Anerkennung, Mitsprache und Freizeit – nicht nur in der Tiermedizin hat sich das Verhältnis der jungen Kollegen zur Arbeit geändert. Eine Umfrage der Hessischen Ärztekammer zeigt, was sie wollen.
von Henrik Hofmann
Anfangsassistenten klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Doch die gegenwärtige Arbeitsmarktsituation arbeitet für sie: Der viel beklagte (Tier-)Ärztemangel erlaubt den jungen Kollegen zusehends ihre Vorstellungen vom Beruf und den Rahmenbedingungen einzufordern.
Nachwuchssorgen auch in der Humanmedizin
Die Landesärztekammer Hessen hat untersucht, welche Motive und Pläne die Medizinabsolventen heute tatsächlich haben. Und ob die Befürchtungen berechtigt sind, dass immer weniger Jungmediziner nach Abschluss des Studiums den ärztlichen Beruf auch ergreifen möchten. Hintergrund ist, dass die Humankollegen Nachwuchssorgen haben. Sie sehen da einen Zusammenhang zur sogenannten Generation-Y. Mit diesem Begriff bezeichnet die Soziologie die um 1980 Geborenen: Sie gelten allgemein als selbstbewusst, flexibel – jedoch oft auch orientierungslos und sprunghaft.
Berufsflüchtlinge nach hartem Studium
Außerdem gehen etliche Ärzte nach Studienabschluss nicht in den Beruf. Eine Thematik, die auch die Tiermedizin kennt: Die Bundestierärztekammer sieht eine hohe Dunkelziffer bei berufsfremd arbeitenden Tierärzten. Human- und Tiermedizin eint, dass deutlich mehr Frauen als Männer beide Berufe studieren und dass Frauen den Beruf überwiegend aus immateriellen Gründen wählen. Der Anteil der Frauen, die lieber angestellt als selbständig arbeiten wollen, ist um ein Vielfaches höher als bei den Männern (siehe auch: Tiermedizin wird weiblich).
Was junge Ärzte wollen
Generell verändern sich die Vorstellungen und Erwartungen an den ärztlichen Beruf – nicht zuletzt durch dessen rasche Wandlung zum Frauenberuf. Was Männer und Frauen gemeinsam haben: Der Wunsch nach einer interessanten und vielseitigen Tätigkeit und guten Arbeitsbedingungen, wie beispielsweise Einhaltung der Arbeitszeiten, ist den Medizinstudierenden für ihren späteren Arbeitsplatz sehr wichtig. Eine Befragung von Medizinstudium-Absolventen (2009-2014) nach den Kriterien für ihre Arbeitsplatzwahl ergab folgende Zahlen:
Keine strengen Hierarchien
Über Interviews mit jungen Ärzten zu ihren Erwartungen berichtet die Ärztezeitung. So würden strenge Hierarchien heute nicht mehr akzeptiert. „Probleme werden offen angesprochen und Lösungen gefordert.“ Das Gespräch müsse dabei auf Augenhöhe erfolgen – eine Forderung, die auch in der Weiterbildung wichtig sein kann.
Dieses selbstbewusste Verhalten könne zu „Spannungen zwischen den Generationen führen“, beobachten die Studienautoren. Ältere Generation zeigten sich oft verwundert über das Auftreten der jüngeren. Ein Problem, dass auch die Weiterbildung beträfe. Jungmediziner und erfahrene Weiterbilder sollten jeweils offen kommunizieren und den Blick für die andere Generation schärfen.
Privates und berufliches vereinbaren
Essenziell für die Berufszufriedenheit der jungen Ärzte sei außerdem die bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. „Ein Arzt kann nur wirklich gute Arbeit leisten, wenn er genügend Zeit hat, sich zu regenerieren“, gab im Interview etwa eine Fachärztin für Allgemeinmedizin zu bedenken.
Flexible Arbeitszeiten und Teilzeit-Modelle
Fazit der Landesärztekammer: „Die Befürchtung, dass die Motivation für den Arztberuf nachlässt und deshalb eine hohe Zahl an jungen Ärzten das deutsche Gesundheitssystem verlassen will, bestätigt sich nicht. Allerdings verändern sich die Vorstellungen und Erwartungen in Bezug auf den ärztlichen Beruf – nicht zuletzt durch dessen rasche Wandlung zum Frauenberuf.“ Auch deshalb würden flexible Arbeitszeiten und Teilzeit-Modelle gefordert.