Kleintierpraxen in Deutschland scheinen einen lukratives Geschäft zu sein. Immer mehr Investoren kaufen Kliniken, werben um Praxisgründer oder suchen attraktive etablierte Standorte zur Übernahme. Sie heißen AniCura, Evidensia, vetmeda, SmartVet oder Activet. Eine Übersicht. (aktualisiert: 24.3.2017)
von Jörg Held
Unter dem Namen vetmeda ist ein neuer Player in den deutschen Praxismarkt eingestiegen. Ziel der (nicht börsennotierten) Aktiengesellschaft ist es, in diesem Jahr gemeinsam mit tierärztlichen Partnern noch fünf Kleintierpraxisstandorte zu betreiben. Die vetmeda AG will dabei nicht als Dachmarke einer Kette auftreten, sondern sieht sich als Kooperationspartner und Managementdienstleister für selbständige Tierärzte. Sie strebt Minderheitsbeteiligungen bis 49,9 Prozent an den Praxen an.
SmartVet-Systempartnerschaft: Die „älteste“ Tierarztkette
SmartVet ist der „älteste“ Praxiskettenanbieter in Deutschland. Tierarzt Olaf Thamm hat 2007 ein „Systempartnerschaft“ genanntes Franchisemodell gestartet. Heute betreiben Tierärzte als Partner oder mehrheitlich als Angestellte insgesamt 21 SmartVet-Praxen in oder in der Nähe von Heimtierbedarfsmärkten (plus zwei mobile-Angebote in München).
Am Anfang stand eine Zusammenarbeit mit Fressnapfgründer Torsten Toeller (siehe Activet/unten) – bevor dieser unter dem Namen Activet eigene Praxen in seinen Märkten eröffnete.
2012 stieg Fressnapf aber aus dem Praxismarkt wieder aus. SmartVet übernahm sechs ehemalige Activet-Standorte – und war damit für lange Zeit die einzige etablierte Tierarztkette in Deutschland.
Activet: Das Praxiskonzept der Fressnapf-Gruppe
In 2016 hat der Heimtierbedarfsriese Fressnapf sein activet-Praxis-Konzept neu aufgelegt. Statt angestellte Tierärzte in konzerneigenen Praxisfilialen zu beschäftigen, „setzen wir jetzt auf Tierärzte, die selbständige Unternehmer sein wollen,“ betont Geschäftsführer Dr. Rene Reinhold.
An kammerrechtskonformen Praxis-GmbH’s soll der Fressnapf-Partner-Tierarzt jeweils 50,1 Prozent halten, 49,9 Prozent die Activet. Gesucht sind „selbständige Tierärzte, die ihr eigenes Business aufbauen wollen“. Fressnapf übernimmt den Backoffice-Bereich (Einkauf, Personalverwaltung, etc.).
Das Ziel, bis Ende 2016 vier bis sechs Praxen in Heimtiermärkten zu eröffnen, wurde aber nicht erreicht. Bisher ist nur die – bereits vorher bestehende – Activet-Praxis in Krefeld im neuen Look am Markt aktiv. Im April 2017 eröffnet eine weitere Praxis im Megazoo-Markt Duisburg.
Schwedische Klinikketten: Die kapitalstarken Investoren
Für erheblich Unruhe im Markt haben die seit 2015 in Deutschland aktiven schwedischen Klinikketten AniCura und Evidensia gesorgt. Europaweit haben beide eine beachtliche Größe erreicht: AniCura betreibt über 130 Standorte; Evidensia etwa 170.
In Deutschland sind sie noch eher wenig vertreten: AniCura mit 21, Evidensia mit fünf Standorten. Beide konzentrieren ihre Zukäufe momentan (noch) auf Kleintierkliniken nahe oder über der sechsstelligen Umsatzgrenze.
Der hinter Evidensia stehende Investor EQT hat zuletzt auch die mit über 290 Standorten drittgrößte britische Tierarztkette Independent Vetcare (IVC) übernommen.
• Alle wir-sind-tierarzt-Berichte über die Aktivitäten der schwedischen Ketten in Deutschland finden Sie unter dem Stichwort Klinikinvestoren
• Dieser Artikel enthält eine Liste der aktuellen Standorte der Klinikketten (Stand 12.3.2017).
Zweigpraxen & Kooperationen: Die „kleine“ Lösung?
Es gibt auch erste Gedankenspiele eigenständiger Tierkliniken, über Zweigstandorte zu wachsen und sich gegen die Ketten zu behaupten. Doch dieser Schritt würde sie in Konkurrenz zu ihren regionalen Überweisungspraxen bringen.
Doch auch hier sind die Skandinavier Vorbild, zeigen wie sich so etwas kreativ lösen liesse: VetFamily heißt das Konzept von AniCura. In Dänemark, Norwegen und Schweden gehen inhabergeführte Praxen eine „strukturierte Zusammenarbeit“ mit Klinikstandorten der Kette ein. Sie können so als Kooperationspartner (VetFamily Member) von Einkaufsvorteilen und anderen Serviceleistungen vor allem wirtschaftlich profitieren.