Internationale Tierarztverbände: 14 Forderungen zum Kampf gegen Antibiotikaresistenzen

Die Verfügbarkeit von Antibiotika für Tiere sollte nicht eingeschränkt werden. Das fordern die amerikanische, kanadische und europäische Tierärztevereinigung (AVMA, CVMA, FVE) in einem gemeinsames Positionspapier zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Der Schwerpunkt müsse stattdessen auf den evidenzbasierten, verantwortungsvollen Antibiotikaeinsatz unter tierärztlicher Kontrolle gelegt werden.

(aw) – In dem Positionspapier erläutern die drei tierärztlichen Organisationen, welche Maßnahmen sie für notwendig halten, um die weltweit zunehmenden Antibiotikaresistenzen zu stoppen und wie sie sich an Entscheidungsprozessen beteiligen können. Der Präsident der FVE, Dr. Rafael Laguens, betont einmal mehr die Notwendigkeit des One-Health Prinzips, nämlich einer gemeinsamen Anstrengung aller Disziplinen, die mit Antibiotika arbeiten, vor allem Humanmedizin, Tiermedizin und Landwirtschaft.

Keine einseitigen Verbote

Einseitige Verbote zur Anwendung von Antibiotika bei Tieren lehnen er und seine Kollegen ab. AVMA-Präsident Dr. John de Long erklärt, dass Antibiotikaresistenzen außerdem nicht vor Ländergrenzen halt machen. Daher sei notwendig, internationale Standards und Maßnahmen zu entwickeln – die dann auch umsetzbar sind. Und der CVMA-Präsident Terri Chotowetz ergänzt, dass Tierärzte eine Schlüsselposition beim verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika einnehmen, weil sie für alle Tierarten zuständig sind.

14 Tierarztforderungen zu Resistenzminimierung

Das erarbeitete Positionspapier umfasst folgende 14 Punkte:

  • Jedes Land braucht ein solides Regelwerk im Bezug auf die Zulassung und Herstellung von Medikamenten für Human- und Tiermedizin, einschließlich der Antibiotika. Zusätzlich braucht es rechtliche Bestimmungen zum Vertrieb und Verkauf dieser Medikamente, die auch den Internethandel einschließen.
  • Illegale Herstellung, sowie illegaler Vertrieb und Verkauf von Medikamenten muss strafrechtlich verfolgt werden. Für die Humanmedizin wichtige Antibiotika, die die Länder selbst benennen oder aus der Einstufung der WHO übernehmen können, sollten – in Anlehnung an nationales Recht – nur unter der Aufsicht von Tierärzten angewendet werden dürfen.
  • Um die Effektivität dieser Vorgaben einschätzen zu können, muss ein globales Netzwerk zur Überwachung und zum Monitoring des Einsatzes von Antibiotika und der Entstehung von Resistenzen aufgebaut werden. Dies soll die Anwendung von Antibiotika sowohl bei Menschen als auch bei Tieren und in allen anderen möglichen Bereichen erfassen. Das Ausmaß an Antibiotikaresistenzen muss bei Menschen, Tieren, Nahrungsmitteln und in der Umwelt berücksichtigt werden.
  • Einfach verfügbare, effektive und standardisierte Schnelltests sollten zur Resistenzüberprüfung bereit gestellt werden. Die Ergebnisse dieser Test müssen dann zur evidenzbasierten Auswahl der geeigneten Medikamente genutzt werden können. Die Einrichtung von nationalen oder regionalen Datenbanken, in denen diese Auswertungen zur Resistenzsituation gesammelt werden, sollte in Erwägung gezogen werden. Die Einbeziehung moderner Techniken wie der Genomanalyse, um verschiedene Bakterienstämme und deren Ursprung zu identifizieren, sollte in Abhängigkeit von verfügbarem Material angestrebt werden.
  • Eine angemessene Bezuschussung der weiteren Forschung und Entwicklung von Schnelltestssollte gewährleistet werden, damit diese zu erschwinglichen Preisen verfügbar sind.
  • Um ein wirkliches One-Health-System zu erreichen, muss es möglich sein, die Entwicklungen in den verschiedenen Bereichen zu vergleichen. Dazu ist die Schaffung harmonisierter Standards zur Messung, Evaluierung und Interpretation von Daten zum Antibiotikaverbrauch und der Resistenzentwickung nötig. AVMA, CVMA und FVE unterstützen hier die Arbeit der OIE und der zuständigen amerikanischen, kanadischen und europäischen Agenturen.
  • Tierärzte müssen weiterhin Zugang zu wirksamen Antibiotika behalten, um die Behandlung von Tieren, die an bakteriellen Infektionen leiden zu gewährleisten. Dies ist im Sinne der Tiergesundheit, des Tierschutzes und Verbrauchersicherheit und darum dürfen Antibiotika nicht einseitig nur der Humanmedizin vorbehalten sein.
  • Die Datenerfassung auf Patienten- oder Praxisebene ist nötig, um den jeweiligen Behandlungserfolg zu dokumentieren oder die Notwendigkeit zur Änderungen der Behandlung zu rechtfertigen. Zusätzlich zur Beurteilung individueller Behandlungen ist es notwendig, den Gesamtverbrauch an Antibiotika sowohl für Nutz- als auch für Haustiere zu erfassen.
  • Die Sammlung aussagekräftiger und beurteilbarer Daten ist notwendig, um den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika zu fördern, Missbrauch zu minimieren und die potentielle Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu minimieren.
  • AVMA, CVMA und FVE wollen sich mit sämtlichen Organisationen in Verbindung setzen, die sich weltweit mit Antibiotikaresistenzen beschäftigen (z.B. OIE, WHO, TATFAR), um sicherzustellen, dass auch die Tierärzte konsultiert werden, bevor Entscheidungen getroffen werden.
  • AVMA, CVMA und FVE wollen ihre Mitglieder, den tiermedizinischen Berufsstand und dessen Organisationen, tiermedizinische Angestellte und Tierhalter dazu auffordern, sich aktiv an der Sammlung von Daten zum Einsatz von Antibiotika bei Tieren und zur Resistenzentwicklung zu beteiligen.
  • AVMA, CVMA und FVE wollen sich an Entscheidungsträger wenden, um sicher zu stellen, dass bei der Einführung neuer Handelsbestimmungen das Monitoring der Antibiotikaanwendung und der Resistenzentwicklung sowie der Schutz von Antibiotika berücksichtigt werden.
  • AVMA, CVMA und FVE wollen zusammen den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika bei Nutz- und Haustieren fördern, vor allem in den Entwicklungsländern
  • AVMA, CVMA und FVE wollen weiterhin eine führende Position in den weltweiten Bemühungen zur Verbesserung des Umgangs mit Antibiotika behalten.

Die Pressemeldung von AVMA, CVMA und FVE im Wortlaut

Teilen
Über den Autor

Redaktion wir-sind-tierarzt.de

Unter dem Autorennamen "Redaktion wir-sind-tierarzt.de" veröffentlichen wir überwiegend kurze/aktuelle Nachrichten, die im Redaktionsalltag entstehen. Ein Namenskürzel am Textanfang weist ggf. näher auf den zuständigen Redakteur hin: jh – Jörg Held / hh - Henrik Hofmann / aw – Annegret Wagner Kontakt zur Redaktion: zentrale(at)wir-sind-tierarzt.de
Web Design MymensinghPremium WordPress ThemesWeb Development

Wildtiere: Hilfe kann auch Leid bedeuten

9. März 20169. März 2016
Ein Faltblatt gibt Tipps zum Umgang mit Wildtieren. (©Landestierschutzbeauftragte Hessen / Erni/Fotolia.com)„Wildtiere brauchen in den aller seltensten Fällen menschliche Hilfe," sagt die Landestierschutzbeauftragte Hessen. Was tun kann, wer ein Wildtier findet – oder aber auch besser lassen sollte – erklärt ein Flyer, den Dr. Madeleine Martin zusammen mit der Landestierärztekammer Hessen herausgegeben hat. (mehr …)