Tote Bienen: Vergiftung oder Virusinfektion?

Bei schwarzsüchtigen Bienen gibt erst ein Test Gewissheit, ob ein Befall durch das Chronische Bienenparalyse Virus (CBPV) vorliegt. (Foto: © ages)

Die öffentliche Debatte über Insektensterben und Artenvielfalt hat in Deutschland das Interesse an Bienen und der Imkerei geweckt. Dabei werden immer öfter Pflanzenschutzmittel für die Völkerverluste verantwortlich gemacht. Aber es gibt auch Virusinfektionen mit vergleichbarer Symptomatik. 

(aw) – Für plötzlich auftretende hohe Verluste in Bienenvölkern, werden oft Pflanzenschutzmittel verantwortlich gemacht (was dann zur Beweissicherung nötig ist, lesen Sie am Artikelende). Doch wenn sich tote oder flugunfähige Bienen vor dem Flugloch häufen oder die Bienen ein verändertes Verhalten zeigen, können auch Viruserkrankungen der Auslöser sein.

Chronische Bienenparalyse (ansteckende Schwarzsucht / CBPV)

Die chronische Bienenparalyse wird durch das chronische Paralysevirus (CBPV) ausgelöst. Die Infektion wird in der Regel oral (z.B. über Speichel) übertragen und das Virus vermehrt sich dann im Gewebe der Bienen, unter anderem im Gehirn und den Nervenknoten. Auch Tracheenmilben können die Infektion übertragen, doch diese treten kaum noch auf, wenn man die Völker regelmäßig gegen die Varroamilbe behandelt.

Ganz typisch für die Bienenparalyse ist der Haarverlust. Dadurch wirken die Bienen deutlich kleiner als gesunde Bienen und sind außerdem komplett schwarz. Die Wächterbienen am Flugloch erkennen die betroffenen Tiere aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht mehr und lassen sie somit nicht in den Stock (Beute). Daher sammeln sich erkrankte Bienen vor dem Flugloch. Neben der Haarlosigkeit leiden die Bienen an unkoordinierten Bewegungen. Sie sind flugunfähig, zittern und zucken mit den Gliedmaßen, zeigen Lähmungen und Dysenterie. Ein typisches Anzeichen ist außerdem der ausgestreckte Rüssel. Erkrankte Bienen sterben innerhalb weniger Tage und liegen dann in großer Zahl vor dem Flugloch.

Die Diagnose kann sowohl makroskopisch (Biene auseinanderziehen) als auch über eine PCR erfolgen. Eine spezielle Therapie gibt es nicht. Durch imkerliche Maßnahmen muss das Volk wieder gestärkt werden, etwa mit Hilfe einer Reizfütterung bei Trachtlosigkeit oder über die Aktivierung natürlicher Abwehrkräfte.

Die chronische Bienenparalyse nimmt in Deutschland seit Jahren zu, wobei die Ausbreitung von Westen nach Osten voranschreitet, von Baden-Württemberg ausgehend breitet sie sich massiv in Hessen und Bayern aus.

Sowohl chronische Bienenparalyse als auch Vergiftungen durch Pflanzenschutzmittel treten in den Sommermonaten auf. Ist an einem Standort aber nur eines von mehreren Völkern betroffen, so spricht dies eher für Bienenparalyse und nicht für eine Vergiftung.

Akute Bienenparalyse (Akutes Paralyse Virus / APV)

Neben dem chronischen Paralysevirus gibt es das akute Paralysevirus, das zur Familie der Dicistroviridae gehört. Es können Bienen aller Altersstufen und auch Hummel erkranken. Weil die Varroamilben das Virus übertragen (Vektor), begünstigt hoher Varroadruck den Ausbruch der Erkrankung. Eine orale Übertragung durch Speichel oder Kot ist ebenfalls möglich. Die Krankheit verläuft schneller als beim chronischen Paralysevirus und die Bienen sterben bereits nach zwei bis drei Tagen. Bei adulten Bienen äußert sich die Erkrankung ebenfalls durch Zittern von Flügeln und Körper sowie Lähmungserscheinungen. In der Brut kommt es zum Absterben der Puppen.

Bienenvergiftungen durch Insektizide

Vergiftungen werden in der Regel durch Insektizide verursacht, die in der Landwirtschaft, dem Obstbau oder in öffentlichen und privaten Gartenanlagen eingesetzt werden. Pflanzenschutzmittel unterliegen einer Klassifizierung von B1 = bienengefährlich bis B4 = nicht bienengefährlich. Es gibt jeweils  Vorgaben für den Umgang und Einsatz (Pflanzenschutzgesetz, Bienenschutzverordnung).
Eine fehlerhafte Anwendung kann dazu führen, dass eine eigentlich bienenungefährliche Substanz trotzdem gefährlich ist. Das ist der Fall, wenn …

  • … ein falsches Mischungsverhältnis gewählt wurde.
  • … verschiedene Wirkstoffe gemischt werden, für die keine gemeinsame Prüfung durchgeführt wurde
  • oder sie einfach bei der Ausbringung falsche angewendet wurden (z.B. niemals bei Sonnenschein).

Bei Vergiftungen unterscheidet man drei Phasen:

  • Die Latenzphase (von Giftaufnahme bis zum Beginn der Symptome),
  • die Erregungsphase (Bienen sind aggressiv)
  • und die Vergiftungsphase (Krämpfe, Seitenlage, Atemlähmung, Tod).

Das Krankheitsbild ähnelt also dem der Bienenparalyse. Eventuell sterben die Bienen aber bereits während des Fluges, sodass kaum tote Bienen im Bereich der Beute und vor dem Flugloch liegen. Auffällig ist in solchen Fällen, dass im Volk kaum noch Flugbienen vorhanden sind.

Vergiftungen führen in der Regel nicht zu kompletten Völkerverlusten, sondern nur zu einer Schwächung der Völker. Fehlen die Flugbienen, versucht das Volk die Verluste auszugleichen; Stockbienen werden schneller erwachsen. Ein weiterer Mechanismus ist die Verkleinerung des Brutnestes (Brut wird aus dem Stock geworfen), weil die restlichen Bienen nicht mehr die gesamte Brut ernähren können.

Beweissicherung bei Vergiftungen

Sollte ein Imker den Verdacht haben, dass sich seine Bienen vergiftet haben, muss er schnell handeln – hier finden sie Empfehlungen des Julius-Kühn-Institutes für entsprechende Schritte.
So darf der Imker keinerlei Veränderung im Bereich der Bienenstände vornehmen, sondern muss umgehend den Amtstierarzt oder den Bienengesundheitswart und den zuständigen Pflanzenschutzdienst informieren. Sollten die vorgenannten Institutionen nicht zeitnah reagieren können, ist es auch möglich, die Beweissicherung durch die Polizei durchführen zu lassen. Das ist in dann nötig, wenn der Imker beabsichtigt, den möglichen Verursacher zu verklagen.

Untersuchungen auf Bienenvergiftungen nimmt für alle Bundesländer das Julius-Kühn-Institut in Braunschweig vor. Eingesendet werden müssen mindestens 100 g luftdurchlässig verpackte Bienen (etwa 1.000 Tiere) und mindestens 100 g von dem Pflanzenmaterial, das als Ursache für eine Vergiftung in Frage kommt (wasserdicht verpackt).

Beitragsbild: Bienenmonitoring Österreich © ages

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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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