Vergiftungen von Hunden und Katzen mit Rattengift sind immer eine therapeutische Herausforderung für Tierärzte. Meist werden die Patienten erst vorgestellt, wenn Symptome einsetzen. Dann befindet sich das Gift aber häufig schon tagelang im Körper und lässt sich nicht eliminieren. Nun gibt es eine zweite Generation von Cumarinderivaten, deren Wirkstoffe noch deutlich potenter sind als die der ersten Generation.
(aw) – Dr. Maren Kummerfeld vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe stellte auf dem Leipziger Tierärztekongress 2020 die neuen Antikoagulanzien der 2. Generation vor. Diese werden in der Schadnagerbekämpfung eingesetzt und umfassen Wirkstoffe wie Brodifacoum, Bromadiolon, Difenacoum, Flocoumafen und Dipacinom.

Sachkundenachweis erforderlich
Die neuen Wirkstoffe unterliegen im Gegensatz zu denen der 1. Generation einer Zulassungspflicht nach Biozidverordnung. Sie wurden vom Bundesumweltamt als persistent, bioakkumulierend und toxisch eingestuft. Die Präparate dürfen aufgrund ihrer Gefährlichkeit nur von Personen angewendet werden, die über einen entsprechenden Sachkundenachweis verfügen und müssen immer verlässlich gesichert werden (Köderboxen!).
Die gifthaltigen Köder werden in verschiedenen Formen angeboten, so etwa als Haferflocken, Getreide, Paste, Gel oder in kompakter Form. Ihre Wirkstoffe sind deutlich potenter als etwa Warfarin (1.Generation) und verfügen über eine deutlich längere Wirkdauer als dieses. Zudem reicht für einen tödlichen Krankheitsverlauf bereits die einmalige Aufnahme des Giftes aus.
Blutungsbedingte Komplikationen
Die Krankheitssymptome beginnen ein bis fünf Tage nach der Aufnahme des Giftes, je nachdem wann die betroffenen Gerinnungsfaktoren des Tieres verbraucht sind. Neben den unspezifischen Symptomen wie Lahmheiten, Paresen, Krämpfen, Störung der Herzfunktion und allgemeine Kreislaufschwäche treten die typischen blutungsbedingten Komplikationen auf:
- sichtbare Blutungen an Gelenken, Unterhaut und Schleimhäuten,
- Nasenbluten,
- Blut in Kot oder Urin
- sowie Bluthusten und blutiges Erbrechen.
Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es zu Apathie, Anämie, Anorexie und verstärktem Durst sowie Husten, Dyspnoe, Hypothermie und einem hypovolämischen Schock. Es kann aber auch zu Blutungen im Brust- oder Bauchraum kommen, ohne dass weitere äußere Anzeichen bestehen.
Bei toten Tieren findet sich im Magen oder Kropf verfärbter Inhalt und sogar in der Muskulatur ist nicht geronnenes Blut nachweisbar.
Die Diagnose einer Cumarinvergiftung ist mit Hilfe des Prothrombintest nach Quick (Quick-Test) möglich, denn die Blutgerinnung ist bereits während der Anfangsphase der Vergiftung ohne sichtbare Symptome verzögert.
Behandlungsdauer mindestens drei Wochen
Therapeutisch muss im Verdachtsfall sofort eine Behandlung mit Vitamin-K 1 begonnen werden. Hat sich das Haustier mit den neuen Cumarinderivaten vergiftet, darf die Therapielänge drei Wochen nicht unterschreiten. Ein Behandlungserfolg ist dann erreicht, wenn sich der Quick-Test normalisiert hat. Bei starken Blutverlusten haben sich zusätzliche Bluttransfusionen bewährt. Wie Dr. Kummerfeld ausdrücklich erwähnt, sind Plasmaexpander kontrainduziert, da sie die Blutgerinnung zusätzlich beeinträchtigen.