Investoren greifen nach Pferdekliniken

Neuer Player im Markt der Klinikketten: Unter der Dachmarke Altano kaufen Schweizer Investoren Pferdekliniken – zuerst die Domäne Karthaus. (Foto: © Webseite Tierklinik Karthaus / Montage WiSiTiA/jh)

Rund 50 Kleintierpraxen und Kliniken gehören in Deutschland bereits zu Klinikketten. Jetzt steigen Investoren gezielt auch in den Markt der Pferdekliniken ein. Unter dem Namen „Altano-Gruppe“ baut die Schweizer Ufenau Capital Partners eine tierärztliche Klinikgruppe mit dem Fokus Pferdemedizin auf. Zwei renommierte Pferdekliniken gehören bereits dazu.

von Jörg Held

So informiert Ufenau Capital Partners über das Investment in Pferdekliniken. (Screenshot: Webseite Ufenau Capital Partners)

Bislang haben die Investoren zwei Pferdekliniken in die Altano Gruppe überführt:

Unter dem Namen Altano GmbH hatte Dr. Victor Baltus die Aktivitäten der 1961 gegründeten Pferdklinik Domäne Karthaus mit Sitz in Dülmen in Nordrhein-Westfalen gebündelt. Mitte 2017 hat dann die Schweizer Investorengruppe Ufenau Capital Partners mehrheitlich die Altano und damit die Pferdeklinik Karthaus übernommen. Im August folgte dann der Kauf der Tierklinik in Kirchheim.
(Eine Übersicht aller Investoren und deren Standortzahl in Deutschland finden Sie am Artikelende – mit weiterführenden Links)

Keimzelle einer Kette von Pferdekliniken

Altano soll – wie es heißt – „eine Plattform für die künftige Buy-&-Build Strategie im Bereich der Pferdemedizin“ in Deutschland, Österreich und der Schweiz bilden (der D/A/CH-Region). Ufenau Capital Partners befinde sich bereits in exklusiven Verhandlungen mit verschiedenen regional führenden Pferdekliniken und Pferdepraxen, die 2017 und 2018 die Altano Gruppe ergänzen sollen.

Auch die schwedische AniCura Klinikkette hat bereits zwei Standorte mit Pferdeanteil gekauft: Die Fachklinik für Pferde Bamberg (Dr. Gunnar Burczyk) und die Tierärztliche Klinik Dr. W. Doering & Partner (Kassel).

Alle Beiträge über den Einstieg von Kapitalinvestoren in den deutschen Tierarztmarkt finden Sie hier

Kernproblem: Praxisnachfolge

Der momentane Markttreiber für den Einstieg von Investoren in Tierarztpraxen und -kliniken ist das Nachfolgeproblem. Sowohl für Dr. Victor Balthus (Altano) als auch Dr. Gunnar Burczyk (AniCura) war das der Grund, ihre Pferdekliniken an Investoren zu verkaufen.
Beide sind 60 und haben keine eigenen Kinder, die die Kliniken übernehmen möchten. Weder aus den Reihen der eigenen Angestellten noch extern fand sich ein Nachfolger, der/die allein oder als Partner die Kliniken weiterführen wollte, berichteten beide auf dem bpt-Kongress in München.
Für eine Klinik kann diese Nachfolgefrage schon lange vor dem „Rentenalter“ des Inhabers zum Problem werden. So hätten sich, weil nicht ganz klar war, wie es auf Dauer weitergehen würde, einige Mitarbeiter bereits nach zukunftsträchtigeren Stellungen umgesehen, schilderte Dr. Burczyk. Nach der Übernahme durch AniCura fühlten sie sich jetzt wieder sicher.

Diese Nachfolgelücke nutzen Investoren ganz gezielt. Sie sind oft die einzigen, an die Klinikchefs verkaufen können. Die Schweizer Ufenau Capital Partners hat sich bei ihren Investments sogar explizit darauf spezialisiert.

 

wir-sind-tierarzt.de meint:
Praxisinhaber in Not

(jh) – Die Not der Praxisinhaber wird immer deutlicher spürbar. Die Generation der Baybboomer steuert in großer Zahl unaufhaltsam auf das Rentenalter zu (siehe Altersstruktur Deutsche Tierärztestatistik). Sie stellt auch einen großen Teil der (männlichen) Praxis/Klinikinhaber.
Ihr gegenüber steht eine nachwachsende Generation junger Tierärzte – mehrheitlich Frauen –, die einen anderen Lebensentwurf hat. Nur wenige sind bereit, unternehmerische Verantwortung, insbesondere für größere Standorte zu übernehmen.
Sie scheuen auch die auf den ersten Blick hohen sechs- und siebenstelligen Investitionen (Praxis/Klinik). 
Da können Berater noch so überzeugend vorrechnen, dass die Marktchancen für Tierärzte jetzt und auch zukünftig sehr gut seien und sich die Kaufpreise in überschaubaren Zeiten aus dem laufenden Geschäft (gesunder) Praxen refinanzieren lassen. Der Tierarztbranche fehlen schlicht die Unternehmer. Praxisinhaber suchen eine Exit-Strategie.

Für Investoren eine dankbare Situation. Sie sind vielfach die einzigen potentiellen Käufer. Im Markt der Pferdekliniken aber wird sich zeigen, ob das angelsächsisch geprägte Investorenmodell in einem Umfeld funktioniert, das gerade in Deutschland auch auf einem oft sehr persönlichen Arzt-Patienten-Verhältnis basiert. Bei Pferden ist die Bindung der Tierbesitzer an „ihren“ Arzt noch einmal höher als bei Kleintierüberweisungskliniken. Der „Wert“ eines Standortes hängt hier oft am Namen des Chefs.
Zwar arbeiten die Altinhaber – so sehen es die Übernahmeverträge in der Regel vor – noch einige Jahre als Geschäftsführer aktiv im Unternehmen mit. Doch deren Ausstieg ist sicher. Die Investoren müssen also nicht nur betriebswirtschaftlich steuern, sondern auch das „Image“ auf neue Köpfe übertragen und diese dann als Angestellte langfristig an sich binden – oder rechtzeitig weiter verkaufen.

Klinik/Praxisketten und ihre Standorte in Deutschland:

  • AniCura: 26 StandorteÜbersicht hier – AniCura gehört mehrheitlich dem schwedischen Investmentfonds NordicCapital und betreibt europaweit rund 180 Tierarztpraxen/kliniken
  • Evidensia: 9 StandorteÜbersicht hier – Evidensia gehört mehrheitlich dem schwedischen Investmentfonds EQT und wurde von diesem mit der britischen Praxiskette IVC verschmolzen. Mit über 500 Standorten bilden sie die europaweit größte Tierarztgruppe.
  • Smartvet: 20 StandorteÜbersicht hier – Smartvet ist die „älteste“ Kette im deutschen Markt, gegründet und geführt vom Tierarzt Olaf Thamm.
  • Activet: 3 StandorteÜbersicht hier – Activet gehört zur Fressnapf-Gruppe und betreibt/plant nur Tierarzpraxen in Fressnapf-Fachmärkten für Heimtierbedarf.
  • Altano: 2 StandorteWebseite noch nicht aktiv – Altano hat sich auf Pferdepraxen/kliniken spezialisiert und gehört zu 81 Prozent der Schweizer Investorengruppe Ufenau Capital Partners
  • Vetmeda: Bisher keine Standorte – die Vetmeda Gründer kommen aus dem Umfeld der TVD-Finanz/TVD-Consult

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Die Webseite der Altano-Gruppe enthält bislang (Stand 20.11.2017) nur einen Begrüßungstext. (Foto: screenshot Altano-Webseite)

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Über den Autor

Jörg Held

Jörg Held (jh) ist Journalist, Kommunikationswirt und Redaktionsberater mit 30 Jahren Berufserfahrung. Seit 2007 auch im Bereich Tiermedizin unterwegs, davon 5 Jahre als Redaktionsleiter der VETimpulse. Auch bei wir-sind-tierarzt.de leitet er die Redaktion und ist schwerpunktmäßig für berufspolitische Themen und die Nachrichten verantwortlich. Kontakt: joerg.held(at)wir-sind-tierarzt.de
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