Anbindehaltung bleibt erlaubt – wie kann man sie besser gestalten?

Wirkt dunkel: Blick von außen in einen typischen Bayerischen Anbindestall, der aber schon den Kuhkomfort verbessert hat (wie? siehe Artikel). (Foto: © WiSiTiA/aw)

Das neue Österreichische Tierschutzgesetz ist verabschiedet. Darin bleibt die ganzjährige Anbindehaltung ausdrücklich erlaubt – wenn der Rinderhalter sie begründen kann. Auch in Deutschland hat die Bundesregierung ein Verbot abgelehnt. Wie kann man nun eine Anbindehaltung zumindest so „gut wie möglich“ gestalten?
(mit Videolink)

von Annegret Wager

Grundsätzlich soll in Österreich Rindern aus Anbindehaltungen mindestens 90 Tage pro Jahr eine geeignete Bewegungsmöglichkeit sowie Weidegang gewährt werden. Will ein Landwirt, seine Kühe weiterhin ganzjährig ohne Auslauf im Stall angebunden halten, dann muss er das der zuständigen Bezirksverwaltung melden – und begründen. So steht es im neuen österreichischen Tierschutzgesetz. Die akzeptiert vor allem bei kleinen Betrieben im wesentlichen drei Gründe, die eine ganzjährige Anbindehaltung notwendig machen können:

  • Es gibt keine geeigneten Auslauf- oder Weidemöglichkeiten
  • Bauliche Gegebenheiten am Betrieb/Ort, machen ein Austreiben unmöglich
  • Es gibt Sicherheitsrisiken für Mensch und Tier beim Ein- und Austreiben der Tiere

Der Tierschutzsprecher der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), Franz Eßl, erklärt die Regelung wie folgt: “Beim Laufstall haben die Tiere mehr Bewegungsmöglichkeiten, aber der persönliche Bezug zum Tier ist in der Anbindehaltung stärker. Außerdem können die Bauern nicht alle zehn bis zwanzig Jahre neue Ställe bauen und auch der Sicherheitsgedanke muss in die Überlegungen mit einbezogen werden.“

Frühlingshafte Weideidylle – diese Kühe stehen aber ansonsten teilweise in Anbindehaltung im Stall. (Foto: WiSiTiA/aw)

Ganzjährige Anbindehaltung auch in Deutschland erlaubt

In Deutschland bleibt die ganzjährige Anbindehaltung ebenfalls weiter erlaubt – und zwar ohne Meldeauflagen. Im April 2016 hatte der Bundesrat zwar ein Verbot mit einer zwölfjährigen Übergangsfrist gefordert, doch das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat entschieden, den Bundesrats-Beschluss nicht umzusetzen. In einer Erklärung dazu betont das BMEL, dass man diese Haltungsform ebenfalls nicht als optimal ansehe. Allerdings habe es der Bundesrat versäumt, konkrete Ziele zu formulieren. So habe er weder angegeben, welche Haltungsarten in Zukunft zulässig sein sollten beziehungsweise ab welchem Angebot an freier Bewegungsmöglichkeit überhaupt von einer tiergerechten Haltung ausgegangen werden kann, noch sei eine Folgeabschätzung unter Einbeziehung der betroffenen Wirtschaftsverbände vorgenommen worden.

Verbot befeuert den Strukturwandel

Landwirtschaftminister Christian Schmidt befürchtet, dass das Verbot der Anbindehaltung den Strukturwandel weiter beschleunigen könnte, da vor allem kleine und mittlere Betriebe mit alten Aufstallungssystemen finanziell erheblich investieren müssten – und deshalb aufgeben könnten. Er hofft, dass freiwillige Vereinbarungen zwischen den Wirtschaftsbeteiligten (Landwirt, Molkereien, Handel, etc.) die Verbesserung der Haltungsbedingungen ohne weiteres gesetzliches Eingreifen vorantreiben.
Andere Gruppen wollen ausdrücklich eine Ungleichbehandlung von Milch aus Anbindehaltungen verhindern, etwa die Freien Wähler in Bayern.
Die Bundestierärztekammer wiederum kritisierte die Entscheidung des Ministers scharf und wiederholte ihre Forderung nach einem Verbot der Anbindehaltung.

Anbindehaltung: Was kann man verbessern

In Bayern stehen mit etwa 380.000 Kühen in Deutschland die meisten Tiere in Anbindehaltungen. Dort hat der Landeskontrollverband (LKV) eine Initiative zur Verbesserung des Kuhkomforts in Anbindeställen gestartet. Prinzipiell geht es darum, den Tieren bessere Bedingung an ihrem fixen Platz zu bieten, da sie ja nicht selbstständig den Platz wechseln können:

  • Einfach umzusetzen ist etwa der Einbau größerer Tränken mit hohem Durchfluss. So können die Kühe in langen Schlucken trinken und müssen nicht – wie in vielen alten Ställen – minutenlang kleine Mengen „schlürfen“, um ihren Wasserbedarf von 100 Litern und mehr zu decken.
  • Ebenfalls einfach zu verbessern ist das Stallklima durch die Installation von Lüftern im Bereich des Futtertisches – zur Not auf einem fahrbaren Gestell oder mit Klappvorrichtung, damit sie während des Fütterns nicht im Weg sind. So lässt sich die Frischluftversorgung verbessern und ein gewisser Kühleffekt erreichen.
  • Auch ein verbesserter Liegekomfort ist durch entsprechende Einstreu oder Liegematten leicht umzusetzen und sollte daher selbstverständlich sein.
  • Weniger einfach ist dagegen die Änderung der Breite oder Länge der Stände. Dabei ist gerade eine Verlägerung nicht unbedingt vorteilhaft, da die Tiere leichter verschmutzen.

Der Film des Bayerischen Rundfunks zeigt, wie ein Landwirt im Allgäu diese Maßnahmen umgesetzt hat.

Landwirte, die an der LKV-Beratung teilnehmen und entsprechende Änderungen vornehmen oder bereit ein hohes Maß an Komfort bieten, bekommen eine Plakette für ihre Stalltür, um ihr Bemühen um bessere Haltungsbedingungen im Anbindestall zu dokumentieren.

Anbindeställe bestmöglich gestalten – ein Schild zeigt, dass der Landwirt nach einer Beratung die Haltungsbedingungen verbessert hat. (Foto: © WiSiTiA/aw)

wir-sind-tierarzt.de meint: Laufställe sind nicht zwingend besser

(aw) – Die Anbindehaltung (mit Auslauf/Weidegang) hat für Kühe gegenüber einem schlecht dimensionierten oder gar überbelegten Laufstall durchaus Vorteile, was den Komfort angeht: 
Im Anbindestall müssen die Tiere weder um Futter noch um Liegeplätze konkurrieren. Sie haben die Wasserversorgung immer direkt vor der Nase und können sich in der Regel jederzeit ablegen und wieder aufstehen, ohne vorher eine freie Liegebox suchen zu müssen. Es entfallen zudem Wartezeiten (im Stehen) vor dem Melkstand (häufig relativ dicht gedrängt) oder dem Roboter.
Entsprechend kommen Lahmheiten oder Klauenverletzungen in Anbindehaltungen deutlich seltener vor und haben weniger dramatische Auswirkungen für das Tier. Auch Verletzungen durch Ausgrätschen oder Aufreiten anderer Kühe sind vergleichsweise selten.
Die temporäre Anbindung scheint Kühen nichts auszumachen. Gerade rangniedere Tiere scheinen die Sicherheit vor Verfolgung zu schätzen.
Ein großer Vorteil der Anbindehaltung besteht für Landwirte, Tierärzte, Klauenschneider etc. darin, dass die Kühe an den Kontakt mit Menschen gewöhnt sind. Der Umgang mit solchen Tieren ist deutlich ungefährlicher als mit Laufstalltieren.
Ich finde: Als zeitweise Aufstallungsform in Kombination mit Weidegang im Sommer und eventuell Winterauslauf (Laufhof) bietet eine Anbindehaltung Kühen ein hohes Maß an Komfort und Sicherheit. Sie erleichtert auch die Tierbeobachtung sowie die frühzeitige Behandlung von Erkrankungen.

Quellen:
Entschließung des deutschen Bundesrates zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung
Stellungnahme des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Bundesratsforderung
Pressemeldung der Bundestierärztekammer zum Verbot der Anbindehaltung (8/2016)
Entschließung des 27. Deutschen Tierärztetages (Bamberg) zum Verbot der Anbindehaltung
Weitere Quellen direkt im Artikel verlinkt

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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