bpt sieht Panikmache bei Antibio­tika­resistenzen

(jh) – „Vorsicht vor dem Hunde! – Auch im Freien und im Haus gehaltene Tiere können resistente Keime in sich tragen, wenn Sie oft zum Tierarzt gehen“. Diese Überschrift eines FAZ-Artikels ärgert den bpt, denn sie unterstelle, dass sich Tiere beim Tierarzt mit multiresistenten Keimen infizieren. Werden Tiere jetzt deshalb womöglich zu spät behandelt?

Hintergrund das FAZ-Artikels ist der GERM-Vet-Resistenzbericht, den das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) letzte Woche veröffentlichte. Auch wir-sind-tierarzt.de hat die Meldung dazu überschrieben mit: „BVL: MRSA am häufigsten beim Hund.“ Die Aussage basiert auf einem Satz in der zugehörigen BVL-Pressemeldung, die bei Hunden in 55 Prozent der – allerdings nur 25 untersuchten – Proben MRSA nachweisen konnte.

FAZ-Artikel beschreibt Resistenzthema sachlich

Der FAZ-Artikel greift diesen Sachverhalt auf und ordnet ihn in die gesamte Resistenzdebatte ein. Autor Jan Grossarth schreibt etwa, dass viele Resistenzen in der Landwirtschaft entstehen, weit mehr aber noch in Humankliniken (5 zu 95 Prozent/Quelle BfR). Er warnt davor, sich bei dem komplexen und schwer durchschaubaren Thema auf einen Hauptschuldigen festzulegen. Die Überschrift fällt allerdings dramatisierender aus: „Vorsicht vor dem Hunde!“

Überschrift suggeriert Praxen als Keimschleudern

bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz

bpt-Präsident Dr. Hans-Joachim Götz (© bpt)

Das ärgert den Bundesverband Praktizierender Tierärzte: Die FAZ betitele „einen überwiegend sachlichen Beitrag nahezu ohne Bezug zum Inhalt reißerisch und sinnentstellt. Das ist nicht nachvollziehbar“, kritisiert Präsident Dr. Hans-Joachim Götz. Hundebesitzern werde damit suggeriert, die Tierarztpraxis stelle eine Gefahr dar, ein Haustier mit multiresistenten Staphylokokken (MRSA) zu infizieren.

Tier aus Angst zu spät behandelt

Die Sorge des bpt: Eine solche Berichterstattung könne dazu führen, „dass Erkrankungen bei Hunden zu spät oder schlimmstenfalls gar nicht mehr behandelt werden, weil sich die Besitzer scheuen, mit ihrem Tier rechtzeitig zum Tierarzt zu gehen“. Zu allem Überfluss werde die Fehlinformation von Titel und Bildunterschrift komplettiert durch die Angabe im Artikel: 55 Prozent der untersuchten rund 2.500 Stichproben enthielten MRSA von Hunden. Ein Trend nach oben sei zu beobachten.
Diese Zahlen stellt die FAZ allerdings so nicht direkt gegenüber, sie nennt aber auch nicht die tatsächliche Zahl untersuchten Proben vom Hund.

Nur 25 Proben vom Hund

Defacto stammen von den im BVL-Resistenzbericht im Rahmen der Gesamtuntersuchung ausgewerteten 2.438 Stichproben nur 25 aus Hautinfektionen von Hunden. Bei rund 14 davon fanden sich MRSA. Die im Artikel angegebenen 55 Prozent beziehen sich also lediglich auf 25 Proben, hält der bpt fest. Deshalb weise der Resistenzbericht auch explizit darauf hin, dass aufgrund der geringen Anzahl der untersuchten Proben kaum gesicherte Aussagen zu Veränderungen im Resistenzverhalten möglich wären.

Resistenzen: Sind immer die Tiere schuld?

„Fast hat es den Anschein, als beabsichtige man die Öffentlichkeit hinsichtlich ihrer Risikowahrnehmung jetzt in eine andere Richtung zu lenken“, mutmaßt Götz. Wurde doch gerade erst zu Anfang des Jahres durch eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung festgestellt, dass deutsche Verbraucher entgegen der Realität mehrheitlich die Nutztierhaltung als Ursache für Antibiotikaresistenzen ansehen und die Frage aufgeworfen, ob dies medial beeinflusst sei. Folgt jetzt ein Schwenk zum Hobbytier?
Tatsache sei, dass die Häufigkeit bakterieller Krankheitserreger mit einer Resistenz gegen Antibiotika in den letzten 20 Jahren weltweit deutlich zugenommen hat. Überall dort, wo Antibiotika angewendet werden, kann es zur Selektion bereits bestehender Resistenzen kommen und neue Resistenzmechanismen können begünstigt werden. Human- und Veterinärmedizin sind gleichermaßen betroffen und folglich alle Menschen und alle Tiere.

Die vollständige bpt-Pressemeldung finden Sie hier

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