Tarifvertrag für Tierärzte – der Weg ist noch lang

Faire Notdienstregeln jenseits des Arbeitszeitgesetzes – mit einem Tarifvertrag könnte man diese vereinbaren. (Foto: © pixabay.de)

Einen Tarifvertrag für angestellte Tierärzte gibt es nicht. Der Grund: Es fehlt ein tariffähiger Arbeitgeberverband. Der, so erwartet es der Bund Angestellter Tierärzte (BaT), könne eventuell über einem Zusammenschluss von Tierarztketten oder Praxiskooperationen entstehen. Der BaT selbst hat sich im Juni 2016 gegründet, um bei möglichen Tarifverhandlungen die Angestelltenseite zu vertreten.

(jh) – Die Rechtsform als „Verein“ hat der Bund angestellter Tierärzte (BaT) im Juni 2016 gewählt, weil „es auch in dieser Rechtsform möglich ist Tarifverträge auszuhandeln“. Das schreibt der BaT in einer Meldung zum einjährigen Bestehen. Man sehe sich als „Gewerkschaft für angestellte Tierärzte“ und hat dabei den humanmedizinischen Marburger Bund zum Vorbild. Laut Deutscher Tierärztestatistik arbeiteten 2016 über 7.900 Tierärzte als Angestellte in Tierarztpraxen/kliniken, davon 6.600 Frauen. Ein Jahr nach der Gründung hat der BaT jetzt 140 Mitglieder.

Dringend gesucht: Faire Regeln zur Arbeitszeit

Gleichermaßen interessant für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wäre ein Tarifvertrag vor allem in einem Punkt: der Arbeitszeitregelung. Tarifparteien dürfen nämlich – siehe Humanmedizin – auch Regelungen für Nacht- und Bereitschaftsdienste vereinbaren, die von den strengen Regeln des Arbeitszeitgesetzes abweichen. Hier suchen Praxen, die Notdienste anbieten, dringend nach rechtskonformen Lösungen. Eine aktuelle Studie hat nämlich gezeigt, dass 47 Prozent der angestellten Tiermediziner länger arbeiten als die gesetzlich zulässigen Höchstdauern von 10 Stunden am Tag oder 48 Stunden in der Woche. Im Median sind es 50 Stunden je Woche, in privaten Tierkliniken 55 Wochenstunden und in der Pferdepraxis sogar 57,5 Stunden.

Im Schnitt 57 Stunden Wochenarbeitszeit – die größten Arbeitszeitprobleme für angestellte Tierärzte gibt es in der Pferdepraxis. (Foto: © pixabay.de)

bpt kann nicht Tarifpartner sein

Was dem BaT als „Gewerkschaft“ fehlt, ist ein tariffähiges Gegenüber auf der Arbeitgeberseite.
Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) kann und will diese Rolle nicht ausfüllen. Er vertritt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen aller praktizierenden Tierärzte. Im bpt sind deshalb sowohl Praxisinhaber als auch Angestellte Mitglied. Dadurch ist er nach deutschem Recht aber nicht tariffähig (Interessenkollision). Anders ist das gegenüber den Tiermedizinischen Fachangestellten. Hier hat der bpt aktuell einen neuen Gehaltstarifvertrag verhandelt.

Arbeitgeberverband der Klinikketten?

Der BaT wiederum kann sich vorstellen, dass mit den sich langsam in Deutschland etablierenden Klinikketten auch eine Art Arbeitgeberverband entstehen könnte. In der BaT-Meldung heißt es: „Ein längerfristiges Ziel ist es, zum Beispiel bei Arbeitsverhältnissen in Verbindung mit Ketten oder Kooperationen, als Tarifpartner auftreten zu können.“ Dies erklärt sich, weil das Arbeitszeitproblem (siehe oben) vor allem ein Problem von Kliniken mit 27/7-Notdiensten ist.

Dass ein „solcher Zusammenschluss einiger weniger Praxen/Kliniken als Quasi-Arbeitgeberverband eine seriöse und vor allem flächendeckende Lösung“ sein könne, bezweifelt dagegen der bpt. Geschäftsführer Heiko Färber hatte zuletzt auf dem Fakultätentag betont, dass schade der Sache unter Umständen mehr, als es nütze. Der bpt setze stattdessen auf ausbalancierte, von der Breite der Inhaber und Angestellten getragene Lösungen. „Die brauchen zwar manchmal etwas länger, halten dafür aber auch länger“, sagte Färber in Berlin.
Aktuell* betreiben alle in Deutschland aktiven Tierarztketten zusammen 55 Praxis/Klinikstandorte – bei insgesamt über 10.000 Tierarztpraxen deutschlandweit (AniCura: 25 / Evidensia: 7 /smartvet: 22 / activet: 2).

BaT: Bessere Arbeitsbedingungen und Bezahlung nötig

Der BaT hat sich als Ziel gesetzt, Interessenvertretung aller angestellten Tierärzte in der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Für sie will er bessere Arbeitsbedingungen, eine der akademischen Ausbildung angemessene Bezahlung und eine höhere Wertschätzung der Arbeit angestellter Tierärzte erreichen. Aktuell erarbeite der BaT Standards, die verbindlich die Arbeitsbedingungen angestellter Tierärzte definieren sollen, teilt der Verband mit.
Auch innerhalb des bpt arbeitet ein – mit Arbeitgebern und Angestellten paritätisch besetzter – „Arbeitskreis Angestellte Tierärzte“ an Standards: So hat man einen Ratgeber Arbeitszeiterfassung (Download hier) erstellt und ein neuer Musterarbeitsvertrag steht kurz vor der Veröffentlichung.

BaT: Wer – Was – Wo

  • Zwei der Initiatoren des BaT, Dr. Christian Wunderlich (1. Vorsitzender) und Dr. Leonie Wolters (2. Vorsitzende) bilden aktuell den Vorstand. Dem erweiterten Vorstand gehören die Beisitzer Lilith Steingräber und Dr. Anne Menzel sowie Dr. Nadine Hornen (Finanzenverwaltung) an.
  • An den Hochschulstandorten besuchen seit der Gründung 2016 BaT-Multiplikatoren Veranstaltungen und pflegten Kontakte zu Studenten, Doktoranden, wissenschaftlichen Mitarbeitern und zum Bundesverband der Veterinärmedizinstudierenden in Deutschland e.V., dem bvvd.
  • Über Pressemitteilungen, Artikel, Interviews und die Teilnahme an Podiumsdiskussionen will der BaT seine Bekanntheit unter Tierärzten und in der Öffentlichkeit erhöhen.
  • Mit einem eigenen Messestand wird der BaT auf Tagungen und Kongressen für Fragen und Anregungen zur Verfügung stehen. Premiere ist beim bpt- Kongress am 20. und 21. Oktober 2017 in München.
  • Auf der Homepage www.bundangestelltertieraerzte.de können sich Interessierte über die Arbeit des BaT informieren. Für Mitglieder steht darüber hinaus ein geschützter interner Bereich mit erweiterten Funktionen (Forum zum Austausch) und Angeboten zur Verfügung.

Quellen:
Meldung des Bundes angestellter Tierärzte zum einjährigen Bestehen (BaT-Homepage)
bpt-info 5/2017

*Zahl der Kettenstandorte – Stand: 29.6.2017

Teilen
Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)