Hormonstörungen älterer Pferde

Collage PPID-Symptome (Folie/Fotos: © Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Hufrehe gilt als eine der häufigsten Erkrankungen bei Ponies und älteren Pferden. Ursache sind in den allermeisten Fällen endokrinologischen Entgleisungen. Die gilt es zu differenzieren. Eine zweiteilige Artikelserie zu Diagnose und Therapie von PPID und EMS.

von Annegret Wagner

Teil 1: PPID (Pituary Pars Intermedia Dysfunction, früher: ECS)
Teil 2: EMS (Equines Metabolisches Syndrom)

Mittlerweile hat sich gezeigt, dass bei Hufrehe der überwiegende Teil (zwischen 80 und 90 Prozent, je nach Studie) der Krankheitsausbrüche auf endokrinologischen Entgleisungen beruht. Auf den 28. Bayrischen Tierärztetagen hat sich DipECEIM Dr. Anna May aus der Klinik für Pferde der LMU München mit den beiden wichtigsten endokrinologischen Krankheiten beschäftigt, die zu einer Hyperinsulinämie führen, nämlich PPID (Pituary Pars Intermedia Dysfunction, früher: ECS) und EMS (Equines Metabolisches Syndrom).

Insulin – das kritische Hormon

Insulin gilt als kritisches Hormon im Bezug auf Hufrehe, da es vermutlich eine Vasokonstriktion im Huf bewirkt und damit als Verursacher der Krankheit in Frage kommt.
Ein weiterer denkbarer Mechanismus der durch Insulin verursacht wird, ist die Dysregulation von Wachstum beziehungsweise Mitose via epithelialer IGF1-Rezeptoren. Grasfütterung spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Der im Gras enthaltene Zucker stimuliert entweder direkt eine Hyperinsulinämie, die zu einer Hufrehe führt oder die Krankheit wird durch eine Kombination aus Dysfermentation von Zuckern, Veränderungen der Kolonmukosa und Absorption von Triggerfaktoren ausgelöst. Pferde die anfällig für Hufrehe sind, reagieren typischer Weise auf die Verfütterung von Kohlenhydraten mit exzessiver Insulinantwort.

Hufrehe und Grasaufnahme – der Zusammenhang. (Folie: © Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

PPID – häufigste Hormonstörung älterer Pferde

Das Equine Cushing Syndrom (ECS, Hypophysenadenom) wird mittlerweile als PPID (Pituiary Pars Intermedia Dysfunction) bezeichnet, weil diese Bezeichnung die Krankheitsursache treffender beschreibt. Bei PPID handelt es sich um die häufigste Hormonstörung bei älteren Pferden. Sie tritt bei rund zwanzig Prozent aller Tiere über einem Alter von 15 Jahren auf. Dabei sind Ponies und Esel signifikant häufiger betroffen als Pferde.

PPID-Symptome 1 (Folie: © Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Typische äußere Symptome sind Hirsutismus, also lange, eventuell gelockte Haare und verzögerter Fellwechsel sowie ein deutlicher Muskelabbau. Letzterer wird eventuell durch einen „Weidebauch“ kaschiert. Das ganze ist verbunden mit Lethargie und höherer Krankheitsanfälligkeit.

PPID-Symptome 2 (Folie: © Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Ein weiteres gut sichtbares Symptom ist die abnormale Fettverteilung, unter anderem supraorbital. Polydipsie und Polyurie sind ebenfalls typische Anzeichen, die aber gerade in Gruppenhaltung schwer zu erkennen sind. Die genannten Probleme werden durch eine Überproduktion von ACTH in der Hypophyse verursacht, die zu einer Überproduktion von Cortisol in der Nebennierenrinde mit sämtlichen bekannten Komplikationen führt.

ACTH-Werte bestätigen klinische Diagnose

Die klinische Diagnose aufgrund der typischen äußeren Veränderungen lässt sich gut mit Hilfe verschiedener Blutuntersuchungen bestätigen.
Als einfachste Möglichkeit gilt die tageszeitunabhängige Blutabnahme (EDTA) und der unverzügliche gekühlte Versand zur Bestimmung von ACTH. Hohe ACTH-Werte sprechen für eine Cushing-Erkrankung, es sei denn, das Blut wird erstmals von August bis Oktober untersucht. In diesen Monaten steigt die Plasma-ACTH-Konzentration auch bei gesunden Pferden an. Während die Konzentration normalerweise weniger als 29 pg/ml betragen sollte, gilt von August bis Oktober eine Konzentration von unter 47 pg/ml als physiologisch. Eine Abklärung eines früheren fraglichen ACTH-Befundes lässt sich in diesen Monaten besonders gut vornehmen, denn bei erkrankten Pferden steigt die ACTH-Konzentration dann exorbitant stärker als bei gesunden Tieren.
Starke Schmerzen oder Stress können die ACTH-Werte allerdings verfälschen. Die Bestimmung während eines akuten Reheschubes ist daher nur bedingt aussagekräftig.

Empfohlene PPID-Tests (Folie: © Vortrag Anna May / Bay. Tierärztetage 2017)

Eine weitere Möglichkeit der Diagnose ist der Dexamethason-Suppressionstest, bei dem 19 bis 24 Stunden nach einer Dexamethason-Gabe eine Blutuntersuchung erfolgt. Der Cortisol-Wert sollte bei einem gesunden Pferd nach dieser Zeit unter 1 ng/ml liegen.
Ein zweiter Stimulationstest kann mit TRH vorgenommen werden. Dann sollte aber – entgegen früherer Empfehlungen – ACTH gemessen werden und nicht Cortisol. Dieser Test kann zur besseren Abklärung eingesetzt werden, wenn ACTH- oder DST-Test kein eindeutiges Ergebnis bringen.

Pergolid-Therapie einschleichend beginnen

Beim Vorliegen einer PPID wird therapeutisch der Dopamin-Agonist Pergolid eingesetzt, der in der Regel zum Abklingen der Symptome führt. Die Dosierung beträgt normalerweise 1 mg/500kg Körpergewicht, kann aber bis auf maximal 5 mg/500 kg erhöht werden. Die Therapie sollte einschleichend begonnen werden, um mögliche Nebenwirkungen wie Inappetenz oder Mattigkeit zu vermeiden. Bei Pferden, die auf das Präparat mit Inappetenz oder Koliken reagieren, sollte die angegebene Dosierung unterschritten werden und eventuell mit der Gabe eines Mönchpfefferpräparats oder Cyproheptadin kombiniert werden.

Flankierende Maßnahmen, um die betroffenen – häufig älteren – Pferde gesund zu erhalten, sollten selbstverständlich sein. Dazu zählt etwa etwa die regelmäßige Hufpflege, Zahnkontrollen, Entwurmungen und eine, dem BCS (Body Condition Score) angepasste Fütterung.

Teil 2 der Serie befasst sich mit dem Equine Metabolische Syndrom (EMS). Es ist die zweite endokrinologische Erkrankung die mit dem Auftreten einer Hufrehe in Verbindung gebracht wird. Hier weiterlesen

Teilen
Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)