FLI entwickelt Test-Kit für Bornaviren-Infektion

Bunthörnchen stehen im Verdacht, Träger eines neuartigen Bornavirus zu sein, das Gehirnentzündungen beim Menschen auslösen kann.Bunthörnchen stehen im Verdacht, Träger eines neuartigen Bornavirus zu sein, das Gehirnentzündungen beim Menschen auslösen kann. (Foto: © GNU-Lizenz/Patrick Gijsbers).

Der Zoonoesverdacht hat sich bestätigt: Bunthörnchen können Bornaviren auf Menschen übertragen. Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und des Bernhard-Nocht Instituts für Tropenmedizin (BNITM) identifizierten mittels Metagenomanalyse ein neues Bornavirus, das drei Menschen getötet hat (wir-sind-tierarzt.de berichtete im März 2015).

(jh/FLI) – Jetzt hat das FLI einen Test entwickelt, um lebende Bunthörnchen auf eine Infektion mit dem neuen Bornavirus testen zu können. Hierfür können entsprechend geschulte Tierärzte Maultupfer und Blutproben bei den empfindlichen Tieren nehmen und zur Untersuchung an das FLI einsenden. Sollte ein Hörnchen positiv getestet werden, empfiehlt das FLI das infizierte Tier aus dem Bestand zu nehmen.
Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass neben Bunthörnchen auch andere Hörnchenarten betroffen sein könnten.

Die Analysen und die Charakterisierung dieses Virus haben FLI und BNITM im „New England Journal of Medicine (NEJM)“ veröffentlicht. Erst die Metagenomanalyse eines Bunthörnchens (Sciurus variegatoides) aus der Zucht eines der Patienten erbrachte Hinweise auf die Todesursache. Ein bislang unbekannter Vertreter der Bornaviren konnte so zunächst bei den Bunthörnchen und in nachfolgenden Analysen auch in den Gehirnproben der drei Patienten identifiziert werden. Noch ist aber nicht klar, ob die verschiedenen Vorerkrankungen der bereits älteren Patienten eine Infektion mit dem Virus begünstigten.

Wortlaut der FLI-Pressemeldung

>>Drei Männer wurden in den Jahren  2011 bis 2013 mit den Symptomen einer Gehirnentzündung in Kliniken in Sachsen-Anhalt behandelt. Erste Analysen der Gehirnflüssigkeit sowie bildgebende Untersuchungen erbrachten Anzeichen einer Gehirnentzündung – nur die Suche nach dem Erreger blieb erfolglos. Die Patienten verstarben innerhalb weniger Monate trotz intensivmedizinischer Behandlung.

Dr. Bernd Hoffmann vom FLI erklärt: „Die Metagenomanalyse, bei der das gesamte Erbgut mitsamt aller Mikroorganismen analysiert wird, identifizierte einige wenige Sequenzfragmente eines bisher unbekannten Bornavirus, dessen Existenz durch weitere molekularbiologische, histologische und serologische Untersuchungen bestätigt wurde.“
Dr. Dennis Tappe vom BNITM bemerkt: „Das neue Virus unterscheidet sich genetisch deutlich von den bisher bekannten Bornaviren. Mit den Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Vertreter aus der Familie der Bornaviren auch Menschen infizieren können.“
Durch den Einsatz der modernen Tiefensequenzierung des Erbgutes gelang den Wissenschaftlern nach Aussage des Seniorautors der Studie, Prof. Dr. Martin Beer, auch die Einordnung in die Systematik bisher bekannter Bornaviren. Demnach entwickelte sich der neue Vertreter höchstwahrscheinlich innerhalb der Säugetierlinie der Bornaviren und bildet den nächsten Verwandten zum Bornavirus der Pferde.

Um lebende Bunthörnchen auf eine Infektion mit dem neuen Bornavirus testen zu können, wurde am FLI ein Lebendtest entwickelt. Hierfür können entsprechend geschulte Tierärzte Maultupfer und Blutproben bei den empfindlichen Tieren nehmen und zur Untersuchung an das FLI einsenden. Sollte ein Hörnchen positiv getestet werden, empfiehlt das FLI das entsprechende Tier aus dem Bestand zu nehmen. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass neben Bunthörnchen auch andere Hörnchenarten betroffen sein könnten.

Bornavirus-Infektionen der Tiere sind schon seit mehr als 100 Jahren bekannt und kommen üblicherweise bei Einhufern vor, wo sie als Borna-Krankheit bezeichnet werden.  Die Viren befallen insbesondere das zentrale Nervensystem und lösen eine Gehirnentzündung aus, die Todesrate ist hoch und liegt bei ungefähr 90 Prozent der infizierten Tiere. Außer bei Pferden können Bornaviren auch bei einer Reihe anderer Tiere auftreten. Erst 2008 konnte eine Nervenerkrankung mit tödlichem Ausgang bei Papageien und Sperlingsvögeln auf ein neues vogeltypisches Bornavirus zurückgeführt werden.

Noch ist nicht klar, ob die verschiedenen Vorerkrankungen der bereits älteren Patienten eine Infektion mit dem Virus begünstigten. Die Institute konzentrieren sich nun auf Untersuchungen zur Verbreitung und Herkunft des neuen Bornavirus sowie die Optimierung der diagnostischen Verfahren.<<

Quellen:
FLI-Pressemitteilung vom 9.7.2015
Originalpublikation: N Engl J Med 2015;373:154-62. A Variegated Squirrel Bornavirus Associated with Fatal Human Encephalitis – DOI: 10.1056/NEJMoa1415627

Beitragsbild: Bunthörnchen stehen im Verdacht, Träger eines neuartigen Bornavirus zu sein, das Gehirnentzündungen beim Menschen auslösen kann. (Foto: © GNU-Lizenz/Patrick Gijsbers).

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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