochen war.

Links des Friedrich Loeffler Institut (FLI – nationales Referenzlabor für aviäre Influenza) zu H5N8 (PDF-Download):
Aktuelle FLI-Risikoeinschätzung, Fragen & Antwort-Katalog zu H5N8 sowie ein Merkblatt zu Schutzmaßnahmen in Kleinhaltungen – weitere Links am Textende.

Zuerst Wildvögel …

Den Ursprung nahm der aktuelle H5N8-Ausbruch in Norddeutschland und im Bodenseeraum. Jetzt werden immer mehr Fälle aus der Fläche gemeldet (Karte: © FLI / Stand: 30.11.2016)

Den Ursprung nahm der aktuelle H5N8-Ausbruch in Norddeutschland und im Bodenseeraum. Jetzt werden immer mehr Fälle aus der Fläche gemeldet (Karte: © FLI / Stand: 30.11.2016)

Begonnen hat der aktuelle Ausbruch der Geflügelpest in Deutschland in der Fläche bei Wildvögeln, zumindest wurden dort die ersten Funde gemeldet. Inzwischen gibt es bundesweit in 13 Bundesländern Funde, doch die Mehrheit konzentrierte sich weiter auf den deutschen Norden und die Bodenseeregion (tagesaktuelle FLI-Karten hier).
Zu den betroffenen Vogelarten zählen Reiher-, Stock-, Eider- und Tafelenten, Säger, Graugänse, Schwäne, Graureiher aber auch Aasfresser wie Möwe, Bussard und inzwischen auch Seeadler.

… dann Nutzgeflügelbestände

Wenn Nutztierhaltungen betroffen waren, dann mehrheitlich kleinere Freilandhaltungen. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium hat das FLI bisher folgende „Nutzgeflügel“-Fälle bestätigt (Stand 30.11.2016):

  • Schleswig-Holstein: zwei Betriebe – eine Hobbygeflügelhaltung und eine geschlossene Geflügelhaltung mit 30.000 Tieren (Bericht hier).
  • Mecklenburg-Vorpommern: zehn kleine Geflügelbestände
  • Niedersachsen: ein Mastputenbetrieb mit 16.000 Tieren (Bericht in diesem Artikel)
  • Sachsen-Anhalt: ein kleiner Geflügelbestand

Lage in Europa

Auch in europäischen Nachbarländern sind bisher – neben Wildvögeln – inzwischen auch immer mehr Nutzgeflügelbetriebe betroffen:

Schweden: Nach dem H5N8-Nachweis in einem kleinen Legehennenbetrieb, hat das Virus in Südschweden auch eine große Nutzgeflügelhaltung erreicht: 200.000 Hühner werden geschlachtet, meldet AFP(Stand 25.11.2016)

Österreich: Bestätigt ist ein Ausbruch in einer Putenfreilandhaltung (ca. 1.100 getötete Tiere). Ein 2. Fall in einer Hühnerfreilandhaltung hat sich nicht bestätigt.
H5N8-Übersichtsseite der AGES

H5N8-Situation in den Niederlanden (Stand 22.11.2016)

H5N8-Situation in den Niederlanden (Stand 22.11.2016)

Niederlande: Das Nachbarland meldet einen H5-Ausbruch in einem Entenbetrieb in Biddinghuizen. Zu dem Betrieb gehören drei weitere Standorte in Hierden und einer in Ermeloe mit insgesamt rund 180.000 Enten. Einen H5N8-Nachweis gab es in einer Hobby-Geflügelhaltung von Schwänen, Enten und Hühnern. (Stand 26.11.16)
H5N8-Übersichtsseiten Niederlande (Regierung) und Universität Wageningen

Dänemark: Die dänischen Behörden bestätigten einen Ausbruch in einer kleinen Geflügelhaltung mit 35 Enten, 16 Gänsen, 13 Hühnern und fünf Puten.(Stand 21.11.2016)
H5N8-Übersichtsseite Dänemark

Seuchenzug in Ungarn: 200.000 tote Tiere

Schwer hat es auch Ungarn getroffen. Dort gibt es seit 4. November einen Seuchenzug, dem bereits fast 200.000 Tiere in 14 Nutzgeflügelbeständen zum Opfer gefallen sind – überwiegend Enten, aber auch Gänse und Puten (Stand 22.11.2016).
Zuletzt meldete die Internationale Tiergesundheitsorgansiation (OIE) am 22.11.2016 gleich neun neue H5N8-Ausbrüche in Beständen mit insgesamt 110.000 Tieren. 8.500 waren bereits durch das Virus vereendet, die anderen werden/wurden aus Seuchenschutzgründen gekeult.

In der Schweiz, Kroatien und Polen wurden bisher nur Wildvögel-Infektionen gemeldet. Neu hinzu kam am jetzt auch Finnland: Gemeldet ist hier ein Wildvogelfund auf einer Inselgruppe in der Ostssee/Südfinnland (Stand: 25.11.2016)

Warum sofort töten?

Wird in einer Geflügelhaltung Vogelgrippe (niedrig pathogene Viren) oder Geflügelpest (HP-AIV / hochansteckende Viren) festgestellt, werden die Tiere im Bestand getötet. Dies schreibt die Geflügelpestverordnung vor. Heilversuche sind verboten.
Die hochpathogene Geflügelpest kann in Nutzgeflügelhaltungen Krankheitsverläufe mit einer Sterblichkeit von bis zu 100 Prozent zur Folge haben, so dass die Tötung hier meist dem natürlichen Verlauf vorgreift und die Tier vor Schmerzen und Leiden bewahrt.
Bei niedrigpathogenen Viren kann das Geflügel eine Infektion zum Teil symptomlos überleben. Hier fürchtet man aber die bewiesene Möglichkeit, dass diese Viren zur hochansteckenden Variante mutieren. Die Tötung erfolgt daher vorbeugend.

Vorsorgliche Keulung im Sperrbezirk

Gleichzeitig werden aber meist auch die Tiere in Beständen getötet, die in einem Sperrbezirk um den Ausbruchsort liegen – selbst wenn dort noch kein Ausbruch nachgewiesen ist. Diese vorbeugende Tötung wird kritisiert, weil sie laut „Geflügelpestverordnung“ nicht zwingend wäre, sondern als „Kann-Regel“ gilt (§21.4.4.). Insbesondere Tierschützer fordern, diese Betriebe zwar unter Quarantäne zu stellen, aber erst bei Nachweis einer Infektion zu keulen.
Bisher ordnen die Behörden aber die sofortige Tötung an, weil sie glauben, nur so eine verdeckte Verbreitung unterbinden zu können: Sollten Viren in einem Bestand zunächst ohne Symptome zirkulieren, fürchtet man ansonsten einer Ausbruchswelle nur noch „nachlaufen“ und sie nicht mehr schnell genug lokal eingrenzen zu können.
Das schnelle Ende eines Suchenzuges ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Obwohl bisher erst ein großer Nutzgeflügelbestand betroffen war, haben bereits vier Staaten ein Einfuhrverbot für Geflügel aus Deutschland verhängt. Der neue Ausbruch in Cloppenburg dürfte die Lage verschärfen.

Könnte man impfen?

Impfungen gegen aviäre Influenza sind in der EU nicht erlaubt. Sie böten aufgrund der hohen Variabilität der Viren häufig nur einen unzureichenden Schutz, sagt das FLI.
Als wichtigster Grund für eine Nichtimpfung gilt bei der Vogelgrippe: Selbst wenn eine Impfung klinisch schützt (Symptome verhindert/mindert), verhindert sie nicht zuverlässig das weitere Ausscheiden des Virus. So könnte sich ein Infektionsgeschehen unbemerkt unter der Impfdecke ausbreiten und zu kontinuierlichen neuen Krankheitsausbrüchen führen.
Das gilt für Länder wie Ägypten oder China als gut belegt: Dort wird geimpft, dennoch kämpft man fortlaufend mit neuen Ausbrüchen. Dagegen konnte Europa die bisherigen Ausbrüche durch konsequente Keulung der betroffenen Bestände stets eindämmen.
Impfausnahmen gibt es für seltene Vogelrassen.

Alle Quellen sind im Artikel verlinkt
*in der ersten Version dieses Artikels wurden stellenweise fälschlichwerweise die Ortsangaben „Oldenburg“ / „Cloppenburg“ verwechselt – der Fehler ist korrigiert, Cloppenburg ist korrekt.

Wichtige Informationen zur Geflügelpest:

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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