Müssen Tierheime Fundtiere abweisen und erst zur Gemeinde schicken? Ja, wenn es nach einem letztinstanzlichen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes geht. Tun sie das nicht, handeln sie ohne Auftrag und bekommen die Kosten nicht erstattet – sie brauchen dafür einen Vertrag mit der Gemeinde. Für viele Fundtiere kann das eine Odysse bedeuten.
(PM/jh) – Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat letztinstanzlich entschieden, dass Tierheime Fundtierkosten nur dann erstattet bekommen, wenn die (unverletzten) Tiere vorher bei der (zuständigen) Behörde abgegeben werden – zumindest, wenn die Tierheime keine anderslautenden Verträge mit der Gemeinde haben.
Der Deutsche Tierschutzbund kommentiert: „Das Gericht zwingt damit die Tierheime, Fundtiere abzuweisen und Finder zum Rathaus zu schicken.“ Das Urteil dürfte für bundesweites Chaos in den Kommunen sorgen.
Nur offensichtlich schwerverletzte oder schwer kranke Tiere dürfen demnach direkt und unverzüglich ins Tierheim gebracht, alle anderen müssen, sofern die Gemeinde keinen ausdrücklichen Vertrag mit dem Tierheim hat, im Fundamt abgeliefert werden, schreibt die hessischen Landestierschutzbeauftragten, Dr. Madeleine Martin, in einer Pressemitteilung.
Nach ihrer Ansicht hat das Urteil weitreichende Folgen, da nur wenige Städte und Gemeinden Fundtierverträge mit Tierheimen abgeschlossen haben. Tierschutzvereine dürfen demnach grundsätzlich erst dann handeln – und den Ersatz von Aufwendungen verlangen –, wenn die Fundbehörde einen Auftrag erteilt hat.
Fundtieralltag: Hin und her zwischen Fundbüro und Tierheim
Auf die alltägliche Situation beim Fund eines Tieres übertragen bedeutet das Urteil:
Jeder der ein Tier findet, muss wissen, ob es in der Kommune einen Vertrag mit einem Tierheim gibt oder nicht, und muss dann das Tier am für die Abgabe richtigen Ort bringen.
Für das Tier bedeute dies ein belastendes „Hin und Her“, denn ein Tierheim ohne Vertrag muss das Tier nach Ansicht der Richter ablehnen und den Finder zum Rathaus weiterschicken – zumindest hat es ansonsten keine Anspruch auf Kostenerstattung, denn eine Fundbehörde ist laut Gericht erst dann für die Verwahrung und Versorgung eines Fundtieres zuständig, wenn es bei ihr abgeliefert werde.
(Rück)Vermittlung an Besitzer wird schwieriger
Tierschutzbundpräsident Thomas Schröder sieht darin die Gefahr, „dass Bürger, die ein Tier finden, lieber gar nichts tun, als sich mit einem bürokratischen Abenteuer auseinanderzusetzen.“ In der Konsquenz bedeute dies: „Wenn Finder die Tiere nicht ins Tierheim bringen, erfahren aber auch Tierbesitzer, die ihr Tier suchen, keinerlei Unterstützung durch das Tierheim.“ Für Schröder ist das Urteil „praxisfremd, tierschutzfeindlich und letztlich auch ein Rückschlag für jeden Tierbesitzer.“
Politik soll Fundrecht für Tiere präzisieren
Aus Sicht des Tierschutzbundes hat das Gericht damit eine „historische Chance verpasst“, eine praxisnahe Auslegung zugunsten der Tiere und im Sinne des Staatsziels Tierschutz zu treffen. Die Kommunen müssten nun einen fairen Fundtierkostenvertrag mit einem seriösen Tierheim abschließen, um zu verhindern, dass aus einer ungeklärten Betreuungslage Tierleid entsteht. Nur so hätten Kommunen, Tierheime und letztlich auch die Finder Sicherheit. Gleichzeitig sei der Gesetzgeber gefordert einen bundeseinheitlichen Rahmen zu schaffen, in dem sich diese Verträge bewegen:
Im Bürgerlichen Gesetzbuch sei klarzustellen, dass eine Kommune für Tiere als Fundsache die volle Verantwortung trägt, egal von wem sie wo gefunden und von wem sie wo auf dem Gemeindegebiet abgegeben würden. „Wer das nicht tut, der riskiert als Folge dieses Urteils den Zusammenbruch des praktischen Tierschutzes in der Fläche,“ mahnte Schröder.
Quelle:
Aktenzeichen des Urteils: BVerwG 3 C 24.16 vom 26.4.2018
Pressemeldung des BVerwG zu Fundtieren (27.4.2018) mit Aktenzeichen der Urteile der Vorinstanzen
Pressemeldung des Deutschen Tierschutzbundes (26.4.2018)
Pressemeldung Landestierschutzbeauftragte Hessen (8.5.2018)
Hintergrund des Urteils
Der Tierschutzverein Rosenheim und der Tierschutzverein für den Landkreis Cham in Bayern hatten geklagt, da ihnen die Gemeinden jeweils die Kostenübernahme für die Versorgung von Fundtieren verweigert hatten. Es ging um die Kosten für die Unterbringung und tierärztliche Behandlung von insgesamt elf Katzen.
Beide Vereine hatten die unverletzten und von Findern abgegebenen Katzen im Tierheim aufgenommen und den Behörden unverzüglich eine Fundanzeige geschickt. Eine Vereinbarung zwischen den Tierschutzvereinen und den beklagten Gemeinden über die Verwahrung von Fundtieren bestand aber nicht.
Die Vorinstanzen urteilten im Sinne der Kommunen (Berichte siehe hier). Die Tierheime blieben auf den Kosten sitzen.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) stützte seine Entscheidungen darauf, dass kein Anspruch der Tierschutzvereine aus öffentlich rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag besteht. Da die Finder die Tiere jeweils direkt im Tierheim – und nicht bei der Behörde – abgeliefert hatten, hätten die Fundbehörden weder eine Handlungs- noch eine Verwahrungspflicht.
Gleiches gelte auch dann, wenn das Tierheim den Fund sofort bei der Behörde anzeigt und diese sich daraufhin nicht äußert. Schweigen sei keine Zustimmung der Fundbehörde, die Verantwortung für das Tier zu übernehmen, so der BayVGH.
Weiter sei es dem Finder zuzumuten, ein unverletztes Tier bei der Behörde abzuliefern. Auch unter Berücksichtigung des Tierschutzrechts kam der BayVGH bei Auslegung der fundrechtlichen Vorschriften zu keinem anderen Ergebnis.
Das Bundesverwaltungsericht bestätigte jetzt das Urteil der Vorinstanzen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sie es nicht ersichtlich, dass es nicht tierschutzgerecht gewesen wäre, die Katzen bei den Beklagten (der Gemeinde) abzuliefern.