Generelles Beschäftigungs­verbot oder doch weiterarbeiten

Viel zu oft bedeutet eine Schwangerschaft zugleich das berufliche „Aus“ für Tierärztinnen und tiermedizinische Fachangestellte. Dabei können – mit Vorsicht, Kreativität und fairen Absprachen – bestehende Aufgaben beibehalten und neue gefunden werden. Ein generelles Beschäftigungsverbot besteht nämlich nur für 14 Wochen um den Geburtstermin.


Hinweis: Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2014. Zum 1.1.2018 gab es eine Aktualisierung des Mutterschutzgesetzes.

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(hh) – Warum es so häufig zu einem sofortigen Beschäftigungsverbot kommt wenn eine Mitarbeiterin die Schwangerschaft mitteilt, kann unterschiedliche Gründe haben. Vorrangig ist das Sicherheitsbedürfnis: Arbeitgeber wollen nicht „schuld“ sein an möglichen Komplikationen. Auch die Schwangeren wünschen zum Teil eine „sichere“ Auszeit. Aber es gibt auch Unwissenheit, darüber was eine schwangere Mitarbeiterin in der Praxis überhaupt noch tun darf.

Sofort Aussteigen oder Aufgabe ändern?

Der sofortige Ausstieg ist nicht unbedingt die beste Lösung – auch wenn das Regelwerk für Tierarztpraxen schon sehr strenge Schutzvorschriften vorsieht (siehe unten). Für die Praxis können Abwesenheiten wertvoller Mitarbeiterinnen schwer auszugleichen sein – vor allem der Know-How-Verlust, dass Wissen um die Patienten und Abläufe. Das gilt insbesondere, wenn Mitarbeiterinnen spezialisiert sind und diese Spezialisierung ersetzt werden muss. Für Frauen, die durch Schwangerschaft und Mutterschutz über längere Zeit, manchmal über Jahre aus dem Beruf sind, ist der Wiedereinstieg oft problematisch, wenn sie nicht Kontakt zu „ihrer“ Praxis halten und sich nicht kontinuierlich fortbilden. Dr. Anne-Maren Marxen, Fachkraft für Arbeitssicherheit aus Kiel, gibt außerdem zu bedenken, ob „es nicht besser ist, für Psyche und  Kind, auch als Schwangere eine Aufgabe zu haben, die befriedigt und Spaß macht mit einem sozialen Umfeld statt zu Hause zu sitzen?“ Für Arbeitgeber jedenfalls ist „Familienfreundlichkeit“ im Wettbewerb um gute Mitarbeiterinnen heute ein wichtiges Argument. Doch was ist zu beachten?

Die gesetzlichen Regeln

Ganz vorne steht die Informationspflicht: Mitarbeiterinnen tierärztlicher Praxen und Kliniken, sind verpflichtet, unverzüglich ihren Arbeitgeber über ihren „Zustand“ zu informieren, eben weil es verschiedeneste Beschäftigungseinschränkungen gibt und die Situation ein „berechtigtes Arbeitgeberinteresse“ darstellt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Vorschriften einzuhalten und hat – damit er nicht dagegen verstößt – sofort informiert zu werden.  Um welche Einschränkungen es geht, darüber informierte bpt-Rechtsexperte Michael Panek in Hannover, denn „Schwangerschaft“ bedeutet nicht automatisch Arbeitsverbot: Ein „absolutes Beschäftigungsverbot“ gilt nämlich laut Mutterschutzgesetz (MuSchG) nur für sechs Wochen vor bis acht Wochen nach der Entbindung.

„Ziel ist ein sicheres Arbeitsumfeld für Mutter und Kind. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit. Sie sollte positiv und ohne Schuldgefühle und Ängste erlebt werden.“
Dr. Anne-Maren Marxen

Für die übrige Zeit können Arbeitgeber und Arbeitnehmerin individuelle Absprachen treffen, müssen sich dabei aber an folgende Vorgaben halten:

Was verboten ist

schwangere TierŠrztin

Tierkontakt jeder Art ist privat erlaubt – in der Tierarztpraxis aber gelten für schwangere Mitarbeiter eine ganze Reihe von strengen Regeln und Verboten. (©VetPress/hh)

  • Verbot von Überstunden (Minderjährige max. 8 Std./Tag; Volljährige max. 8,5 Std./Tag)
  • Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit und von Nachtarbeit (zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr)
  • Keine Tätigkeiten mit besonderer physischer Belastung und erhöhten Unfallrisiken
  • Kein schweres Heben – also tragen von Hand (mehr als 5 kg) oder gelegentlich (mehr als 10 kg) wie z.B. heben schwerer Tiere auf den Behandlungstisch ohne mechanische Hilfsmittel.
  • Röntgenstrahlen – ein Aufenthalt im Kontrollbereich beim Einsatz von ionisierenden Strahlen ist erlaubt, aber nur, wenn die Strahlenbelastung nicht 1 mSV (gemessen von Anfang der Schwangerschaftsmeldung bis zum Ende der Schwangerschaft) überschreitet. Eine arbeitswöchentliche Strahlenmessung ist obligatorisch.
  • Gefahrenstoffe – der Umgang mit giftigen, gesundheitsschädlichen oder in sonstiger Weise den Menschen chronisch schädigenden Gefahrstoffen ist verboten – wenn der Grenzwert überschritten wird. Generell verboten ist der Umgang mit krebserzeugenden, fruchtschädigenden (z. B. Halothan) oder erbgutverändernden Gefahrstoffen (z. B. Zytostatika).
  • Verbot von Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung, geburtshilfliche Tätigkeiten und der Umgang mit Krankheitserregern, etwa  Labortätigkeiten, Untersuchungen von Blut, Kot, Urin, Anzüchtung von Krankheitserregern. Beim Umgang mit diesen „Materialien“ sind Gummihandschuhe nach DIN EN 455 zu tragen.
  • Verboten ist auch der Umgang mit Tieren, insbesondere Untersuchungen, Behandlungen, Durchführung von operativen Eingriffen, Gabe von Injektionen, Blutabnahmen – weil trotz Schutzmaßnahmen ein Verletzungsrisiko besteht.
  • Verbot von Tatigkeiten mit erhöhten Unfallgefahren durch Abwehrreaktionen von Tieren (Beißen, Kratzen, Treten)
  • Beschäftigungsverbot wegen Stillens (im Zusammenhang mit o.g. Problemen!)
  • Beschäftigungsverbot aufgrund ärztlichen Attests

Detaillierte Informationen finden Sie ausführlich in speziellen Merkblättern für Tierarztpraxen aus NRW (PDF)  und aus Baden-Württemberg (PDF) – darin sind auch Grenzwerte zu einzelnen Gefahrstoffen enthalten.

Die individuelle Gefährdungs-Checkliste

“Die Weiterbeschäftigung einer Schwangeren in einer tierärztlichen Praxis/Klinik muss also immer eine Einzelfallentscheidung sein,“ betont Marken. Will die werdende Mutter aber weiterhin arbeiten, muss laut Mutterschutzgesetz, der Arbeitgeber den Arbeitsplatz der Situation anpassen. Dazu nimmt er – am besten gemeinsam mit der Mitarbeiterin – eine „Gefährdungsbeurteilung“ vor. Eine Checkliste dafür haben die Universität Marburg und das Arbeitsministerium NRW (PDF) erstellt. Beide lassen sich gut auf die eigenen Praxisverhältnisse umarbeiten. „Lockerungen der Schutzvereinbarungen“, so Marxen weiter, „sollten niemals gegen den Willen der Schwangeren festgelegt werden.“ Folgende Tätigkeiten dürfen Schwangere grundsätzlich ausüben:

  • administrative Tätigkeiten,
  • Sichtkontrolle bei großen Tieren
  • Tätigkeiten in der Apotheke, in Laborbereichen mit geschlossenen Systemen.

In der Pferde- oder Rinderpraxis ist es sicherlich schwieriger, Schwangere zu beschäftigen, als in der Kleintier- oder Schweinepraxis. Marxen schlägt vor, in der Praxis grundsätzlich auf aldehydhaltige und aldehydabspaltende Desinfektionsmittel zu verzichten. Unkritische Arbeitsfelder sind also Praxiszertifizierung, Qualitätssicherung, Rezeption/Anmeldung/Telefon, Bestellwesen, Praxisorganisation und Tätigkeiten um das Röntgen außerhalb des Röntgen-Sperrbereichs.

Fairness ist Investition in die eigene Zukunft

Optimal ist es, wenn Mitarbeiterinnen rechtzeitig signalisieren, dass sie schwanger werden wollen und sagen, ob sie weiterhin arbeiten wollen. So kann der Arbeitsplatz angepasst der gegebenenfalls rechtzeitig eine Vertretung gesucht werden. Immer wieder berichten Kollegen – und das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen – dass neue Mitarbeiterinnen Tage bis Wochen nach Unterzeichnen des Arbeitsvertrages „überraschend“ schwanger geworden sind. Gerade bei Schwangerschaftsvertretungen kann das fatale Folgen haben. Während und bis vier Monate nach der Schwangerschaft besteht für Arbeitgeber ein absolutes Kündigungsverbot. Doch selten wird unfaires Verhalten langfristig zum Erhalt der Stelle beitragen. Etliche Praxis-Inhaber erkundigen sich vor einer Festanstellung sogar telefonisch bei früheren Arbeitgebern, wie man miteinander umgegangen ist.

Die Geldfrage

Die meisten Kosten, die bei einer schwangeren Mitarbeiterin anfallen, vor allem die Lohnfortzahlung, übernehmen die Krankenkassen. Seit 2006 regelt das „Ausgleichsverfahren für Mutterschaftsaufwendungen“, dass alle Betriebe unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiter einen Umlagebeitrag (Umlage U2) abführen müssen. Aus diesem „Topf“ erstatten die Kassen die meisten Kosten. Ob auch der Arbeitgeberanteil vom Gesamtsozialversicherungsbeitrag erstattet wird, variiert hingegen von Krankenkasse zu Krankenkasse.

Urlaubsansprüche aus der Zeit vor dem Beschäftigungsverbot bleiben erhalten. Schwangere Mitarbeiterinnen sind für den Praxisinhaber also zunächst weniger ein Kostenproblem, sondern vor allem eine organisatorische Herausforderung. Und die gilt es gemeinsam zu meistern!

Quellen: im Artikel verlinkt

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Über den Autor

Dr. Henrik Hofmann

Dr. Henrik Hofmann (hh) betreibt seit 1995 eine eigene Tierarztpraxis in Butzbach. Er ist Fachtierarzt für Allgemeine Veterinärmedizin und hat die Zusatzbezeichnung Akupunktur. (www.tierundleben.de) Als Autor und Redakteur hat Hofmann in etlichen Zeitschriften und Zeitungen rund ums Tier geschrieben. Bei wir-sind-tierarzt.de betreut er schwerpunktmäßig Medizinthemen, den Bereich Praxismanagement und die Rubrik Mensch-Tierarzt. Außerdem steuert er die SocialMedia-Aktivitäten und leitet die Bildredaktion. Zuletzt ist sein Buch „Tieren beim Sterben helfen – Euthanasie in der Tierarztpraxis“ erschienen. Kontakt: henrik.hofmann(at)wir-sind-tierarzt.de
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