Antibiotikamonitoring: Keine Verbesserung vor 2022

Dikskutierten in Berlin die Weiterentwicklung des Anitibiotikamonitorings: bpt-Geschäftsführer Heiko Färber, Dr. Anke Schröder (BMEL), Thomas May (QS / v.l.n.r). (Foto: © bpt/Urban)

Ist das staatliche Antibiotikaminimierungskonzept in der Nutztierhaltung erfolgreich? Dazu muss – so steht es im Arzneimittelgesetz – bis April 2019 ein Bericht vorliegen. An dem arbeiten die Behörden bereits. Doch vor 2022 wird weder die Evaluation noch die Kritik der Tierärzte zu einer Änderung des aktuellen Antibiotikamonitorings führen.

von Jörg Held

Dr. Anke Schröder (BMEL) stellte die geplante Evaluierung der Antibiotikagesetzgebung vor. (Foto: © WiSiTiA/jh)

„Die ergebnisoffene Evaluierung der 16. AMG-Novelle ist kein ‚Therapieplan‘ für Änderungen am Gesetz.“ Das stellte Regierungsdirektorin Dr. Anke Schröder vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) auf dem Fachforum „Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung“ des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte in Berlin klar. Der Bericht – so die Planung des BMEL – wird nur prüfen, ob „die Entwicklungen bei der Antibiotikaabgabe und -anwendung und der betrieblichen Therapiehäufigkeit Effekte auf die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen haben“. Er soll keine Empfehlungen für Änderungen enthalten.
Wenn das Arzneimittelgesetz – aufgrund der folgenden politischen Bewertung des Berichtes – allerdings geändert werden müsse, „dann werden wir es nicht zweimal anfassen“, sagte Schröder. Das bedeutet: Wohl frühestens 2022 dürfte es eine Anpassung des staatlichen Antibiotikaminimierungskonzeptes geben. Denn bis dahin muss(!) der Gesetzgeber auch das neue EU-Tierarzneimittelrecht in nationales Recht umsetzten.

Zeithorizont des Gesetzesgebers für mögliche Änderungen am staatlichen Antibiotikamonitoringskonzept. (Folie: © BMEL)

Wichtigstes Ziel: Resistenzausbreitung begrenzen

Das staatliche Antibiotikamonitoring ist im § 58 des Arzneimittelgesetzes geregelt. Seit 2014 in Kraft wird seitdem halbjährlich eine Therpiehäufigkeit für den Antibiotikaeinsatz in der Schweine-, Hühner-, Puten- und teilen der Rindermast berechnet. Betriebe die vergleichsweise viel Antibiotika  einsetzen, müssen einen Maßnahmenplan zur Reduzierung erstellen.

Methodik und aktuellste Zahlen hier: „Therapiehäufigkeit: Schwein runter – Geflügel rauf“

Der Gesetzgeber wollte mit dem Monitoring drei Ziele erreichen:

  • den Antibiotikaeinsatz bei der Haltung von (Nutz)Tieren reduzieren
  • den sorgfältigen und verantwortungsvollen Anibiotikaeinsatz bei  der Behandlung von erkrankten Tieren fördern und verbessern und (so) das Risiko der Entstehung und Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen (AMR) begrenzen
  • den Überwachungsbehörden eine effektivere Aufgabenwahrnehmung, insbesondere im Tierhaltungsbetrieb, ermöglichen.

Was muss geändert werden – Tierärzte aus Praxis und Aufsichtsbehörden haben schon früh auf Probleme beim Antibiotikamonitoring hingewiesen

Ob das Gesetz diese Ziele erreicht, überprüft das BMEL im Jahr 2018 anhand folgender Kritieren:

  1. Hat sich der Umfang und das Spektrum der eingesetzten Antibiotika verändert – sprich: Gab es einen Rückgang oder eine Verschiebung innerhalb der Wirkstoffe?
  2. Wie haben sich die Antibiotikaresistenzen bei Bakterien entwickelt, die von den betreffenden Tierarten und Nutzungsrichtungen stammen?
  3. Welche Erkenntnisse haben die Überwachungsbehörden? Dazu erstellt eine Projektgruppe der Arbeitsgemeinschaft Tierarzneimittel der Bundesländer (AG TAM) einen Bericht über die Erfahrungen der Überwachung
  4. Wie bewerten Tierhalter und Tierärzte das Minimierungskonzept und dessen Ergebnisse? Die Erfahrungen aus der Praxis soll über eine qualifizierte Befragung einfliessen.

Genauere Auswertung der Antibiotikadaten

Für die Punkte 1 und 2 des Evaluierungsberichtes an den Bundestag darf das BMEL die von Tierhaltern und Tierärzten an die Länder gemeldeten und in der HI-Tier gespeicherten Daten anonymisiert auswerten.
Das soll detaillierter geschehen, als bisher für die Berechnung der Therapiehäufigkeit. So will das BMEL bei den Antibiotikamengen nicht nur die Abgabemengen (DIMDI-Daten) betrachten, sondern auch möglichst realistische Verbrauchsmengen aus den HIT-Daten errechnen – und zwar getrennt nach Wirkstoffen und Tiergruppen. Auch soll ausgewertet werden, ob sich Behandlungsformen oder Anwendungsmuster verändert haben (Dauer, Applikationsart, Wirkstoffauswahl, ggf. mit Schätzung der Dosierung). Ein Fokus liegt dabei auf den sogenannten one shot/long acting Präparaten, die bei einmaliger Gabe längere Zeit wirken. Alle Daten will man mit anderen Quellen (VetCAb, evtl. QS-Antibiotikamonitoring) vergleichen.

Dabei werde sich das BMEL – für jede Tier- und Nutzungsart getrennt – auch genau ansehen, ob die Therapiehäufigkeit in den einzelnen Betrieben stetig zurückgegangen ist oder schwankt (Variabilität); ob und wenn ja wie sich die Therapiehäufigkeit zwischen gleichartigen Tierhaltungen unterscheidet (hier kann man wegen der Anonymisierung keine regionale Vergleiche anstellen); ob die Betriebe mit einer hohen Therapiehäufigkeit Gemeinsamkeiten aufweisen und welche Antibiotika sie eingesetzt haben.

Rückgang der Resistenzen?

Zentrales Ziel des Monitorings ist die Reduzierung der Resistenzbildung.
Ob parallel zum Zeitraum der Antibiotikamonitorings (seit 2014) auch Effekte bei der Resistenzentwicklung zu verzeichnen sind, soll anhand der Daten aus dem nationalen Resistenzmonitoring (u.a. GERMAP) für Zoonose- und tierpathogenen Erreger ermittelt werden.

Was bereits feststeht:

  • Die abgegebenen Antibiotikamengen in Tonnen sind deutlich zurückgegangen. Seit dem Jahr 2011 um 56 Prozent von 1.706 auf 742 Tonnen (im Jahr 2016). Mit Beginn des AMG-Monitorings im Jahr 2014 gab es auch einen sichtbaren „Knick“
  • Es gibt auch Rückgänge bei den Resistenzen (z.B. E coli), aber nicht in vergleichbar großen Prozentzahlen wie bei den Mengen.

Ein flächendeckendes Resistenzmonitoring gibt es in Deutschland nicht. Entsprechende (regionale) Resistenzdatenbanken zu schaffen, ist eine Forderung der Tierärzte, um Antibiotika gezielt(er) einsetzen zu können.

Rückgang der an Tierärzte abgegebenen Antibiotikamenge insgesamt und die Entwicklung bei den als „kritisch“ geltenden Fluorchinolonen. (Grafiken: © BMEL)

Privates QS-Antibiotikamonitoring als Vorbild?

Eine Reihe der Auswertungen, die das BMEL im Rahmen der Evaluierung plant, sind im privatwirtschaftlichen QS-Antibiotikamonitoring schon länger Standard. Es kann Antibiotikaverbrauchsmengen ausweisen (eine Gegenüberstellung der Mengen hier) Auch informiert QS die Tierhalter bereits mit einer Extraauswertung, wie sie beim Einsatz sogenannter „kritischer Antibiotika“ gegenüber vergleichbaren Betrieben abschneiden.
Dabei berücksichtigt QS den Antibiotikaeinsatz bei deutlich mehr Produktionsarten und nicht nur bei bestimmten Masttieren. Außerdem gibt es – anders als im staatlichen System – keine Tierzahluntergrenzen, alle Betriebsgrößen werden erfasst.
Aus einer Gegenüberstellung der Systeme  (siehe Tabelle unten) lässt sich ableiten, wo der Staat insgesamt nachbessern sollte – wenn man das Monitoring beibehalten will (etwa Aufnahme von Legehennen und Milchvieh in das Monitoring).

QS- und auch Tierärzteforderung: Alle Produktionsarten unabhängig von der Bestandsgröße in das Antibiotikamonitoring einbeziehen. (Tabellen: © QS)

Keine Änderung vor 2022?

Doch selbst wenn bis April 2019 ein Evaluationsbericht vorliegt, eine schnelle Hoffnung auf Änderung gibt es nicht. Schlußfolgerungen sollen erst danach auf politischer Ebene gezogen werden.
Parallel wird voraussichtlich 2019 die neue EU-Tierarzneimittelverordnung in Kraft treten. Es wird erwartet, dass sie u.a. Auflagen/Restriktionen für den Einsatz einiger, als besonders kritisch geltender antibiotischer Wirkstoffgruppen enthält (etwa Resistenztestverpflichtungen).
Die EU-Verordnung muss dann binnen drei Jahren zwingend in nationales Recht umgesetzt werden. Deshalb wird der Gesetzgeber frühestens in diesem Zusammenhang auch das nationale Anitbiotikamonitoring anpassen und das AMG ändern – Zieldatum 2020.

 Quellen im Artikel verlinkt

Mehr über das  bpt-Fachforum „Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung“ hier“ (bpt-Pressemeldung)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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