Parallel zur heute in Kraft tretenden „Herkunftskennzeichnung von Fleisch“ hat die EU eine zweite Eilverordnung auf den Weg gebracht: Die Kennzeichnung von Tieren in Freilandhaltungen. Alarmiert von Meldungen, dass immer mehr freilaufende Tiere im Verkehr gefährdet sind, will die EU-Kommission damit unnötiges Tierleid vermeiden und für deutlich mehr Sicherheit auf Europas Straßen sorgen.
Hintergrund der EU-Vorschriften ist der eindeutige gesellschaftliche Trend, für immer mehr Tiere Freilandhaltung zu fordern. Insbesondere Geflügel, aber auch Rinder entweichen allerdings häufig aus den Gehegen. Die verpflichtende Kennzeichnung aller im Freiland gehaltenen Tiere soll mit Reflektoren in rot, gelb oder orange erfolgen, die der DIN EN 471:2003+A1:2007 bzw. der EN ISO 20471:2013 entsprechen. Behornte Rinder müssen reflektierende Hornspitzen-Schutzkappen tragen. Die Regelung tritt ab sofort in Kraft, Tierhalter haben aber eine Umsetzungsfrist bis 31.12.2015.
Niedersachsen führt sofort Kennzeichnungsprämie ein
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Die Grünen), bekannt für eine sehr schnelle und konkrete Auslegung allgemein gehaltener Beschlüsse, kündigte an, auf jeden Fall schneller als jedwede EU-Eilverordnung zu sein. Er werde sofort Mittel aus der zweiten Säule der EU-Landwirtschaftsprämien umwidmen: „Ergänzend zu der von meinem Ministerium bereits erfolgreich ausgelobten Ringelschwanzprämie, werden wir noch vor den Sommerferien eine sogenannte „Bimmelbandprämie“einführen (siehe auch Bayern-Vorstoß unten).“ Mit dieser Förderung könnten die Landwirte Millionen von freilaufenden Tieren in den viehdichten Massentierhaltungsregionen kennzeichnen, bevor die nächste Reisewelle über sein Bundesland hereinbreche. Bevorzugt gefördert würden Tierhaltungen entlang der Bundesstraßen sowie der Autobahnen A1 und dem Friesenspieß A31. Pro DIN-konformen Reflektor erhielten die Landwirte einen Zuschuss von 2,5 Cent für Huhn oder Pute sowie 29 Cent für behornte Rinder.
Zustimmender Protest aus Bayern
Grundsätzlich begrüße man den EU-Vorschlag zur Kennzeichnungspflicht für freilaufende Tiere, ließ auch Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner mitteilen: „Hia san mia Bayern seit Jahrhunderten Vorreiter,“ betonte der Minister und verwies auf die Kuhglocken. Das ist aber zugleich Grund für einen Protest. Brunner fordert unverzüglich einen „EU-Herkunftsschutz für Kuhglocken als regionale Kennzeichnungsspezialität“. Diese wären – ergänzt um eine reflektierende Beschichtung – verpflichtend und bevorzugt deutschlandweit einzusetzen. Alle minderwertigen reflektierenden Plastik-Produkte seien mit einen Heimatschutz-Einfuhrzoll zu belegen, mit dem die Kuhglockenproduktion in der Hochlohnregion rund um Garmisch-Partenkirchen subventioniert werden solle. Dann könne man auch für Hühner ab 400 Gramm kleinere Glocken produzieren und diese zur Pflicht erklären.
Hessen wartet Wirtschaftlichkeitsbrechnung ab
Hessens Grüne Umweltministerin Priska Hinz reagiert dagegen auf den EU-Vorstoß ähnlich präzise wie schon beim Verbot des Kükentötens. Sie kündigte einen Erlass zum „Verbot ungekennzeichneter Freilandhaltungstiere“ an, der unverzüglich in dem Moment sofort in Kraft trete, wenn das ganze wirtschaftlich sei. Auf wir-sind-tierarzt-Nachfrage, welche ökonomische Messgröße dieser Wirtschaftlichkeit zugrunde läge, erwiderte die Pressestelle, dass dies der öffentliche und mediale Empörungsgrad sei. Steige der an, würden auch die Forderungen der Ministerin verbindlicher.
Vergleichbarer Vorschlag bereits 2014 gescheitert
Vorbild für die EU-Eilverordnung ist die in Deutschland zum 1. Juli 2014 eingeführte allgemeine Warnwestenpflicht für Autofahrer.
Ein vergleichbarer deutscher Vorstoß im Jahr 2014, eine entsprechende Schutzvorschrift für Rehe, Rot- und Damwild einzuführen, scheiterte allerdings. Für die Idee von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt konnte man damals keinen Kostenträger dazu verpflichten, die Westen für das herrenlose Wild zu finanzieren. Für Landwirte ist es es dagegen üblich, die aus EU-Auflagen entstehenden Kosten zu übernehmen.