Antibiotika galten im vergangenen Jahrhundert als Wunderwaffe gegen bakterielle Infektionen. Die Anfangserfolge waren spektakulär. Doch jetzt macht sich Ernüchterung breit, denn durch Jahrzehnte lange Selektion sind Bakterien inzwischen deutlich besser gegen antibakterielle Wirkstoffe gewappnet. Forscher suchen deshalb nach Bekämpfunsgmethoden, die keine Resistenzen erzeugen und sind auf Liposomen gestoßen.
Schuldzuweisungen an verschiedene Berufsgruppen (Ärzte, Tiermediziner, Landwirte), die diese Resistenzprobleme bewusst oder unbewusst gefördert haben, helfen wenig, denn es liegt in der Natur der Evolution, dass sich Organismen einer Bedrohung anpassen – Bakterien genauso wie Tiere.
Bakterien bekämpfen ohne Resistenzmechanismen zu aktivieren
Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler an der Universität in Bern hat im Magazin nature biotechnology einen Weg beschrieben, der Bakterien bekämpfen soll, ohne Resistenzmechanismen zu aktivieren. Die Forscher haben sich zunächst mit Staph aureus und Strep pneumoniae beschäftigt. Diese Bakterien produzieren toxische Proteine, die Poren in bestimmten Biomembranen, zum Beispiel Zellmebranen bilden. Sie richten so erheblichen Schaden an, denn durch diese Poren läuft Zytosol aus – die Zelle ist also nicht mehr in der Lage, die Homöostase aufrecht zu erhalten und wird nekrotisch. Mit porenbildenden Toxinen erhöhen Bakterien zum einen ihr Nahrungsangebot und zum anderen unterbinden sie Immunreaktionen, weil die Immunzellen zerstört werden. Infiziert man Mäuse mit Kulturen der entsprechenden Bakterien, so sterben sie innerhalb von 24 bis 33 Stunden.
Liposomen locken Toxine an
Die Idee ist es, diese Toxine auszuschalten. Die Wissenschaftler haben daher künstliche Liposomen entwickelt, die – wie eine Köder – anstelle der Wirtszellen die Toxine anlocken und inaktivieren. Die jetzt an die Liposomen gebundenen Toxine können die Säugetierzellen dann nicht mehr schädigen. Mäuse, die innerhalb von zehn Stunden nach einer Infektion mit Staph aureus oder Strep pneumoniae diese speziellen Liposomen verabreicht bekamen, überlebten die Infektion ohne zusätzlichen Einsatz von Antibiotika.
Die maßgeschneiderten Liposomen, die aus natürlich vorkommenden Lipiden zusammengesetzt sind, wirken nicht bakterizid und können daher in der Therapie alleine oder in Kombination mit Antibiotika verwendet werden, um Toxin-bedingte Zellschädigungen zu minimieren.
Resistenzbildung unwahrscheinlich
Da die Liposomen nicht direkt auf die Bakterien wirken, erscheint die Entstehung eines Resistenzmechanismus nicht sehr wahrscheinlich, berichten Dr. Eduard Babiychuk und Prof. Dr. Annette Draeger aus dem Expertenteam im Wissenschaftsmagazin nature biotechnology. Die Forschung sei bereits soweit fortgeschritten, dass in naher Zukunft Versuche mit Menschen beginnen sollen. Das Prinzip ist in dem Medikament CAL02 der Genfer Biotechnologiefirma LASCCO SA umgesetzt und soll zunächst bei Menschen eingesetzt werden, die an schweren, durch Streptokokken verursachten Lungenentzündungen leiden.