Vor allem in ärmeren Ländern ist die Tollwut ein dramatisch unterschätztes Risiko. Weltweit sterben pro Tag 160 Menschen daran. Das sind etwa 59.000 Menschen pro Jahr. Die Kosten dafür werden mit 8,6 Billionen Dollar angegeben. Ein Schaden, der leicht zu vermeiden wäre.
von Henrik Hofmann
Tollwut gilt als „tödlichste Krankheit der Welt“: Wer einmal Symptome zeigt, wird daran mit fast 100-prozentiger Sicherheit sterben. Bedrohung geht vor allem in armen afrikanischen und asiatischen Ländern von Hunden aus.
Eine neue internationale Studie, an der sich etwa 30 Forscher aus rund zehn Ländern beteiligten – darunter auch die beiden Deutschen Conrad M. Freuling und Thomas Müller vom Friedrich-Loeffler-Institute (FLI) – beschreibt die verheerenden Folgen aber auch die Lösung des Problems, die die Erkrankung mit sich bringt.
Problemgebiete Asien (60%) und Afrika (36 %)
Demnach entfallen knapp 60 Prozent der erfassten Tollwutfälle auf Asien und gut 36 Prozent auf Afrika. 20.800 Opfer, also mehr als ein Drittel der weltweiten Todesfälle – stammen allein aus Indien. Der Grund dafür ist aber die hohe Bevölkerungszahl. Umgerechnet auf die Bevölkerungsdichte sterben in Afrika – und dort südlich der Sahara – die meisten Menschen an Tollwut. Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren sind mit 40 Prozent überproportional häufig Opfer von Tierbissen von mutmaßlich mit Tollwut infizierten Tieren.
Weltweit werden jährlich mehr als 15 Millionen Menschen aufgrund des Verdachts, sich der Tollwut ausgesetzt zu haben, behandelt. Diese Behandlungen verhindern schätzungsweise 327.000 durch Tollwut bedingte Todesfälle.
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Wirtschaftlicher Schaden: 8,1 Milliarden Euro
Die weltweiten wirtschaftlichen Folgen der Erkrankung beziffern die Forscher auf 8,6 Milliarden Dollar pro Jahr, also rund 8,1 Milliarden Euro. Sie verteilen sich auf gesamtgesellschaftliche Kosten, Behandlungskosten, Schäden in der Tierproduktion (6%) uvm.
Dabei sind ihre Folgen durch flächendeckende Impfungen und auch Notimpfungen nach der Beißattacke vermeidbar. Das beweisen Zahlen vom amerikanischen Kontinent (Nord/Süd-Amerika). Hier sterben pro Jahr weniger als 200 Menschen an Tollwut, die meisten davon in Haiti. Das ist die Folge von Impfprogrammen für Hunde. Würde man also weltweit in flächendeckende Impfungen für Hunde investieren, betrügen die Gesamtkosten 130 Millionen Dollar – das sind etwa 1,5 Prozent der geschätzen Schadensumme.
Deutschland „importiert“ vereinzelt Tollwutfälle
In Deutschland gilt die Tollwut mehr oder weniger als getilgt. Das liegt an jahrelanger flächendeckender Impfung. Dennoch tauchen immer wieder Erkrankungen auf. Sie werden meist mit Hunden „importiert“. 2007 starb der letzte Mensch an Tollwut, er war in Marokko von einem Hund gebissen worden. Wenig Fälle bedeuten aber auch wenig Risikobewußtsein. Mediziner hierzulande fürchten eine „Impfmüdigkeit“.
„Herdenimmunität“
„Tatsächlich gibt es in der Wissenschaft keinen Zweifel daran, dass Schutzimpfungen zu den sichersten und wirksamsten Vorsorgemaßnahmen gehören, über die die Medizin heute verfügt“, schreibt Dr. Jan Leidel, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (RKI). Wichtig dabei: Die meisten Impfungen schützen nicht nur das geimpfte Individuum selbst, eine genügend hohe Beteiligung verhindert effektiv den Ausbruch impfpräventabler Krankheiten, weil (nur) dann in der Bevölkerung zu wenige empfängliche Personen vorhanden sind („Herdenimmunität“). Deshalb leben auch diejenigen, die nicht geimpft werden können, im Schutz der geimpften Mehrheit. Sinkt die Immunitätsrate aber auf unter 70 Prozent, stellt sich nicht die Frage ob, sondern wann es zu seuchenartigen Krankheitsausbrüchen kommen wird.
Träger des klassischen Tollwutvirus waren in der Vergangenheit in unseren Breiten hauptsächlich wild lebende Tiere (Füchse, Dachse, Marder, Rehe) und bei den Haustieren Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde sowie Hunde und Katzen. Die häufigste Infektionsquelle der Tiere ist der Fuchs, der das hauptsächliche Virus- reservoir darstellt. Laut RKI erlangten neben Deutschland auch die Schweiz, Finnland, die Niederlande, Italien, Luxemburg, Frankreich, Belgien sowie die Tschechische Republik durch die orale Immunisierung der Füchse offiziell den Status „tollwutfrei“.
Haustiere impfen
Die ständige Impfkommission (StIKo) empfiehlt: „Auf eine regelmäßige Tollwutimpfung von Hunden ist zu achten.“
- Dabei sollte die Erstimpfung gegen Tollwut ab einem Lebensalter von 12 Wochen erfolgen. In den EU-Einreisebestimmungen wird ein Alter von drei Monaten gefordert.
- Eine zweite Impfung sollte zur Optimierung der Immunantwort cirka vier Wochen später folgen.
- Zur Aufrechterhaltung eines dauerhaft belastbaren Impfschutzes ist in jedem Falle circa ein Jahr nach den beiden Initialimpfungen eine dritte Tollwutimpfung anzuraten, bevor die von den Impfstoffherstellern angegebenen Zeiträume für die Wiederholungsimpfungen zugrunde gelegt werden.
Empfehlung an Tierärzte: Kein Tierarzt kann/sollte die Impfintervalle willkürlich festlegen. Er sollte sich an die gesetzlichen Bestimmungen, die Empfehlungen der StIKo und auch die von den Impfstoffherstellern angegebenen Zeiträume halten. Nur so sind Tierhalter- und Tierärzte „auf der sicheren Seite“.
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