Diskriminierung? Frauen verdienen 28 Prozent weniger

Angestellte Tierärztin – ein akademischer Beruf in dem oft nicht einmal Mindestlohn gezahlt wird.Angestellte Tierärztin – ein akademischer Beruf in dem oft nicht einmal Mindestlohn gezahlt wird. (Foto: ©WiSiTiA/hh)

Tierärzte in Europa verdienen gut: Fast 25 Prozent mehr als der Durchschnitt anderer Berufe. Das sagt zumindest eine Umfrage des europäischen Tierärzteverbandes (FVE). Sie ergab aber auch: Tierärztinnen werden fast ein Drittel schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen – und das in einem Beruf, in dem der Nachwuchs (in Deutschland) zu 85 Prozent weiblich ist. Woran liegt das?

(hh/jh) – Obwohl Frauen und Männer das gleiche Studium absolvieren, werden sie in fast allen Berufen – nicht nur als Tierärztinnen – schlechter bezahlt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 22 Prozent weniger, Tierärztinnen bekommen auf europäischer Ebene laut der FVE-Umfrage sogar rund 28 Prozent weniger.

Verbirgt sich dahinter eine geschlechtsspezifische Diskriminierung? Schwer vorstellbar in einem Beruf, in dem Frauen (in Deutschand) mit 62 Prozent inzwischen die klare Mehrheit stellen und der Nachwuchs sogar zu 85 Prozent weiblich ist? Oder liegt es daran, dass Frauen mehr Wert auf Familie legen und dieser einen Teil ihres beruflichen Erfolgs „opfern“?

Die FVE nennt folgende Ursachen und wir-sind-tierarzt.de hat – soweit vorliegend – Zahlen aus der Deutschen Tierärztestatistik 2014 ergänzt:

  • 26 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Bei den Männern sind es nur 12 Prozent.
  • Frauen sind deutlich öfter angestellt – in Deutschland etwa ist die klare Mehrheit der Praxis-Assistenten (5.867♀ vs 1.252♂) weiblich.
  • Laut FVE arbeiten Frauen öfter in Fachgebieten/Spezialisierungen, die als schlechter bezahlt gelten – so stellen sie in Deutschland die Mehrheit bei den reinen Kleintierpraxis-Inhabern (3.774♀ vs 2.220♂), aber nur ein Drittel der Nutztier/Gemischtpraxisinhaber  (1.909♀ vs 5.949♂). Bei den Fachtierärzten haben sie nur eine knappe Mehrheit (3.189♀ vs 3.115♂), bei den Zusatzbezeichnungen sind sie sogar in der Minderheit (888♀ vs 966♂) – was beides nicht ihrem 62-Prozent-Anteil am Beruf entspricht. Wenn sie eine Weiterbildung/Spezialisierung haben, sind sie bei den als lukrativ(er) geltenden „Spezialisierungen“ – etwa den chirurgischen Fächern (80♀ vs 220♂) – ebenfalls unterrepräsentiert, dominieren aber z.B. die Verhaltenskunde.
  • Dazu kommt das „family gap“, was bedeutet: Bevor sie die attraktiveren Einkommenstufen erreichen, verzichten viele Frauen zugunsten der Familie eher auf ihren Job.

Dr. Hans-Joachim Götz, Präsident des Bundesverbands praktizierender Tierärzte e.V. meint dazu:

 

 

Karriereknick Familie

Oft können Frauen nach der Familienphase nicht auf der gleichen Gehaltsstufe in den Beruf zurückkehren. Sie werden zurückgestuft oder müssen alternativ schlechter bezahlte Stellen annehmen. Arbeitgeber wissen um die Not von Frauen mit Familie, die „nur“ eine Stelle als „Hinzuverdienerin“ benötigen, und machen ihnen deshalb womöglich von vornherein geringere Gehaltsangebote als Männern.

Zudem verhalten sich Frauen in Gehaltsverhandlungen zurückhaltender und wechseln seltener ihre Arbeitsstelle, um ein besseres Gehalt zu bekommen. Frauen sind deshalb aber nicht generell unflexibler als Männer. Sie sind einfach froh, überhaupt eine Stelle gefunden zu haben, bei der sie Berufstätigkeit und Familienleben vereinbaren können.

Umfrage

Stimmt die FVE-Argumentation? Dazu hatten wir eine Umfrage gestartet, die inzwischen beendet ist. Wir haben Sie dabei nach den DREI wichtigsten Gründe für den Verdienstunterschied gefragt. Das Ergebnis sehen Sie hier:

Selber schuld? Zählt man Antwort 1 und 3 zusammen (fast 44%) wäre das etwas überspitzt die Kernaussage unser Umfrage.Gefragt war, warum Tierärztinnen weniger verdienen als Männer. (Umfrage erstellt mit Polldaddy)

Selber schuld? Zählt man Antwort 1 und 3 zusammen (fast 44%) wäre das etwas überspitzt die Kernaussage unser Umfrage.. Gefragt war, warum Tierärztinnen weniger verdienen als Männer. (Umfrage erstellt mit Polldaddy)

Das Video-Interview mit bpt-Päsident Dr. Hans-Joachim Götz führten Henrik Hofmann und Jörg Held

 

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