Dass Tierärzte gefährlich leben, ist keine neue Erkenntnis. Dass gleich jeder zweite Nutztierpraktiker in den letzten zwölf Monaten von seinen Patienten einmal verletzt wurde, überrascht aber schon. Die Zahl stammt aus einer Tierarzt-Umfrage in Großbritannien. Immerhin fast jeder fünfte sah sich sogar „ziemlich“ oder „sehr schwer“ verletzt.
(aw/BVA) – Eine offizielle Unfallstatistik für Tiermediziner, die nach Klientel unterscheidet, gibt es allerdings in den meisten Ländern nicht. So besteht in Deutschland zwar für angestellte Tiermediziner Versicherungspflicht bei der Berufsgenossenschaft (BGW). Den Praxisinhabern ist die Versicherung bei der BGW aber freigestellt. Entsprechend sei die Unfallstatistik wenig repräsentativ, räumt die BGW auf Nachfrage ein. Hund und Katze stehen als Verletzungsverursacher hier mit 58 Prozent an der Spitze, gefolgt von Pferden (13%): Rinder führt die deutsche Statistik (als einzige Nutztiere) mit 3,7 Prozent auf Platz fünf (Zahlen 2008 bis 2012.
In den USA werden dagegen jedes Jahr mindestens 20 Personen von Rindern getötet (und nur ein Mensch durch eine Haiattacke), allerdings unterscheidet diese Opferstatistik nicht nach Berufen.
85 Prozent Trittverletzungen
In Großbritannien hat die Tierärztekammer (BVA = British Veterinary Association) im Frühjahr 2015 ihre Mitglieder nach berufsbedingten Verletzungen befragt und kam bei den Großtierärzten zu einem alarmierenden Ergebnis: Rund 53 Prozent wurden demnach in den vergangenen zwölf Monaten bei der Arbeit verletzt. 18,8 Prozent dieser Tierärzte beschrieben ihre Verletzung als „ziemlich“ oder „sehr“ schwer. In erster Linie (85 Prozent) waren es Trittverletzungen am Körper oder Kopf ohne Frakturen. Von Frakturen, offenen Wunden und Quetschungen berichten die Kollegen in den verbleibenden Fällen.
Allerdings lassen einige Fallbeschreibungen (Beim Kastrieren vom Kalb getreten / von hinten von einem Bullen umgerannt) auch darauf schließen, dass manches mal Unachtsamkeit im Spiel war.
Leitfaden zur Vorbeugung
Als Reaktion hat die BVA einen – leider nur für BVA-Mitglieder zugänglichen – Leitfaden erstellt, mit dem sie Unfallrisiken minimieren will. Er enthält eine Liste mit möglichen Schwachstellen bei der Arbeit mit (Nutz)Tieren, Vorschläge, wie sich Gefahrenstellen mit Hilfe des Landwirtes entschärfen lassen und eine Übersicht über die Dinge, die zu beachten sind, wenn es doch zu einem Unfall kommt.
Für angestellte Tierärzte befindet sich zusätzlich eine Auflistung möglicher Gefahrenquellen in dem Papier und Anregungen, wie Farmbesuche im Vorfeld sicherer gestaltet werden können.
Für die Landwirte hat die BVA ein kurzes, eigenes Merkblatt aufgelegt. Es soll Tierärzten erleichtern, die Tierhalter auf ihre Pflicht hinzuweisen, dass sie dem Veterinär den Umgang und die Behandlung von Tieren möglichst ohne Risiko Behandler ermöglichen müssen. Ausführlich informiert dann eine offizielle Risikoinformation der Regierung zur Sicherheit im Agrarbetrieb über die Maßnahmen (PDF-Download).
Unfälle sind vermeidbar
So betont den BVA-Präsident John Blackwell auch, dass viele Unfälle vermeidbar wären, wenn sowohl Tierbesitzer als auch Tierärzte das Unfallrisiko besser einschätzen würden. Er hofft, dass die neuen Merkblätter dazu beitragen, das Risikobewusstsein aller Beteiligten zu schärfen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.