Die Tierärzte entscheiden über den Antibiotikaeinsatz, betont das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einem aktualisierten Papier zu den Auswirkungen des Medikamenteneinsatzes in der Nutztierhaltung: Es gebe einen Mengenrückgang, die Tierärzte zeigten aber auch ein „verändertes Verordnungsverhalten“. Damit spielt das BfR an auf eine Verschiebung hin zu sogenannten kritischen Wirkstoffen.
von Jörg Held
Auf 13 Fragen zum Thema Antibiotika in der Nutztierhaltung – von der eingesetzten Antibiotikamenge bis zu Medikamentenrückständen im Fleisch – antwortet das Bundesinstitut für Risikobewertung sachlich und unaufgeregt unter Angabe zahlreicher weiterführender Quellen.
So stellt das BfR schnörkellos fest: „Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung begünstigt die Resistenzentwicklung und Ausbreitung von Bakterien mit Resistenzen. … Es lässt sich aber bisher nicht abschätzen, in welchem Umfang dieser Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Resistenzproblematik in der Humanmedizin beiträgt.“
Deshalb erwartet das BfR von den Tierärzten, den „Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung auf das unbedingt therapeutisch notwendige Maß zu begrenzen“. Dabei sollten Anstrengungen im Vordergrund stehen, die Tiere gesund zu erhalten, damit Behandlungen erst gar nicht erforderlich werden.
Tierärzte entscheiden über Medikamenteneinsatz
„Die Entscheidung über die Anwendung von Tierarzneimitteln liegt in jedem Einzelfall bei dem Tierarzt, der den Tierbestand betreut oder vom Landwirt mit der Behandlung von kranken Tieren beauftragt wird,“ hält das BfR dazu fest.
Dass die eingesetzte Menge an Antibiotika von 1.706 Tonnen (t) seit 2011 auf etwa 1.238 t im Jahr 2014 zurückgegangen ist, erkennt das BfR an. Es stellt aber auch fest: „Lediglich bei den Gruppen Cephalosporine der 3. und 4. Generation und bei den Fluorchinolonen sind die Mengen im Vergleich zu 2011 nicht wesentlich zurückgegangen bzw. für die Fluorchinolone sogar angestiegen. Dies ist aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Substanzgruppen für die Humanmedizin als kritisch zu bewerten.“ (Anm.d.Red.: Dies sind die in der politischen Debatte als „Reserveantibiotika“ bezeichneten Wirkstoffe – das BfR selbst verwendet diesen Begriff nicht und verweist auf eine WHO-Liste der für die Human- und Veterinärtherapie besonders wichtigen Wirkstoffe.)
Auch im BfR-Forschungsprojekt VetCAb-Sentinel (Veterinary Consumption of Antibiotics) sei die Anzahl der Tage, an denen Mastschweine antibiotisch behandelt wurden gesunken: Von etwa fünf Tagen pro Stallplatz und Halbjahr im Jahr 2011 auf etwa einen Tag pro Stallplatz und Halbjahr im Jahr 2014.
Das BfR konstatiert: „Die Daten zeigen, dass es bezüglich Antibiotika eine Veränderung im Verordnungsverhalten der deutschen Tierärzte gegeben hat. Welche Faktoren zu dieser Veränderung geführt haben, soll in den kommenden Jahren untersucht werden.“
Risiken für den Menschen
Es ist davon auszugehen, dass der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung zur Resistenzentwicklung und insbesondere zur Ausbreitung von resistenten Keimen beiträgt, hält das BfR fest. Studienergebnisse zeigten, dass im Stall nachgewiesene Erreger entlang der Lebensmittelkette verschleppt würden und über belastetes Fleisch auch in Privathaushalte gelangen könnten. „Es liegen allerdings bisher keine gesicherten Analysen vor, welchen Anteil der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung an der Verbreitung von Resistenzen beim Menschen hat.“ Auch gebe es derzeit keine belastbaren Zahlen zum Antibiotikaeinsatz in der ökologischen Tierhaltung.
Das Fazit des BfR zu möglichen Antibiotikarückständen im Fleisch lautet: „Das gesundheitliche Risiko für Verbraucher durch den Verzehr von Lebensmitteln ist im Hinblick auf Arzneimittelrückstände gering.“