Niedersächsischer Tierärztetag 2019: Wieder ein Kongress mit Rekordbesucherzahl

Volle Hörsäle beim Niedersächsischer Tierärztetag 2019. (Bild: (c) wisitia 2019)Volle Hörsäle beim Niedersächsischen Tierärztetag 2019 (hier Kleintiere). (Foto: © WiSiTiA/hh)

Die tierärztliche Kongresslandschaft verändert sich: Traditionsreiche Anbieter haben aufgegeben. Ein neuer internationaler Messeveranstalter versucht Fuß zu fassen. Dazwischen wollen sich die regionalen Tierärztetage behaupten. Dem Niedersächsischen Tierärztetag 2019 ist das sehr gut gelungen: Er meldet einen unerwartet hohen Besucherrekord bei hochwertigen Vorträgen und vielseitigem Programm. wir-sind-tierarzt mit einem ersten Kongressbericht.

(hh/jh) – Das Kongressmotto „Gemeinsam in die Zukunft“ scheint durch Zahlen belegt: Über 2.200 Fachbesucher und Branchenteilnehmer kamen zum Niedersächsischen Tierärztetag 2019 nach Hannover. Niedersachsens Kammerpräsident Dr. Uwe Tiedemann zeigte sich hoch zufrieden, vor allem über 1.700 tierärztliche Teilnehmer. Schon vor Wochen zeichnete sich bei den Voranmeldungen ab, dass die Veranstaltung erfolgreich sein würde. Mit diesem Rekordbesuch aber hatte man bei der Planung nicht gerechnet.

Vom Andrang überrascht? Langes Schlange stehen bei Minusgraden und leichtem Schneegriesel zum Einlass am Tag 1 des Niedersächsischen Tierärztetages. (Foto: © WiSiTiA/jh)

Die Veranstalter melden letztlich sogar ein Plus von 50 Prozent gegenüber dem letzten Kongress in 2015. Jetzt ist eine erste Diskussion entstanden, ob man im Januar öfter nach Hannover einladen soll – etwa im Zwei-Jahres-Rhythmus im Wechsel mit dem Leipziger Tierärztekongress?

Veranstalter mit neuem Partner

Die tierärztlichen Veranstalter – die Landestierärztekammer, der bpt-Landesverband Niedersachsen/Bremen sowie der Landesverband der beamteten Tierärzte (VbT) – haben sich mit der Schlüterschen Verlagsgesellschaft für 2019 einen neuen Organisationspartner gesucht. Die Schlütersche hatte 2015 den eigenen Praktischer-Tierarzt-Kongress aufgegeben. Jetzt kehrte sie als Ausrichter in den Markt zurück.
Ähnlich erging es auch dem Thieme-Verlag: Nach 29 Jahren hat er 2017 die Baden-Badener Fortbildungstage eingestellt und unterstützt nun als Bildungspartner die „Deutsche Vet“ in Köln. Hinter diesem Kongress steht ein internationaler Messeanbieter, der sein Konzept der „London VetShow“ konsequent auf den Kontinent (Köln/Paris) und nach Übersee (New York/Chicago/WildWest und Singapur) ausrollt. Der Wettbewerbsdruck unter den Veranstaltern bleibt also hoch.

Treffpunkt der vier Veranstalter (Kammer/bpt/VbT/Schlütersche) – der größte Stand im Zentrum der gut besuchten Industrieausstellung. (Foto: © WiSiTiA/jh)

Breit aufgestelltes Programmpaket

Die Niedersachsen hatten ein breit aufgestelltes Programmpaket geschnürt. Über 120 Referenten und Moderatoren haben mehr als 180 Vorträge, Diskussionen und Seminare gestaltet. Darunter neben viele Fachthemen zu den Tierarten, Vorträge für das öffentliche Veterinärwesen und auch spezielle Angebote für TFAs sowie knapp 30 praxisorientierte Seminare. Ergänzt wurde das Programm durch die gemeinsame Session von Rinder-, Schweinepraktikern und Amtstierärzten sowie eine große Podiumsdiskussion zum sich wandelnden Mensch-Tier-Verhältnis mit seinen ethischen und ökonomischen Folgen.
Unterhaltsames Highlight war das für die Tiermedizin noch neue Format des „Science Slam“: Junge Forscher präsentieren unter Zeitdruck (10 Minuten) wissenschaftliche Themen einmal anders, nämlich locker mit der ein oder anderen „schrägen“ Präsentationsidee – etwa „menschlichen Zebras“ auf der Bühne. Der Sieger wurde per „Applausometer“ bestimmt – anhand der tatsächlich gemessenen Dezibel. Es wurde sehr laut in der Eilenriedhalle.

Gemessen am Applaus ein voller Erfolg – der Science Slam mit drei Siegern (Bildmitte): Santana Eirini Soilemetzidou (94,1 Dezibel), Christof Bertram (94 Dezibel) und Sandra-Maria Wienhold (93,4 Dezibel v.l.n.r). (Foto: © WiSiTiA/jh)

Nach einem ersten kleinen, nichtrepräsentativen Meinungsbild schienen von der Vortragsqualität vor allem die Pferdepraktiker auf ihre Kosten gekommen zu sein: Ein Kollege bereute schon während des Ganztagesseminars zum neuen Röntgenleitfaden (mehr Informationen hier) die letzten Ankaufsuntersuchungen noch ohne das aktuelle Wissen aus Hannover nach den „alten Schulnotenregeln“ gemacht zu haben. Die Dermatologie-Teilnehmer waren zufrieden und die Besucher der Vortragsveranstaltungen lobten Qualität, Inhalt und Niveau.
Nicht ganz einig waren sich die Kleintier-Kollegen. Lob gab es für die gute Referentenauswahl, doch zeigte sich, dass die Anforderungen an das Niveau sehr unterschiedlich sind. So hatte sich manche Kollegin mehr erwartet – zum Beispiel vom Thema „Hundesport“. Das gab zwar einen guten Einblick in den Agility-Sport, die medizinische Seite sei jedoch „zu kurz gekommen“.

Interessante Vorträge auf dem Niedersächsischen Tierärztetag – nur nicht für alle. (Foto: © WiSiTiA/hh)

Praxisnah und von „praktischem Nährwert“ waren die Heimtiervorträge, insbesondere der Vortrag „Das narkotisierte Kaninchen – die tierärztliche Herausforderung“. Sabine Kästner von der TiHo Hannover erklärte, wie wichtig Stressreduzierung für die Tiere während der Narkose sei . Für ein Überleben des Tieres sei die Erfahrung des Anästhesisten deutlich wichtiger als das verwendete Narkosemittel.

Industrie in Summe sehr zufrieden

Zufriedene Industrie: "Volle Stände und gute Gespräche" (Bild: (c)wisitia/hh 2019)

Zufriedene Industrie: „Volle Stände und gute Gespräche“. (Foto: © WiSiTiA/hh)

88 Aussteller weist das Kongressprogramm aus. Damit waren es laut Kammerpräsident Tiedemann fünf weniger als 2015. Nicht nur deshalb waren die Gänge zwischen den Ständen (angenehm) breit. Ein weiterer Grund: Alle grossen Pharmafirmen hatten eher kleine Stände aufgebaut. Aber Dank der überraschend hohen Teilnehmerzahl zeigten sich fast alle Firmen sehr zufrieden mit der Besucherfrequenz und den Gesprächskontakten, wie auch mit den Standpreisen und -größen. Mit den unmittelbar getätigten Umsätzen waren dagegen zumindest einzelne Unternehmen nicht uneingeschränkt glücklich.

Catering muss besser werden

Ein Wermutstropfen – vor allem für hungrige Teilnehmer – war die kulinarische Versorgung. Die Aussteller waren vom Betreiber des Hannover Congress Centrums stark reglementiert. Ein hohes „Korkgeld“ schreckte viele davon ab, eigene Angebote zu machen. Selbst die Espresso-Maschinen waren rar. Nur bei wenigen Firmen (etwa ELANCO) gab es mal ein Brötchen.
Die Qualität des wiederum vom Zentrumsbetreiber HCC an vielen Verkaufspunkten ausreichend angebotenen Essens war, vorsichtig formuliert, ausbaufähig. Und dabei völlig überteuert – zum Beispiel mit 6,50 € für ein Plastikschälchen mit Currysoße übergossener Bockwurst.

An der insgesamt sehr positiven Gesamtbilanz dieses ersten Kongresses des Jahres 2019 ändert das nichts.
Nachdem schon im Januar 2018 Leipzig und im November auch der bpt-Kongress in Hannover Rekordbesucherzahlen verzeichneten, scheint die Tierärzteschaft ein klares Signal zu senden: Stetig wachsende Online-Angebote hin oder her, der persönliche Kongressbesuch zur Fortbildung wird keineswegs als altmodisch und verzichtbar angesehen.

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