Dürfen Tierärzte trächtige Katzen kastrieren?

Kastrationen tragender Katzen kommen vor. Wann sind sie erlaubt? (Foto: © WiSiTiA/hh)

Es kommt vor bei Kastrationsaktionen, bei Fundtieren oder auch im normalen Praxisbetrieb: Eine Katze soll kastriert werden, ist aber trächtig. Was kann und darf der Tierarzt tun? Ein Merkblatt gibt Orientierung.

(jh) – Vor der Aufgabe, bei Katzen ungewollte Trächtigkeiten abzubrechen und die Tiere gleichzeitig zu kastrieren stehen Tierärzte öfter – etwa weil Besitzer die Trächtigkeit nicht erkannt haben oder (verwilderte) Fundtiere trächtig sind.
Rechtlich schützt das Tierschutzgesetz Embryonen und Föten auch bei Katzen zunächst nicht. Aber wie in der Debatte um die Schlachtung trächtiger Tiere, lässt sich ein gewisser Schutz aus anderen Vorschriften ableiten, etwa der Tierschutzversuchstierverordnung. Insbesondere ab dem letzten Trächtigkeistdrittel (aber auch schon früher) gelten Föten als schmerzempfindlich. Hier verweisen einschlägige Quellen dann wieder auf die TSchG-Vorschriften, die es verbieten, ein Tier ohne vernünftigen Grund zu töten oder ihm ohne diesen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Eine Kastration zähle in der Regel nicht als ein solcher Grund (Ausnahme siehe unten).

Klare ethische Empfehlung

Aus ethischen Gründen soll man Katzen schon nach der vierten Trächtigkeitswoche nicht mehr kastrieren, schreibt die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) im Merkblatt  zur Kastration von Hunden und Katzen. Wenn es in Ausnahmefällen (siehe unten) doch nötig werde, dann seien die nicht lebensfähigen Föten einzeln per injectionem zu töten. Ausgereifte und lebensfähige Welpen solle man aufziehen.
Das LGL-Bayern sieht für Tierärzte drei mögliche Szenarien und hat Handlungsempfehlungen erarbeitet – und diese in einem Merkblatt (PDF-Download hier) auch ausführlicher juristisch begründet:

Besitzerwunsch nicht nachkommen

  • Dem Tierarzt wird vom Besitzer eine Katze im letzten Drittel der Trächtigkeit vorgestellt mit dem Wunsch, sie zu kastrieren.
    Das soll der Tierarzt aus ethischen Gründen ablehnen und den Eingriff auf einen Zeitpunkt nach der Geburt verschieben.
    Die Begründung: Es sei dem Tierhalter grundsätzlich zuzumuten, dass die Katze die Welpen gebären und aufziehen kann. Sieht er sich dazu außerstande, seien viele Tierheime hier gerne bereit, Unterstützung zu leisten.

Bei an Menschen gewöhnten Fundtieren: Kastration ablehnen

  • Dem Tierarzt wird von einem Tierheim eine solche Katze vorgestellt, die entweder abgegeben oder eingefangen wurde und die keine Scheu vor Menschen hat. Auch hier sollte der Arzt die Kastration aus ethischen Gründen ablehnen.

Bei verwilderten Katzen: Kastration ist vertretbar

Anders wird die Lage bei Kastrationsaktionen und verwilderten Tieren bewertet.

  • Das Problem: Diese Katzen bis zur Geburt und während der Säugezeit unterzubringen, bedeutet erheblichen Stress (und Leiden) für das Muttertier. Auch gebe es widersprüchliche Erfahrungswerte, ob eine Sozialisation der Katzenwelpen in einer solchen Situation überhaupt möglich ist.
    Würde man die trächtige Katze aber wieder aussetzen, vergrößert das das Streunerproblem und fördert die Vermehrung wilder Katzen. Auch hier müsse in der Folge mit potentiellen (erheblichen) Leiden durch Unterernährung und Erkrankungen von Muttertier und Welpen gerechnet werden.
    Diese Nachteile können insgesamt die Nachteile einer Kastration im fortgeschrittenen Trächtigkeitsstadium (erhöhtes OP-Risiko/Tod der Föten) überwiegen.
    Die Empfehlung: In solchen Fällen ist die Kastration zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung vertretbar. Die in der Gebärmutter befindlichen Welpen müssen jedoch einzeln separat euthanasiert werden.

Katzen: Trächtigkeit sicher diagnostizieren

Die Trächtigkeitsdauer bei Katzen beträgt ca. neun Wochen (63 – 67 Tage). Ungefähr 14 Tage nach dem Deckakt können die Feten als kugelartige Gebilde durch die Bauchwand ertastet werden. Eine sichere Diagnose einer Trächtigkeit ist mit ungefähr drei Wochen mit einer Ultraschalluntersuchung möglich. Zu diesem Zeitpunkt sind fetale Strukturen sowie der Herzschlag darstellbar. Erste knöcherne Strukturen von Schädel und Wirbelsäule bilden sich zwischen dem zweiten und dem letzten Drittel der Trächtigkeit.

Quellen:
Kastration trächtiger Katzen – Merkblatt des LGL-Bayern inkl. weiterführender Literaturhinweise (PDF-Download)
Kastration von Hunden und Katzen – Merkblatt der TVT (PDF-Download)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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