Was tun gegen subklinischen Kalziummangel bei Milchkühen?

Festliegende Kuh post partum (Foto: © WiSiTiA/aw)

Milchkühe mit hohen Leistungen leiden zu Beginn der Laktation häufig an klinischem oder subklinischem Kalziummangel. Gerade der subklinische Mangel ist tückisch, da die Kühe nicht offensichtlich festliegend sind und so dem Landwirt das Problem unter Umständen nicht auffällt. Was tun?

(aw) – Ein Subklinischer Kalziummangel kann unter anderem Nachgeburtsverhaltungen, Stoffwechselstörungen oder Labmagenverlagerungen verursachen. Und er führt insgesamt auch zu einem  schlechten Start in die Laktation. Derzeit gibt es verschiedene Präparate, die ein postpartales Defizit wirkungsvoll beheben. Sie unterscheiden sich unter anderem in ihrer Darreichungsform: Es gibt Flüssigkeiten, Pulver, Pasten und Boli, die einen subklinischen Kalziummangels ausgleichen können.

Wenn die Fütterung nicht ausreicht

In der Regel erfolgt die Regulierung der Kalziumversorgung über die Fütterung. Während der Trockenstehzeit erhalten die Kühe aber wenig Kalzium. Erst in den letzten Tagen vor der Geburt erhöht man die Zufütterung oder die Tiere bekommen mit ihrer Ration saure Salze. Das soll bewirken, dass die Kuh auch während der Trockenstehzeit Kalzium aus den Knochen mobilisiert. Dieser Mechanismus ist während der Laktation dafür zuständig, dass der Muskulatur ein ausreichender Kalziumspiegel für typische Funktionen zur Verfügung steht.
Da Kühe um die Geburt herum aber häufig schlecht fressen, kann es sein, dass diese Fütterungsmaßnahmen nicht effektiv sind. Saure Salze sind für die Kuh ohnehin wenig schmackhaft, was das Problem der ausreichenden Futteraufnahme zusätzlich verschärfen kann.

Bei gefährdeten Kühe, also solchen, die schon häufiger gekalbt haben, eventuell eine Schwer- oder Zwillingsgeburt hatten oder sofort hohe Milchleistungen erbringen, kann Kalzium gesondert verabreicht werden. Dabei wird es entweder intravenös oder subkutan gespritzt oder als Bolus, Flüssigkeit, Paste oder Kapsel oral eingegeben.

Orale Zusatzgaben

In einer Untersuchung von Juliette Wilms und ihren Kollegen der holländischen Firma Trouw Nutrition, die im Journal of Dairy Science veröffentlicht wurde, wollten diese herausfinden, ob eine orale oder eine intravenöse prophylaktische Kalziumgabe für Kühe, die nach der Geburt nicht festliegen, effektiver ist. Dazu verglichen sie die Blut-Kalziumkonzentrationen im Anschluss an die verschiedenen Kalziumgaben.

Kalziumkonzentrationen im Vollblut von Kühen nach intravenöser und oraler Verabreichung von Kalzium (Juliette Wilms et al., Journal of Dairy Science, 7/2019)

Die Ergebnisse sind nicht verwunderlich (da die beiden Methoden nur bedingt vergleichbar sind):
Bei einer intravenösen Gabe von 12,5 g Kalzium (als Kalziumglukonat, in 450 ml Lösung) steigt die Kalziumkonzentration im Blut der Tiere über den normalen Spiegel an und die Homöostase wird dadurch vorübergehend gestört. Doch nach dieser einmaliger Infusion wird das Kalzium relativ schnell wieder abgebaut.
Ab zehn Stunden nach der Infusion ist der Kalziumspiegel dann niedriger als nach oraler Gabe von 25 Litern Wasser mit 47,7 g Kalzium (als Kalziumcarbonat, -propionat und -formiat). Diese Kalziumtränke von Trouw Nutrition wurde zur freiwilligen Aufnahme angeboten und nie gedrencht.
Erst 60 Stunden nach der Geburt waren im vorliegenden Versuch die Kalziumkonzentrationen bei den Tieren der beiden Gruppen wieder auf einem vergleichbaren Niveau. Einmalige intravenöse Kalziuminfusionen eignen sich daher nach Ansicht der Fütterungsexperten nicht, um einen niedrigen Kalziumspiegel im Blut längerfristig auszugleichen.

Boli, Kapseln und Flüssigkeiten

Neben Infusionslösungen und kalziumhaltigen Tränken kann man Kalzium auch über Flüssigkeiten, Pasten, Boli oder Kapseln verabreichen. Bei den verschiedenen Präparaten sollte auf den Kalziumgehalt geachtet werden, denn dieser ist nicht bei allen Produkten einer Machart automatisch gleich. Teurere Präparate enthalten meistens auch mehr Kalzium. Im Gegensatz zu flüssigen Kalziumpräparaten oder Pasten schlucken die Kühe Boli sofort komplett ab und spucken sie selten wieder aus.

Relativ neu sind große Kapseln, in denen die Inhaltsstoffe in Pulverform vorliegen. Pulver hat den Vorteil, dass auch Wirkstoffe eingemischt werden können, die nicht pressbar sind. Auch werden keine zusätzlichen Presshilfsstoffe benötigt. Empfindliche Inhaltsstoffe wie Vitamine werden in Kapseln schonender verarbeitet als bei der Herstellung von Presslingen.
Die Kapseln schwimmen nach der Eingabe im Pansen auf dem Futterbrei. Nach Auflösung der äußeren Hülle heften sich die Inhaltsstoffe dann gleichmäßig an Verdauungspartikel im Pansen an und werden so weiter transportiert. Wasserlösliche Bestandteile werden schnell aufgenommen und noch in den Vormägen resorbiert. Damit setzt der positive Effekt von Kapseln schneller ein als der von Boli.

Schlüsselfunktion ätherscher Öle

Eine weitere Schlüsselfunktion haben die ätherischen Öle, die Bestandteil des Kapselinhaltes sind. Da Öle schlecht zu pressen sind, kommen sie in der Zusammensetzung herkömmlicher Boli nicht vor. Neuere Untersuchungen haben ergeben, dass die Kalziumresorption beim Wiederkäuer über TRP3-Kanäle erfolgt. Die befinden sich in den Schleimhautzellen des gesamten Verdauungstraktes. Bestimmte ätherische Öle aus Pflanzenextraktion können diese Kanäle zur gesteigerten Kalziumresorption anregen. Daher sind Öle Bestandteil der Kapseln des Erstanbieters.

Langzeiteffekte nur durch orale Eingabe

Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten um einen subklinischen Kalziummangel bei Milchkühen im Anschluss an die Geburt zu beheben:

  • Intravenöse Infusionen sollte aufgrund potentieller Komplikationen (u.a. Herz-Kreislauf-Versagen) am besten ein Tierarzt durchführen. Sie sind aber für einen längerfristigen Ausgleich eines subklinischen Kalziummangels eher ungeeignet. Durch die schnelle Korrektur des Kalziumspiegels über das homöostatische Maß hinaus, sertzt man sie in erster Linie ein, um einen akuten Krankheitszustand zu beheben.
  • Langzeiteffekte erreicht man vor allem durch solche Kalziumpräparate, die der Pansen mikrobiologisch aufschliessen muss. So wird Kalzium nur langsam abgegeben und resorbiert.
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Über den Autor

Annegret Wagner

Dr. Annegret Wagner (aw) hat in Gießen Tiermedizin studiert und arbeitet seit 1991 in der Großtierpraxis; seit 2005 niedergelassen in eigener Praxis mit Schwerpunkt Milchrind im Raum Rosenheim. Seit 2006 arbeitet sie auch als tiermedizinische Fachjournalistin. So hat sie für die VETimpulse die Nutztierthemen betreut und übernimmt diese Aufgabe auch bei wir-sind-tierarzt.de. Um nicht zum Mia-san-mia-Bayer zu mutieren, schaut sie intensiv über den Alpenrand hinaus, vorzugsweise ins englischsprachige Ausland. Kontakt: annegret.wagner(at)wir-sind-tierarzt.de
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