Die Bundesregierung beruft eine „Zukunftskommission Landwirtschaft“. Mit dabei Vertreter aus 31 Verbänden und Institutionen, vom Gartenbauer bis zum Tierschützer. Nur keine Tierärzte. Die könne man ja „bei Bedarf“ dazuholen. Eine Antwort aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium entlarvt den Stellenwert der Tiergesundheit in politischen Debatten.
Kommentar von Jörg Held
Man kann darüber streiten, ob noch’n Arbeitskreis die richtige Antwort auf die hochemotionale gesellschaftliche Debatte um die „Zukunft der Landwirtschaft“ ist. Aber wenn die Bundesregierung schon eine „Zukunftskommission Landwirtschaft“ einsetzt und dafür Vertreter aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen beruft, dabei aber die Tierärzte „vergisst“, dann ist das ein Unding.
wir-sind-tierarzt hat diese Kurzsichtigkeit im Kurznachrichtendienst Twitter kritisiert. Die Bundestagsabgeordnete Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke), selber Tierärztin, hat das aufgegriffen und eine entsprechende Anfrage an das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) gestellt.
Entlarvende Antwort
Die Antwort aus dem BMEL (PDF-Download) ist entlarvend: „Tierärztlichen Sachverstand“ könne man „bei Bedarf hinzuziehen“, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Uwe Feiler. Es gebe Kommissionsmitglieder, die „auch“ tierärztlichen Sachverstand hätten.
Bedeutet im Umkehrschluss: Aktuell erkennt die Bundesregierung diesen Bedarf nicht so recht. Tiergesundheit scheint demnach kein Zukunftsthema.
War da nicht was? Kastenstand, Ferkelkastration, Kupierverzicht, Eintagsküken, Tiertransporte, Schlachthofprobleme und Schlachttierbefunde, Haltungsmissstände, … ? Es ist ja nicht so, dass in der öffentlichen Debatte über Landwirtschaft die Nutztierhaltung und damit auch Tiergesundheit und Tierschutz aktuell keine Rolle spielten.
Und nein: Tierärzte haben da keineswegs die Patentlösung im Köcher.
Und ja: Es herrscht auch keineswegs Einigkeit im Berufsstand zu jedem dieser Themen.
Aber das gilt auch für die Vertreter anderer gesellschaftlicher Gruppen. Deshalb schließt man Tierärzte nicht aus, wenn es darum geht, die „Zukunft der Landwirtschaft“ in Deutschland, also auch die der Nutztierhaltung, zu diskutieren. Die Zieldefinition der Zukunftskommission liest sich auch etwas anders:
Dass die Tierärzte – anders als „Tierschützer“ – weder als „Praktiker“ noch als „Wissenschaftler“ an der Landwirtschaftszukunft mitarbeiten sollen, stimmt dann doch nachdenklich.
Dazu passen vielleicht auch Tierarztaussagen aus dieser (nicht repräsentativen) Studie: Sie sehen eine „Abenddämmerung des Berufes“: Nutztierpraktiker als Teil einer Welt, die sich im Niedergang befindet. Das wäre dann bitter. (Studiendownload als PDF/englisch)