Qualzucht ist ein „Drama“ – egal welche Tierart betroffen ist. Deshalb hat der 27. Deutsche Tierärztetag einen umfangreichen Forderungskatalog zu Qualzuchten bei Klein-und Heimtieren formuliert. Den Wortlaut dokumentieren wir hier.
Man wolle weder „alle-Mopsbesitzer erschiessen, auspeitschen oder in eine Unterdruckkammer setzen“, noch die Züchter diverser Rassen an den Pranger stellen. Aber die Tierärzteschaft „ist nicht nur kurativ heilend tätig, sondern auch verantwortlich für die Prävention“, deshalb müsse das Thema Qualzucht angegangen werden, so begründete Prof. Martin Kramer (Gießen) den Qualzucht-Beschluss.
Unter seiner und der Moderation von Dr. Friedrich Röcken hatten etwa 80 Delegierte im Arbeitskreis 1 – Zucht und Qualzucht von Heimtieren – in Bamberg dezidierte Forderungen sowohl an die Tierärzteschaft selbst, aber auch an Politik, Züchter und Handel formuliert. Ziel ist es, über Qualzuchten aufzuklären und diese zu beenden. Die Empfehlungen sollen den Weg dahin bereiten. Die Hauptversammlung des Tierärztetages übernahm die Formulierungen des Arbeitskreises ohne jede redaktionelle Änderung ohne Enthaltung und Gegenstimmen.
In drei Jahren auf dem nächsten Tierärztetag in Dresden soll Bilanz gezogen werden, ob die Forderungen und Empfehlungen Erfolge zeitigten. Bis dahin will der BTK-Ausschuss Kleintiere das Thema weiter verfolgen.
Der Beschluss im Wortlaut
(hier auch als PDF zum Download)
Forderungen des 27. Deutscher Tierärztetags in Bamberg
Arbeitskreis 1: Zucht und Qualzucht von Klein- und Heimtieren
Die Hauptversammlung des Deutschen Tierärztetags 2015 hat folgende Forderungen beschlossen:
An Bundestierärztekammer/Landes-Tierärztekammern/tierärztliche Verbände
- Einrichtung einer Internetseite zur Aufklärung über Qualzuchten (Sichtbarkeitsindex erhöhen)
- Suchmaschinenoptimierung und Nutzung von Google-Adwords, um bei Recherchen zu typischen Qualzuchtmerkmalsträgern sofort auf die Internetseite hinzuweisen
- „Pop-ups“ mit Hinweisen auf die Internetseite bei Suchanfragen im weiteren Verlauf der Recherche (z.B. Suchanfrage „Perserkatze“ -> Öffnen eines Pop-ups mit Link: „Worauf Sie beim Kauf einer Perserkatze achten sollten. Die Bundestierärztekammer informiert!“)
- Kontaktaufnahme mit Internetverkaufsplattformen (z.B. EBAY) zur Einschränkung des Handels mit Tieren
- Öffentlichkeitsarbeit
- Liste von Ansprechpartnern/Sachverständigen für Gerichte (DVG/BTK/TVT)
- Erstellen einer vollständigen Liste von bekannten Qualzuchten zunächst von Hunden, Katzen und Kleinsäugern (DVG/BTK/TVT)
- Leitlinien für die Zucht von zunächst Hunden, Katzen und Kleinsäugern als Vorbereitung eines Heimtierzuchtgesetzes und als Hilfestellung für die Gerichte
- Sammlung von Urteilen, Veröffentlichungen, Stellungnahmen etc. zum Thema Qualzucht z.B. www.tierschutzurteile.de
An den Gesetzgeber
- Qualzuchtgutachten überarbeiten hinsichtlich weiterer Themen und Tierarten (z.B. Kleinsäuger, Reptilien, Pferd, Nutztiere)
- Rechtsverordnung, mit der das Qualzuchtverbot gemäß § 11b des Tierschutzgesetzes hinreichend konkretisiert wird
- Ausstellungsverbot von betroffenen Tieren in den § 11b TierschG aufnehmen
- Werbeverbot mit Tieren, die Qualzuchtmerkmale gemäß Qualzuchtgutachten aufweisen
- Verbot des Internethandels mit Tieren
- Verpflichtender Sachkundenachweis nach § 11 TierschG für jeden, der Tiere vermehrt; Informationsaustausch der Behörden
- Empfehlung Sachkundenachweis für Halter zunächst von Hunden, Katzen und Kleinsäugern
- Die tierärztliche Ausbildung (TAPPVo) um Kleinsäuger erweitern
An die Bundesländer
- Ausführungshinweise an die Vollzugsbehörden erstellen
An die Züchter
- Rassestandards überprüfen – Zitat aus dem Qualzuchtgutachten: „Im Bewusstsein ihrer Verantwortung für das Schicksal der ihnen anvertrauten Tiere und Rassen sollten Züchter bzw. Zuchtorganisationen die Zuchtordnungen und Zuchtregeln dahingehend überprüfen, ob bisherige Methoden und Zuchtziele ausreichen, um die Rassen langfristig gesund, leistungsfähig und tierschutzkonform zu erhalten.“
- Überbetonung von Rassestandards ist zu vermeiden
- Ausstellungswesen reformieren hinsichtlich Überbetonung von Merkmalen und zuchtbedingten Erkrankungen
- Rassespezifische Gesundheitsprüfung zunächst für alle Hunde, Katzen und Kleinsäuger, mit denen eine kontrollierte Fortpflanzung erfolgen soll
- Schulung von Zuchtwarten und Zuchtrichtern
An die Tierärzteschaft
- Fortbildung
- Sachkunde-/Befähigungsnachweis für spezielle Zuchtuntersuchungen
- Förderung der Präventivmedizin (wissenschaftlich überprüfte Vorsorgeuntersuchungen zunächst bei Hund, Katze und Kleinsäugern)
- Aufklärung von Züchtern, potentiellen Käufern und Tierhaltern
An die Forschung
- Erblich bedingte Gesundheitsprobleme definieren
- Identifikation von Erbkrankheiten, Aufdeckung des Vererbungsmodus in Zusammenarbeit mit Genetikern und Molekularbiologen, Beratung von Züchtern, Zuchtverbänden und Tierhaltern
- Qualifizierte Studien zur Definition von Qualzuchten, Aufzeigen der tierschutzrechtlich relevanten Grenzen der Zucht zunächst von Hunden, Katzen und Kleinsäugern
- Zügige Entwicklung, Bereitstellung und routinemäßige Anwendung zuverlässiger Methoden zum Nachweis von Trägern genetisch bedingter klinisch relevanter vererbbarer Krankheiten oder von Defekten bei allen zur Zucht vorgesehenen Tieren.
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