Österreichs Kammern: Investoren gefährden Unabhängigkeit der Freien Berufe

Investoren gefährden die Unabhängigkeit von Ärzten & Co, kritisiert der Österreichische Verband der Freien Beruf. (Foto: © Martin Lusser/BUKO)

Wenn Investoren (auch) Tierarztpraxen „unterwandern und Einfluss nehmen“, dann befürchte man „negative Folgen für die Kunden wie Marktkonzentration und Preisanstieg.“ In Österreich lehnt die Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO) die Investoren deshalb ab – doch die Regierung will sie zulassen.

von Jörg Held

In Österreich plant die Bundesregierung durch Reformen den nach derzeitiger Rechtslage bestehenden Schutz der Freien Berufe aufzuweichen. Analog zu EU-Forderungen sollen sich künftig große Firmen und Investoren an Apotheken, Rechtsanwaltskanzleien, Architekturbüros – und eben auch (Tier)Arztpraxen beteiligen können. Die Bundeskonferenz der Freien Berufe (BUKO), der Dachverband von neun Kammern in Österreich, warnt vor diesem „Reformdialog zur Verwaltungsvereinfachung“ und stemmt sich gegen eine Investorenbeteiligung – allen voran die Tierärztekammer.

Vorreiter: Kapitalinvestoren kaufen Tierkliniken

Entschiedener Gegner von Investoren als Tierklinikbetreiber: Tierärztekammerpräsident Mag. Kurt FrŸhwirth (Foto: © Martin Lusser/BUKO)

Entschiedener Gegner von Investoren als Betreiber von Tierkliniken: Tierärztekammerpräsident Mag. Kurt FrüŸhwirth (Foto: © Martin Lusser/BUKO)

Denn „Vorreiter“, die einen Präzedenzfall schaffen könnten, sind auch in Österreich die Tierärzte. So hat die auch in Deutschland aktive schwedische Klinikkette AniCura bereits zwei Tierkliniken (Namen hier) übernommen. Österreichs Tierärztekammerpräsident Mag. med. vet. Kurt Frühwirth ist ein entschiedener Gegner des Investorenmodells. Er kenne die Verträge zwischen den Tierärzten und dem schwedischen Konzern nicht im Detail, doch möglicherweise sei das Ganze nicht legal. In Deutschland gründen die Schweden GmbHs, im strenger regulierten Österreich gebe es eine Trennung von Betrieb und Finanzierung der Kliniken. Die Kammer prüfe, ob derartige Konstruktionen rechtens seien, erklärte Frühwirth gegenüber der Zeitung Der STANDARD.

„Investoren gefährden Unabhängigkeit“

„Die Freien Berufe sind Vertrauensberufe“ erklärt Tierarzt Frühwirth, der auch Präsident der Bundeskonferenz der Freien Berufe in Österreich ist. „Unabhängigkeit ist gefordert“, damit die Patienten oder Klienten und die gesamte Gesellschaft Vertrauen in die Vertreter der Freien Berufe haben könnten – dazu gehören Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, Apotheker, Architekten und Ingenieure, Notare und Anwälte. Die Freien Berufe müssten analog zu ihrem Namen auch unabhängig bleiben und frei in ihrer Tätigkeit sein. „Wir erteilen einer Unterwanderung und Einflussnahme von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften eine klare Absage“, stellte die BUKO in einer Erklärung klar.

Pharmafirmen und Nutztierhalter als Praxiseigner?

Noch im März hatte sich die Österreichische Bundesregierung in der Investorenfrage gegen die EU positioniert:
Wörtlich – so schrieb die österreichische Zeitung STANDARD – habe die Regierung in der Auseinandersetzung mit Brüssel davor gewarnt, dass „beispielsweise beteiligte Pharmaunternehmen mehr an ihrem Umsatz interessiert sein und unzulässigen Druck auf die Tierärzte ausüben könnten.“ Man habe Sorge, dass sich Medikamentenhersteller, landwirtschaftliche Betrieben, Futtermittelproduzenten oder Hersteller medizinischer Geräte als Miteigentümer an Tierarztpraxen und Kliniken beteiligen – so stehe es zumindest in Wiens Stellungnahme, die dem STANDARD vorliege. Das Bundeskanzleramt sei überzeugt, dass Tierärzte nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch einen beruflich-fachlichen Blickwinkel hätten. Verletzungen von Gesetzen oder Standesregeln hätten nicht nur den Verlust einer Investition zur Folge, sondern würden bei einem selbständigen Tierarzt direkt die berufliche Existenz erschüttern.
Die EU aber sieht in der österreichischen Reglementierung einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, weil die Niederlassung von EU-Anbietern erschwert wird. Lenkt Wien nicht ein, dürfte eine Klage beim Europäischen Gerichtshof folgen.

Siehe auch: Der Wiesenhof-Tierarzt – ein Gedankenspiel zu neuen Investoren in Tierarztpraxen

Österreichische Regierung gibt nach

Wohl deshalb hat die Wiener Regierung jetzt einen Reformprozess zur Marktöffnung angestossen, an dessen Ende sie ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 880 Millionen Euro pro Jahr und 6.000 zusätzliche Arbeitsplätze prognostiziert. Doch die Kammern der betroffenen Berufsgruppen laufen dagegen Sturm. Sie präsentierten eine Studie des Linzer Ökonomen Prof. Friedrich Schneider. Der hält die 880 Millionen Euro für überzogen und fürchtet stattdessen eine Marktmonopolisierung. Der Volkswirtschaftsexperte Schneider kritisiert, die Bundesregierung stütze sich bei ihren Zahlen auf wirtschaftliche Studien, die nicht auf die Situation der Freien Berufe eingehen.
Sein Fazit: „Das von der Bundesregierung erhoffte Wirtschaftswachstum wird nicht eintreten. Im Gegenteil: mit der Beteiligung von in- und ausländischen Unternehmen an den Freien Berufe kann es zu negativen Folgen für die Kunden wie Marktkonzentration und Preisanstiegen kommen.“

Österreichs Tierärzteschaft in Zahlen

Verglichen mit Deutschland hat Österreich sehr wenig Tierärzte: 3.853 Mitglieder hat die Kammer, davon 2.133 Selbstständige (Praxisinhaber) und 843 Angestellte in Praxen.
Die verteilen sich auf  1.465 Einzelpraxen, 217 Gemeinschaftspraxen und 61 Tierkliniken. (Zahlen: Jahresbericht 2015 der Österreichischen Tierärztekammer – PDF-Download)

Grafik mit Zahl der Tierarztpraxen und Kliniken in Österreich.

Zahl der Tierarztpraxen und Kliniken in Österreich. (Grafik: © Jahresbericht 2015 Österreichische Tierärztekammer)

Quellen:
Pressemeldung des Österreichischen Verbandes der Freien Berufe (4.7.2016)
Liberalisierung: Tierärzte als Vorreiter – Die Presse (5.7.2016)
Wenn Pharmafirmen Tierkliniken besitzen – Der STANDARD (2.3.2016)

Beitragsbild: Pressekonferenz des Verbandes der Freien Berufe (v.l.n.r.): Mag. Stefan Jenewein (GAW), Prof. Dr. Dr. h.c. mult Friedrich Schneider (Johann Kepler UniversitŠt Linz), Mag. vet.med. Kurt FrüŸhwirth (PrŠäsident BUKO), DI Baurat h.c.Rudolf Kolbe (PrŠäsidialmitglied BUKO) – (Foto: © Martin Lusser/BUKO)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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