Regelmäßig entwurmen? Das muss doch heute nicht mehr sein, sagen Kritiker. Der Fall einer Entwurmung mit „Karotten und Kräutern“ (beim Pferd) landete sogar vor Gericht. Außerdem warnen Humanmediziner: Auch in den Städten wachse das Risiko für einen Fuchsbandwurm-Befall.
von Henrik Hofmann
Bis vor einigen Jahren wurde die Infektion, die durch das Larvenstadium des Fuchsbandwurms ausgelöst wird, hauptsächlich bei Landwirten oder Jägern diagnostiziert. Doch zunehmend sind auch Städter betroffen: Als Kulturfolger passt sich der Fuchs dem Stadtleben an und hinterlässt seinen Kot, der Bandwurmeier enthalten kann und oft monatelang ansteckend bleibt, in Sandkästen oder auf Gemüsebeeten. Einmal vom Menschen – zum Beispiel durch unzureichend gewaschene Nahrung – aufgenommen, wandern die Eier vermutlich über den Zwölffingerdarm in die Leber. Der genaue Übertragungsweg ist noch nicht eindeutig geklärt und ob eine Person erkrankt, scheint auch genetisch bedingt zu sein.
Im Falle einer Ansteckung breitet sich die potentiell tödliche Krankheit zunächst schleichend aus: Unbehandelt wird die Leber zerstört – in seltenen Fällen sind auch Lunge und Gehirn betroffen. „Oft wird die Diagnose erst nach Jahren gestellt. Patienten klagen teilweise über Oberbauchschmerzen, Gelbsucht oder bei ärztlichen Untersuchungen wird eine Raumforderung in der Leber festgestellt“, weiß Dr. Andreas Hillenbrand, Oberarzt in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der Universititätsklinik Ulm . Bei der Diagnose und Beurteilung des Organbefalls spielen bildgebende Verfahren, besonders die Sonographie, eine entscheidende Rolle. Zur Bestätigung der Primärdiagnose wird dann zusätzlich im Blut der Patienten nach Antikörpern gesucht.
Bei der Echinokokkose wird zwischen der zystischen Echinokokkose, die durch den „Kleinen Hundebandwurm“ Echinococcus granulosus verursacht wird, und der alveolären Echinokokkose, die durch den „Kleinen Fuchsbandwurm“ Echinococcus multilocularis verursacht wird, unterschieden.
Vorkommen und Übertragungswege Hundebandwurm
E. granulosus ist weltweit verbreitet. Der Erreger ist mit Schafhaltung assoziiert und kommt in Europa vor allem in Mittelmeerländern und auf dem Balkan vor. In Deutschland sind Infektionen vorwiegend aufgrund von Reisetätigkeit (auch bei Hunden) und Migration importiert. Die Infektion des Endwirtes erfolgt durch Verzehr von finnenhaltigem Fleisch. Der Zwischenwirt infiziert sich durch die orale Aufnahme der Eier. Echinococcus granulosus ist ein vier bis sieben Millimeter langer Bandwurm, der Hunde, Füchse und Wölfe als Endwirt befällt. Zwischenwirte sind regelhaft Wiederkäuer, aber auch andere Säugetiere (z. B. Schwein, Pferd, Kamel), einschließlich dem Menschen, können such infizieren.
Die Echinokokkose von Einhufern, Rindern, Schweinen, Schafen, Ziegen, Hunden, Katzen, Hasen und Kaninchen ist meldepflichtig – die meisten Erkrankungen werden in Bayern und Baden-Württemberg registriert.
Allein in Ulm wurden im vergangenen Jahr 30 Echinokokkosen bei Menschen diagnostiziert. Ulm und Umgebung gelten als „Epizentrum“ der beim Menschen eigentlich seltenen Parasitenerkrankung: Bis zu 70 Prozent der Füchse rund um die Schwäbische Alb tragen den Erreger in sich. Hier hat man sich mit dem Thema sehr intensiv beschäftigt. Auch für Betroffene mit weit fortgeschrittener Infektion könne mittlerweile eine gute Lebensqualität erreicht werden, sagt Professorin Doris Henne-Bruns, Ärztliche Direktorin der Ulmer Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie.
Obst und Gemüse immer gründlich waschen
Die Mediziner wollen Naturfreunde und Hobbygärtner jedoch nicht verunsichern: Die alveoläre Echinokokkose der Leber ist eine seltene Erkrankung und zur Infektion muss es erst gar nicht kommen: „Generell sollte man bodennahes Obst und Gemüse vor dem Verzehr waschen. Neben der Beachtung gängiger Hygieneregeln ist es sinnvoll, Hunde und Katzen alle drei Monate zu entwurmen.“ Mit einem gängigen Vorurteil können sie zudem aufräumen: Waldbeeren sind keineswegs besonders stark mit Bandwurmeiern belastet.
„Natürlich entwurmen“ – Tierschützerin vor Gericht
Über ein besonders unverständliches Beispiel für „Naturmedizin“ musste das Amtsgericht Göppingen entscheiden. Zwei Pferde der Vorsitzenden eines Tierschutzvereins im Landkreis Göppingen waren 2013 verendet, berichten die Göppinger Kreisnachrichten. Das Kreisveterinäramt erließ daraufhin einen Bußgeldbescheid mit der Bergündung: Durch eine „mangelhafte und unterlassene Behandlung nach Wurmbefall“ habe die Besitzerin den Tieren „erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt“. In der Folge sei ein lebensbedrohlicher, sehr schmerzhaften Arterienverschluss entstanden. Mit der fatalen Konsequenz, die Richter Felix Schwarz so umschrieb: „Der Tod stellt bei Lebewesen den größtmöglichen Schaden dar.“
Karotten als Entwurmungsmittel
Weil die Tierhalterin Einspruch einlegte, landete der Fall vor Gericht. „Nur wenige Stunden nach dem Auftreten der Symptome“ seien die Pferde gestorben, berichtete die Tierschutzvereinsvorsitzende. Einige Wochen später habe sie weitere Pferde einschläfern lassen müssen – wegen ähnlicher Symptome. Statt „chemischer Keulen“ hatte sie auf „alte Methoden“ beim Entwurmen gesetzt, wie etwa „viele Karotten“ und „Kräuter, die Würmer nicht mögen“. Entwurmungsmittel seien „pures Gift“. Sie selber glaube, dass die Pferde von einem Fremden vergiftet worden seien.
Karotten und Kräuter hält der Leiter des Veterinäramts, Michael Pettrich aber keineswegs für wirksame Medikamente, sie seien „nicht als wirksame Behandlungsmethode anerkannt“, zitieren ihn die Göppinger Kreisnachrichten. Der Amtstierarzt betonte: Pferde müssten in Stallhaltung zwei Mal, bei Weidehaltung vier Mal pro Jahr entwurmt werden.
Statt der vom Amt beantragten 500.- Euro musste die Pferdebesitzerin letztlich aber doch nur 250.- Euro Bussgeld bezahlen.