13.000 Tierärzte aus 24 Mitgliedsstaaten hat der europäische Tierärzteverband (FVE) nach ihren Arbeitsbedingungen gefragt. Eines der vielen Ergebnisse: Das Einkommen der Tierärzte liegt 25 Prozent über dem europäischen Durchschnitt aller Berufe. Frauen aber verdienen fast ein Drittel weniger als ihre männlichen Tierarztkollegen.
(FVE/hh) – 233.300 Tierärzte gibt es insgesamt in Europa. Sie kümmern sich um 157 Millionen Heimtiere und 342 Millionen Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen, 417 Millionen Hühner und Puten und 59 Millionen Exoten. Pferde bilden als Patienten übrigens einen verschwindend geringen Anteil mit sechs Millionen. Der größte Teil der europäischen Tierärzte arbeitet der FVE-Umfrage zufolge als praktizierender Tierarzt (60 Prozent) und zwar überwiegend in der Kleintierpraxis. Der öffentlichen Dienst beschäftigt knapp ein Fünftel (19 Prozent), sechs Prozent arbeiten in der Lehre, in der Forschung sind es vier Prozent und weitere zehn Prozent in „anderen“ Bereichen.
Warum verdienen Frauen 28 Prozent weniger?
Europaweit schreitet die Feminisierung des Berufes voran: Bislang ist die Geschlechterverteilung etwa 50/50. Unterhalb des 40. Lebensjahres aber sind die Frauen inzwischen in allen Ländern zum Teil deutlich in der Überzahl – eine Trendwende durch wieder mehr männlichen Nachwuchs deutet sich nirgends an.
Gleichzeitig gibt es einen signifikanten Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen verdienen durchschnittlich 28 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Ursachen sind nicht belegt, aber die FVE führt das vor allem auf drei Punkte zurück:
- 26 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Bei den Männern sind es nur 12 Prozent
- Auch würden Frauen öfter in Spezialisierungen arbeiten, die schlechter bezahlt sind – in Deutschland etwa stellen sie die klare Mehrheit der Angestellten in der Kleintierpraxis.
- Dazu kommt das „family gap“, was bedeutet: bevor sie die attraktiveren Einkommenstufen erreichen, verzichten viele Frauen zugunsten der Familie eher auf ihren Job.
Das tierärztliche Durchschnittseinkommen liegt – bezogen auf Europa, nicht Deutschland! – bei 38.500 Euro für einen Vollzeit-Job. Damit ist es aber immer noch 25 Prozent höher, als der Einkommensdurchschnitt der europäischen Beschäftigen insgesamt. Dabei steigt das Einkommen mit dem Alter und ist auch in größeren Praxen höher.
In finanzieller Hinsicht sind die allermeisten Tierärzte dennoch optimistisch und glauben, dass ihr Einkommen in den nächsten drei Jahren zumindest konstant bleiben oder sogar steigen wird.
Neue Arbeitsfelder erschließen
Länderspezifische Unterschiede gibt es beim Thema Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote liegt europaweit zwar nur bei drei Prozent, doch
- ist sie deutlich höher in den Ländern, die generell eine höhere Arbeitslosenquote habe.
- Eine zweite Relation lässt sich zur Zahl der Ausbildungsstätten herstellen: In manchen Ländern bilden überdurchschnittlich viele veterinärmedizinische Hochschulen auch entsprechend viele Tierärzte aus.
- Als dritten Risikofaktor führt die FVE nichtakademische, aber gut qualifizierte „paramedizinische Berufe“ an, die mit den Tierärzten um die Behandlung der Patienten konkurrieren.
Gefühlt sind sogar – zumindest wenn es nach den befragten Tierärzten geht – in allen Ländern zu viele Tierärzte auf dem Markt. Und diese Entwicklung bestätigt auch die Statistik: Es kommen mehr Tierärzte neu auf den Arbeitsmarkt als in den Ruhestand gehen. Die Zahl der potentiellen Patienten steigt nicht im gleichen Maße. Im Nutztierbereich wird es zum Beispiel künftig deutlich weniger Kunden geben, denn durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft halten immer weniger landwirtschaftliche Betriebe in etwa die gleiche Zahl von Nutztieren.
Die befragten Tierärzte sind sich daher einig: Es sollen neue Arbeitsfelder für Tiermediziner erschlossen werden. Als Beispiel dient die Überwachung des Tierschutzes.
Wenig verwunderlich ist, dass gerade in Ländern mit Arbeitslosigkeit ein hoher Prozentsatz der Tierärzte über Auswanderung in andere Eu-Staaten nachdenkt oder es sogar tut.
Europaweit naht das Ende der Einzelpraxis
Ein interessanter Trend sind die sich europaweit ändernden Praxisstrukturen. Im Durchschnitt haben Praxen derzeit weniger als fünf Mitarbeiter: Nur noch ein Viertel sind ein-Personen-Praxen, ein fünftel sind zwei-Personen-Praxen. Nur vier Prozent beschäftigen mehr als 30 Mitarbeiter. Die durchschnittlichen Einnahmen einer Praxis mit drei bis fünf Mitarbeitern liegen bei 312.000.- Euro. Die Hälfte des Umsatzes wird durch kurative Praxis erwirtschaftet, 20 Prozent durch Chirurgie, 13 Prozent durch Medikamentenverkauf und sechs Prozent durch Futtermittelhandel und öffentliche Aufgaben.
Doch die Zahl der Mitarbeiter pro Praxis steigt. Die Befragten rechnen damit, dass sich in Zukunft immer größere Einheiten etablieren und Praxen auch neue Kooperationen bilden werden.
Altersabsicherung ist ungenügend
In allen Ländern hat ein hoher Anteil von Tierärzten festgestellt, dass sie nicht ausreichend in die Rentenkassen einbezahlt haben. Es ist unklar, ob dies aufgrund fehlender Mittel, Unwissen, durch hohe Arbeitslosigkeit in bestimmten Ländern geschehen ist oder weil die Berufstätigen überwiegend noch sehr jung sind. Die Umfrage zeigt, dass Veterinärmedizin ein sehr junger Beruf ist: 44 Prozent der Tierärzte sind unter 40 Jahre alt.
Schwaches Selbstwertgefühl
Bemerkenswert: Vor allem in Süd- und Mitteleuropa empfinden Tierärzte das gesellschaftliche Ansehen ihres Berufsstandes als unterdurchschnittlich. Entsprechend schwach ausgeprägt ist das Selbstwertgefühl der Tierärzte. Die Hälfte der Befragten Tierärzte freut sich zwar über eine gutes Ansehen bei den eigenen Kunden. Aber nur ein Drittel glaubt, dass der tierärztliche Beruf in der Öffentlichkeit gut angesehen ist. Dennoch sind die Kollegen zufrieden mit ihrem Beruf und ihrer Karriere.
Aussagekraft der Daten
Relativiert wird die Umfrage dadurch, dass die Antworten zum Teil subjektiv die Einschätzungen der Kollegen widerspiegeln. Allerdings war die Rücklaufquote mit acht Prozent für eine Umfrage hoch, so dass die Antworten durchaus Aussagekraft haben – obwohl sie nicht immer identisch mit den von den Regierungen erhobenen Daten sind. Allerdings gibt es in sehr vielen Ländern keinerlei offizielle Daten über den tierärztlichen Berufsstand. Für einen ersten Vergleich der Arbeitsbedingungen zwischen den europäischen Ländern sind die Daten also durchaus geeignet.