Reserveantibiotika bei Tieren – Regierungsvorschläge reichen Verbraucherzentralen nicht

Logo des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (© vzbv)

Für „Hilfreich, aber nicht ausreichend“, hält der Verbraucherzentrale Bundesverband die geplanten Regeln des Bundeslandwirtschaftsministeriums für den Einsatz sogenannter „Reserveantibiotika“ bei  Tieren und fordert: Das tierärztliche Dispensierrecht abschaffen, die Umwidmung von „Antibiotika mit besonderer Bedeutung“ nicht nur verbieten sondern auch streng kontrollieren und grundsätzlich ein Antibiogramm erstellen.

(jh) – In einem sogenannten Eckpunktepapier hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) im November 2015 Maßnahmen vorgestellt, mit denen man in der Tiermedizin Resistenzen gegen „antibiotische Wirkstoffe reduzieren will, die für die Behandlung von Infektionskrankheiten des Menschen besondere Bedeutung haben“ (sogenannte „Reserveantibiotika“ Anm.d.Red.). Diese Regeln sollen über eine Änderung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung (TÄHAV) geltendes Recht werden. Es geht um Umwidmungsverbote und Resistenztestvorschriften für Fluorchinolone, Cephalosporine der 3./4. Generation, aber auch Makrolide. Betroffen von einem geplanten Umwidmungsverbot dieser Wirkstoffe wären Rind, Pferd, Schwein, Huhn, Pute, Hund und Katze (mehr Details hier).

Verbraucherzentralen gegen Dispensierrecht

Zu den BMEL-Vorschlägen dürfen bis Februar sogenannte gesellschaftlich relevanten Gruppen Stellungnahmen abgeben – also nicht nur die Tierarztverbände als Vertreter des Berufstandes, den es betrifft, sondern etwa auch die Verbraucherzentralen oder der Bauernverband.
Das tierärztliche Dispensierrecht oder die Preisgestaltung von Antibiotika ist allerdings überhaupt nicht Thema des Eckpunktpapieres. Dennoch macht der Dachverband der Verbraucherzentralen (vzbv) das zu einer zentralen Forderung in seiner Stellungnahme: Die Bundesregierung möge „die Abschaffung des Dispensierrechtes für Tierärzte auf den Weg bringen, sollte es nicht zu einem Verbot der Rabattierung kommen.“ Das BMEL solle nach Möglichkeiten suchen, Verkaufsanreize für Tierarzneimittel zu vermeiden.
Die Verknüpfung von Rabattverbot und tierärztlichem Dispensierrecht hatten zuletzt in der Amtschefkonferenz der Länderagrarminister sieben überwiegend grün regierte Bundesländer verlangt – auf deren Forderung sich der vzbv ausdrücklich bezieht.

Eckpunktepapier: „Hilfreich, aber nicht ausreichend“

Logo des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (© vzbv)

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Die eigentlichen, im Eckpunktepapier genannten Massnahmen, hält der Dachverband der Verbraucherzentralen ansonsten für „hilfreich, aber nicht ausreichend“ und fordert in seiner Stellungnahme in allen Punkten eine Verschärfung (Zitat):

  • Der vzbv hält es für sinnvoll, dass die Tierärztliche Hausapotheken-Verordnung (TÄHAV) so geändert wird, dass die Möglichkeiten zur Umwidmung eingeschränkt sind. An dieses Vorgehen sind jedoch weitere Anforderungen zur Dokumentation und zur Kontrolle zu stellen.
  • Der vzbv spricht sich dafür aus, dass die TÄHAV so geändert wird, dass der Tierarzt nicht lediglich in bestimmten Fällen zur Antibiogrammerstellung verpflichtet wird, sondern grundsätzlich. Nur in Ausnahmefällen darf aus Sicht des vzbv davon abgewichen werden. Die technischen Anforderungen für die verpflichtend durchzuführenden Antibiogramme sowie das Verfahren der Probenahme, der Bestimmung der Empfindlichkeit und der Nachweisführung sind verbindlich festzulegen.
  • Es sollte festgelegt werden, dass die Diagnose auf Basis gemessener klinischer Untersuchungen erfolgt. Auch sollte die Notwendigkeit des Einsatzes (von Antibiotika – Anm.d.Red.) durch geeignete nachvollziehbare diagnostische Maßnahmen belegt werden. Eine Verordnung sollte diese Rahmenbedingungen festlegen.

Außerdem weisen die Verbraucherschützer ausdrücklich auf eine Neubewertung der Colistin-Resistenzen hin. Aber sie fordern in ihrem Papier nicht, es in die Liste der zu regulierenden Wirkstoffe aufzunehmen.

Die Stellungnahmen der tierärztlichen Verbände stehen noch aus.

Quellen:
Pressemeldung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv / 3.2.2016)
Stellungnahme des vzbv zum Eckpunktepapier im Wortlaut (PDF-Download)
Eckpunkte-Papier des Bundeslandwirtschaftsministeriums (Wortlaut / PDF-Doanload)

Berichterstattung auf wir-sind-tierarzt.de
„Umwidmungsverbote und Antibiogrammpflicht – das BMEL-Eckpunktepapier (20.11.2015)
„Dispensierrecht bleibt politischer Zankapfel“ (20.1.2016)
„Kommt ein Verbot der Reserveantibiotika“ (20.1.2016)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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