In der Rindermedizin werden selten neue Behandlungsmethoden für altbekannte Probleme ausprobiert. Doch im Falle der Therapie von Ovarialzysten gibt es jetzt einen neuen Ansatz und zwar mittels epiduraler Injektion. Die italienische Kollegin Annalisa Rizzo und ihr Team experimentieren seit mehreren Jahren in verschiedenen Untersuchungsreihen mit dieser Art der Behandlung. Dr. Rainer Martin, Oberarzt an der Klinik für Wiederkäuer der LMU, stellte die vielversprechenden Ergebnisse auf den 27. Bayerischen Tierärztetagen in Nürnberg vor.
Die Gabe von GnRH ist eine bewährte Behandlungsmethode für Ovarialzysten bei Rindern. Grob vereinfacht löst GnRH aus dem Hypothalamus durch Stimulation des Hypophysenvorderlappens einen LH-Peak aus, der den heranreifenden Follikel zur Ovulation bringen soll. In praxi kommt es bei Ovarialzysten (Follikel-Theka-Zysten) nicht zur Ovulation. Bei einer solchen Zyste wird durch die Gabe von GnRH versucht, eine Luteinisierung der Zyste zu erreichen, so dass es bei entsprechender Wirkung zu einer ausreichenden Produktion von Progesteron kommt. Eventuell bildet sich auch zusätzlich an einem der beiden Ovarien ein Gelbkörper. Das physiologische Zyklusgeschehen beginnt dann unabhängig vom Vorhandensein der Ovarialzyste oder kann durch die Gabe von Prostaglandinen induziert werden.
Lecirelin besonders lipophil
Für die epidurale Injektion haben die italienischen Kollegen den Wirkstoff Lecirelin ausgewählt, da dieser besonders lipophil ist. In einem Versuch konnten sie zeigen, dass die epidurale Injektion von Lecirelin gegenüber der Verwendung von NaCl zu einer bis zu acht Tage anhaltenden besseren Durchblutung der Ovarien führt. Daraus folgerten sie, dass die epidurale Injektion einen Effekt auf die Ovarien hat.
GnRH als Neurotransmitter/-modulator
Des weiteren untersuchten die Kollegen, wo im Körper GnRH-Rezeptoren zu finden sind. Diese Rezeptoren kommen nicht nur im Hypothalamus und der Hypophyse vor, sondern eben auch im Rückenmark, in den Ovarien, in Leber, Herz und Muskulatur. Bei der epiduralen Verabreichung scheint Lecirelin beziehungsweise GnHR im Rückenmark als Neurotransmitter/-modulator zu wirken. In einer ihrer Versuchsreihen injizierten die Italiener zusätzlich zu Lecirelin einen ß-Blocker epidural und konnten so noch effektiver als mit Lecirelin alleine eine Brunst einleiten. Doch auch zwölf Prozent der Tiere, die nur einen ß-Blocker epidural verabreicht bekamen, zeigten im Anschluss eine Brunst. Diese Ergebnisse unterstreichen den Einfluss des sympathischen Nervensystems auf das Brunstgeschehen bei Rindern und machen deutlich, dass neben der Fütterung vermutlich auch Stress (etwa enger Tierkontakt durch Überbelegung) maßgeblich für die gestörte Ovarfunktion verantwortlich ist.
Gute Therapieergebnisse: 93 Prozent nach zwei Besamungen trächtig
Im letzten Versuchsabschnitt wurden 220 Kühe mit Ovarialzysten in vier Behandlungsgruppen eingeteilt. Die Kollegen injizierten je einer Gruppe Lecirelin epidural beziehungsweise intramuskulär. Die beiden anderen Gruppen erhielten NaCl entweder epidural oder intramuskulär. Keines dieser Kontrolltiere zeigte innerhalb des üblichen Zeitrahmens im Anschluss an die „Behandlung“ eine Brunst.
Bei den Kühen, die Lecirelin intramuskulär verabreicht bekamen aber, zeigten 57 Prozent Brunstsymptome und nach zwei Besamungen waren 76 Prozent dieser Tiere trächtig. Deutlich besser fielen die Ergebnisse für die epidural behandelten Tiere aus: 75 Prozent zeigten eine Brunst und nach zwei Besamungen waren 93 Prozent dieser Kühe trächtig. Die epidurale Injektion von Lecirelin scheint daher eine vielversprechende Behandlungsalternative für Rinder mit Ovarialzysten zu sein.
Keine Umwidmung
Da Anwendungsgebiet und Tierart gleich bleiben, stellt die epidurale – nicht auf dem Beipackzettel erwähnte – Applikation keine Umwidmung da. Das Risiko für eventuell auftretende Schäden trägt aber der Anwender und nicht mehr der Hersteller (keine Produkthaftung). Wie bei jeder epiduralen Injektion sollte daher auf äußerste Sauberkeit geachtet werden: die Injektionsstelle muss geschoren und desinfiziert werden. Aufgrund des Risikos einer Infektion sollte generell eine sorgfältige Abwägung der Applikationsart erfolgen; für Problemtiere könnte diese Behandlungsmethode allerdings erfolgversprechender sein als andere Maßnahmen.