Sind Tierärzte in den USA anfällig für Geldflüsse aus der Industrie? Über die Debatte in den USA hatte wir-sind-tierarzt.de berichtet. Jetzt wehrt sich die Vereinigung amerikanischer Rindertierärzte (AABP) gegen die Vorwürfe: Der in den USA zu leistende medizinische Eid stehe über kommerziellen Interessen. Man arbeite aber natürlich mit der Pharmaindustrie zusammen, um sichere und gesunde Lebensmittel bereit zu stellen.
Konkret bezweifelte die Nachrichtenagentur Reuters die Integrität der Tierärzte bei der Verschreibung von tiermedizinischen Produkten, vor allem Antibiotika. Angeblich undurchsichtige Geldflüsse von der Industrie an Tierärzte und Studenten sowie finanzielle Unterstützungen für Fortbildungen erscheinen den Journalisten überhöht. Sie leiten daraus eine Einflussnahme auf das tierärztliche Verschreibungs- und Behandlungsgebaren ab. Der entsprechende Artikel ist Teil einer Serie mit dem Titel „Farmaceuticals“, die die ethischen Grundsätze, die tierärztliche Ausbildung und das Verhältnis von Nutztierärzten zu Pharmaunternehmen kritisch hinterfragt.
Kein Einfluss von Pharmafirmen
Für die unmittelbar angegriffene Vereinigung der Amerikanischen Rindertierärzte (AABP) wehrt sich deren Präsident John Davidson und stellt klar: Der Verband habe aktiv an der Entwicklung der neuen, strengeren Bestimmungen der US-Gesundheitsbehörde (FDA) zur Rezeptpflicht für Antibiotika mitgearbeitet. Die AABP treffe ihre Entscheidungen aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne sich von Firmen beeinflussen zu lassen. Er und seine Kollegen nähmen ihren medizinischen Eid ernst. Die Bereitstellung von gesunden Lebensmitteln zur Versorgung der Bevölkerung sei das wichtigste Ziel und stünde unantastbar über privaten, kommerziellen Interessen.
Industrieausstellungen sind wichtige Informationsquellen
Außerdem habe Reuters die Zusammenhänge nicht korrekt beschrieben und einiges auch durcheinander gebracht:
So würden die AABP-Fortbildungen für Tierärzte nicht von Pharmafirmen bezahlt, wie es in dem Artikel heisst. In offiziellen Vortragsveranstaltungen auf dem jährlichen AABP-Kongress würden keine wissenschaftlichen Informationen von Pharmaunternehmen weitergegeben. Es gebe aber eine Industrieausstellung, die die Teilnehmer freiwillig besuchen könnten. Diese Ausstellung sei, so betont Davidson, wichtig für Tierärzte, damit diese sich über die neuesten Entwicklungen in der Tiermedizin informieren könnten.
Stolz auf Stipendien
Auch die verschiedenen Stipendienvergaben an Studenten habe Reuters falsch wiedergegeben. Von der Industrie unterstützte AABP-Stipendien seien nicht an die Bedingung geknüpft, im Anschluss an das Studium in der Nutztierpraxis zu arbeiten. Es gebe aber ein weiteres Programm von der USDA, dass sogenannte Medical Loan Repayment-Programm, mit dem speziell Nutztierärzte gefördert würden, die künftig in unterversorgten ländlichen Regionen arbeiten werden. Die AABP sei stolz darauf, Tiermedizinstudenten unterstützen zu können. Man habe und werde dies aber niemals an Bedingungen knüpfen. In de USA kostet ein Tiermedizinstudium etwa 200.000 Dollar, so dass viele Studenten ohne Stipendien hoch verschuldet ins Berufsleben starten.
Hintergrund der Debatte ist die Absicht der FDA, ab 2016 erstmals eine Reihe von Fütterungs-Antibiotika einer tierärztlichen Verschreibungspflicht zu unterwerfen, so dass die Tierärzte eine wichtigere Rolle als „Gatekeeper“ bekommen. Bislang können Landwirte in den USA diese Medikamente frei im Landhandel kaufen