„Vorsicht vor dem Hunde! – Auch im Freien und im Haus gehaltene Tiere können resistente Keime in sich tragen, wenn Sie oft zum Tierarzt gehen“. Das stimmt zum Teil – sie können, müssen aber nicht – und so absolut formuliert ist es dennoch Panikmache. Schade, dass eine kurze, Aufmerksamkeit heischende Zeitungsüberschrift soviel Unsicherheit auslösen kann.
ein Kommentar von Henrik Hofmann
Ja, es gibt inzwischen Tierhalter, die fürchten den Tierarztbesuch und auch den Kontakt mit dem eigenen Hund. Der FAZ-Artikel mit der reißerischen Überschrift steht einige Tage im Netz und ist schon heißdiskutiertes Thema. „Muss ich mir Sorgen machen?“, fragen die einen. „Alles total überdreht“, finden die anderen.
Tiere küssen taugt nicht
Der bpt hat also Recht, wenn er vor „Panikmache“ warnt und die Überschrift als reißerisch und sinnentstellend betitelt. Wer sein Haustier wie ein Haustier behandelt und es nicht im eigenen Bett schlafen lässt oder abküsst, hat wenig zu befürchten. Doch es gilt auch:
- Ja, Tiere tragen Keime. Menschen übrigens auch.
- Nein, nicht jeder Keimkontakt ist für den Menschen gefährlich.
- Ja, in Tierarztpraxen/kliniken – wie auch im Krankenhaus – ist das Keimrisiko zunächst höher, weil eben auch mehr kranke Tiere hierhin kommen. Deshalb achten wir ja auf eine vernünftige Hygiene.
- Nein, Tiere die oft zum Arzt gehen, sind (danach) nicht kränker. Sie sind gesünder, sonst machen wir unseren Job nicht gut.
Eine Altenpflegerin hat das Thema in den sozialen Netzwerken aus meiner Sicht sehr gut kommentiert:
„Ich selbst arbeite fast TÄGLICH mit Patienten mit MRSA, 3+4 MRGN, ESBL….UND ??? NICHTS….!!!!! Ich und meine Arbeitskollegen sind völlig gesund! Diese Keime besiedeln (und besiedelten!) uns fast alle schon immer und ebenso fast überall. Für gesunde Lebewesen sind sie ungefährlich!“
Was für Altenpfleger gilt, gilt auch für Tierärzte: Auch wir sind eine Risikogruppe. Für viele Krankheiten. Vor etlichen Jahren habe ich mich auf so ziemlich jede übertragbare Krankheit untersuchen lasen: Das Ergebnis: Nichts!
Mindestmaß an Hygiene ist nötig
Dem muss ich eigentlich nichts hinzufügen: Es gilt halt einfach im Umgang mit Tieren, Menschen und Krankenhäusern ein Mindestmaß an Hygiene einzuhalten und das eigene Risiko zu kennen. Denn unterschätzen sollte man die resistenten Keime natürlich nicht – weder in der Human- noch in der Tiermedizin.
Für Alte, Kranke, kleine Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sind alle Keime riskant, nicht nur die Resistenten. Und wer eine offene Wunde hat, sollte seinen Hund nicht drüberlecken lassen. Und hat der Hund eine Wunde, sollte man diese mit umbehandschuhten Fingern nicht anfassen. Aber das halte ich eigentlich für selbstverständlich. Dafür braucht es keine warnenden Zeitungsmeldungen.
Es gibt keine Sagrotan-Welt
Mein Fazit: Nehmt das Thema ernst, redet mit den Tierbesitzern offen und ehrlich, verharmlost nichts. Aber macht den Menschen auch klar, dass es nie eine keimfreie Sagrotan-Welt gab und geben wird. Tatsächlich hat man Resistenzgene in Millionen Jahren alten Bodenproben gefunden – resistent gegen moderne Antibiotika. Ausgestorben ist die Menschheit trotzdem nicht.
Dieser Kommentar bezieht sich auf diesen Artikel auf wir-sind-tierarzt.de und diesen Artikel in der FAZ