Korrekte Dokumentation ist keine Formalie – besonders wenn es um Antibiotika geht. 19.800 Euro Strafe soll ein Tierarzt zahlen, weil er Medikamente auf falsche oder gar nicht vorhandene Ohrmarken „aufgeschrieben“ hat – obwohl es „nur“ sechs Fälle und 42 Tiere betraf.
(jh) – Als klare Straftat bewertete das Landgericht Schweinfurt das Vorgehen eines Tierarztes. Der hatte Medikamente – auch Antibiotika – an einen Milchviehhalter für die Behandlung von insgesamt 42 Kälbern abgegeben, die gar nicht in dessen Stall standen. Dabei kontrollierte er die Nummern auf den Ohrmarken der Tiere nicht wie vorgeschrieben selbst, sondern verließ sich auf die (falschen) Angaben des Landwirtes. Eine Kontrolle wäre aber auf jeden Fall machbar gewesen, befand das Gericht – Strafe: 19.800 Euro (siehe auch: Berichterstattung in der Mainpost).
Gegen den 60-jährigen Tierarzt läuft auch ein Verfahren zum Entzug der Approbation.
Medikamentenvorrat angelegt
Warum er so gehandelte hatte, wollte der Veterinär nicht sagen. Da habe sich wohl jemand Medikamente auf Vorrat legen wollen, vermutete eine Amtstierärztin im Prozess. Es ging um Antibiotika gegen Durchfall und Nabelentzündung, Betäubungsmittel zur Enthornung und ein Medikament gegen Selen-Mangel. Mit denen Medikamenten hätte der Landwirt auch andere Tiere behandeln können – ohne ordnungsgemäße Dokumentation. Das ist verboten. Tierärzte müssen alle Medikamentenabgaben auf einem sogenannten AUA-Beleg (Anwendungs- und Abgabebeleg) eintragen und dabei sowohl Diagnose als auch die behandelten Tiere (Tiergruppe) angeben – bei Kühen über das Eintragen der Ohrmarkennummern.
Korrekte Dokumentation keine Formalie
Eine korrekte Dokumentation sei „keine reine Formalie“, begründete der Richter das Urteil. Ohne diese „gelangten Antibiotika völlig unkontrolliert in die Nahrungskette,“ niemand könne sonst nachvollziehen, welche Tiere behandelt wurden. Als fatales Signal an alle Bauern, die ehrlich und sauber wirtschafteten, wertete das Gericht, dass der Landwirt als Zeuge nicht ausgesagt hatte: „Wie soll man unseren Landwirten noch glauben, wenn bei der Aufklärung solcher Fälle gemauert wird?“
Aufgeflogen war das Ganze, durch erneute Antibiotika-Rückstände in der Milch, denn der Landwirt war bereits 2012 deswegen aufgefallen. Bei den nachfolgenden genaueren Kontrollen wunderte sich das Veterinäramt, dass alle kranken Tiere zufälligerweise stets fortlaufende Ohrnummern haben sollten. Defacto waren sie zum Zeitpunkt der Behandlung aber entweder bereits verkauft oder verendet.
Revision spart 7.200 Euro
Das Amtsgericht Schweinfurt hatte den Veterinär bereits im Oktober 2014 zu einer Geldstrafe von 27.000 Euro verurteilt. Dagegen hatten dann sowohl der Tierarzt – er argumentierte mit einem „Dokumentationsfehler“, weshalb nur eine Ordnungswidrigkeit vorliege – als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Sie fordert eine noch höhere Strafe: Der Angeklagte sei seiner hohen Verantwortung nicht gerecht geworden.
Das Gericht wertete das Vorgehen klar als eine Straftat, reduzierte aber die Strafe auf 19.800 Euro. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, denn die Verteidigung hat Revision eingelegt. (aktualisiert: 11.5.2016)
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