Betäubung mit nicht-penetrierendem Bolzenschuss

TV-Bilder von Ferkeln, die mit einem Schlag auf die Buchtenwand getötet wurden, sorgten 2014 für einen Tierschutzskandal. Doch wie sollen und dürfen nicht überlebensfähige Ferkel getötet werden? Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) gibt Empfehlungen. Und in den USA lösen  nichtpenetrierende Bolzenschussgeräte den bislang üblichen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand ab. 

Hochfruchtbare Sauen mit großen Ferkelwürfen sind für Landwirte nicht immer von Vorteil. Rund 20 Prozent des Nachwuchses überlebt den Zeitraum bis zum Absetzen nicht. Viele der Ferkel werden noch immer von ihren Müttern beim Ablegen erdrückt. Und insbesondere bei großen Würfen müssen Tiere aufgrund extremer Lebensschwäche (z.B. starkes Untergewicht) getötet werden. Entsprechend unschöne Bilder kursieren im Internet und haben dazu geführt, dass die niedersächsische Landesregierung angeordnet hat, tote Saugferkel häufiger untersuchen zu lassen, beziehungsweise Betriebe mit hohen Mortalitätsraten strenger kontrollier will, um überflüssige Ferkeltötungen zu verhindern.

Ferkel tierschutzkonform töten

Doch wie dürfen die kleinen Tiere überhaupt rechtskonform getötet werden? Die Tierärztlich Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) nennt vier zulässige Betäubungsmethoden für Schweine: stumpfer Schlag, penetrierender Bolzenschuss, Elektrobetäubung und Einbringen in eine mindestens 80 prozentige CO2-Atmosphäre.
Allerdings sind nicht alle Methoden gleichermaßen für Ferkel geeignet. Elektrobetäubung führt bei ihnen nicht zuverlässig zur Auslösung des Herzkammerflimmerns. Der penetrierende Bolzenschuss ist mit handelsüblichen Geräten schlecht möglich, da sie zu groß bemessen sind und der Bolzen an der Kopfunterseite der Ferkel wieder austreten kann. Das ist auch für den Ausführenden gefährlich.
Die CO2-Betäubung ist aus tierschutzrechtlicher Sicht bedenklich, da die Betäubungswirkung verzögert eintritt.

Einzig Entblutung tötet sicher

Somit bleibt die Betäubung mit einem stumpfen Schlag die Methode der Wahl. Hierbei ist darauf zu achten, dass ein geeigneter Gegenstand verwendet wird (z.B. Hammer, hartes Rundholz) und das Schlaggerät zum Tier geführt wird. Ferkel dürfen zur Betäubung nicht gegen eine Wand, über eine Kante oder auf den Boden geschlagen werden. Im Anschluss an den Betäubungsschlag muss ein Verfahren zur Anwendung kommen, das den Tod sicher stellt. Das ist nur durch eine Entblutung machbar. Ein „zweiter Schlag zur Tötung“ stellt nicht sicher, dass das Stammhirn tatsächlich in ausreichendem Maße zerstört wird. Vor der Entblutung muss überprüft werden, dass die vorherige Betäubung gewirkt hat. Hinweise sind: Erschlaffung oder starke Krämpfe, die keine gerichtete Bewegung enthalten, starre Augen und Ausbleiben von Atembewegungen.

Praktikablere Methoden gesucht

Die TVT weist aber darauf hin, dass nach anderen Betäubungs- und Tötungsmethoden gesucht werden sollte, die besser praktikabel und standardisierbar sind. In den USA gilt laut einem Bericht von thepigsite.com die Betäubung mit einem nicht-penetrierenden Bolzenschussgerät generell als die Methode der Wahl für Ferkel unter 5,5 kg Körpergewicht. Die Vorteile beschreibt eine Studie der Iowa State University: Im Gegensatz zum stumpfen Schlag lässt sich die Methode besser standardisieren, weil der Durchführende nicht ermüdet bzw. die Ausführung variiert. Darüber hinaus belastet die Durchführung den Anwender psychisch weniger als die direkte Anwendung von Gewalt durch einen Schlag auf den Kopf des Tieres. Die amerikanischen Kollegen erinnern daran, dass Euthanasie aus dem Griechischen stammt und „guter Tod“ bedeutet. Daran sollte man sich gerade auch bei jungen Tieren halten. Ebenso wie in Deutschland, halten die US-Amerikaner nichts von penetrierendem Bolzenschuss (in den USA bei Saugferkeln ohnehin nicht erlaubt) oder der CO2-Betäubung, die aufwendig, umständlich und teuer (Narkosebox) ist und nicht so schnell wirkt wie ein stumpfes Trauma.

Nur ein Bolzenschussgerät für Ferkel zugelassen

In den USA gibt es mittlerweile mehrere Modelle entsprechender Bolzenschussgeräte auf dem Markt, die zwischen 700 und 1.500 US $ kosten. In Deutschland sind diese Geräte noch nicht zugelassen, werden aber von der TVT als geeignet eingeschätzt. Lediglich ein englisches Gerät hat laut Aussage des Vertriebsleiters eine Zulassung zur Betäubung von Ferkeln bis 2 kg auch in Deutschland. Eine baldige Zulassung der Betäubungsmethode auch für größere Ferkel wäre wünschenswert, da sie gerade für Außenstehende weniger brutal und abschreckend wirkt, als die Betäubung per Kopfschlag. Tierschutzikone Prof. Grandin Temple berichtete bei ihrem Besuch in Wiesbaden über den Einsatz solcher Geräte bei rituellen Schlachtungen von Schafen…

 

Bild: Vetpress.de/wisitia 2014

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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