Um Tieren Schmerzen zu ersparen sind in der Kleintiermedizin mindestens eines, oft auch mehrere Schmerzmittel üblich. Ferkelkastration ohne Betäubung, wird ab 2019 verboten. Und beim Hengst soll alles anders sein?
von Henrik Hofmann
Kastrationen sind beim Pferd die am häufigsten durchgeführten Operationen: In Europa werden pro Jahr rund 240.000 Hengste kastriert – ein unumstritten schmerzhafter Eingriff. Doch der Einsatz von Schmerzmitteln ist dabei keineswegs Routine. Im Gegenteil: Einer britischen Umfrage unter Tierärzten zufolge werden nur bei 37 Prozent der Kastrationen Schmerzmittel eingesetzt. Tatsächlich gibt es weltweit kaum gesetzliche Verpflichtungen zur Verabreichung von Schmerzmitteln und auch keine konkrete Empfehlungen, wie eine postoperative Schmerztherapie auszusehen hat.
„Die Anästhesie der Samenstränge beim Hengst ist technisch einfach, auch unter ,Feldbedingungen‘ problemlos durchzuführen und obendrein kostengünstig. Eine Etablierung als Routinemaßnahme wäre im Sinne des Tierschutzes wünschenswert.“
Dirk Lebelt, Fachtierarzt für Pferde
Schmerzen messen

Schmerzeinstufung anhand des „Gesichtsausdrucks“. (© Vortrag D. Lebelt/Pferdeklinik Havelland)

Modifizierter Composite Pain Scale für Pferde. (© Vortrag D. Lebelt/Pferdeklinik Havelland)
Dabei sind die Folgen einer Kastration nicht zu unterschätzen. Knapp 28 Prozent der Pferde leiden post-OP an exzessiven Ödemen, sechs Prozent an Fieber und Infektion, zweieinhalb Prozent an exzessiven Blutungen und ein Hengst von hundert lahmt nach dem Eingriff.
Dirk Lebelt, Fachtierarzt für Pferde und Verhaltenskunde von der Pferdeklinik Havelland, berichtete auf dem bpt-Kongress in München, dass das EU-geförderte Tierschutzprojekt „Animal Wellfare Indikators“ unterschiedliche Methoden zur objektiven Schmerzmessung wissenschaftlich überprüft hat. Dabei wurden peri- und postoperative Anästhesieverfahren im Zusammenhang mit der Hengstkastration in Vollnarkose auf ihre schmerzreduzierende Wirksamkeit hin bewertet. Basis sind dabei modifizierte Composite Pain Scales und eines neu entwickelten Facal Expression Pain Scales und Herzfrequenzanalyse (s. Bilder – weiterführende Informationen s. Quellen unten).
Empfehlung: Lokal und systemisch anästhesieren
- Obwohl bei keinem der untersuchten Pferde postoperativ Komplikationen auftraten, zeigten die untersuchten Pferde trotz Schmerzmedikation mit Flunixin-Meglumin in den ersten 20 Stunden post OP Schmerzen.
- Bei den Pferden hingegen, die unmittelbar vor dem Eingriff eine Lokalanästhesie mit Mepivacain und einmalig Flunixin-Meglumin erhielten, wurde zu keinem Zeitpunkt eine signifikante Schmerzreaktion festgestellt. Und das auch noch 20 Stunden nach der Kastration.
Leider wurden die Pferde nicht lange nach der Operation weiter untersucht. Dirk Lebelt regt an, vor allem bei Schwellungen noch drei bis vier Tage nach der Kastration NSAIDs zu verabreichen.