Hebelt QS deutsche Bestimmungen aus?

Männliche Ferkel aus Deutschland bald wertlos? (Foto: WiSiTiA/jh)

Wenn ab dem 1.1.2019 in Deutschland die Übergangsfrist für die betäubungslose Ferkelkastration auslaufen sollte, dürften hierzulande so gut wie keine Ferkel mehr kastriert werden, weil zugelassene Methoden zur Schmerzausschaltung fehlen. Jedem muss klar sein, dass deutsche Mäster und Verarbeiter Kastraten aus dem Ausland der Ebermast vorziehen werden. Damit würden die deutschen Tierschutzbemühungen ausgehebelt und männliche Ferkel deutscher Züchter unverkäuflich.

Die QS Qualität und Sicherheit GmbH, die in Deutschland die meisten Schweinebetriebe zertifiziert und kontrolliert, hatte zunächst immer wieder betont, dass männliche Schweine aus dem Ausland, die in deutschen QS-Betrieben gemästet oder geschlachtet werden, unter den gleichen Bedingungen kastriert werden müssen wie deutsche Ferkel. Davon ist man aber abgekommen und würde alle Ferkel ins Land lassen, die nach den gesetzlichen Vorgaben des Erzeugerlands kastriert werden. Diese Vorgaben sind aber durchweg weniger streng, da in anderen Ländern lediglich eine Schmerzminderung und keine Schmerzausschaltung gefordert wird.

Die deutschen Schweinezüchter Nadine und Heinrich Henke wenden sich nun in einem offenen Brief an den Geschäftsführer von QS Dr. Hermann-Josef Nienhoff, um diesen Gesinnungswandel zu thematisieren.

 

Offener Brief im Wortlaut:

 

Sehr geehrter Herr Dr. Nienhoff,

seit der Düsseldorfer Erklärung verfolgen wir die Debatte um das Thema der betäubungslosen Ferkelkastration. Nun ist es Herbst 2018, der Ausstieg steht zum 01.01.2019 bevor und es sind immer noch keine flächendeckenden Lösungen gefunden. Die Bundesländer lehnten im Bundesrat eine Fristverlängerung ab, das hat die Branche geschockt. Nun arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetzesentwurf, der eventuell noch eine Verlängerung der Frist bringen könnte.

Am 13.03.2017 hat der Fachbeirat Rind und Schwein richtig erkannt, dass es zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen wird, wenn im Ausland nach niedrigeren Tierschutzstandards kastriert werden kann und dann die Tiere bzw. das Fleisch nach Deutschland importiert und mit QS-Siegel verkauft werden dürfen. In Ihrer Pressemitteilung heißt es dazu korrekterweise:
„Um einer zu erwartenden Wettbewerbsverzerrung entgegen zu wirken, hat der QS-Fachbeirat Rind und Schwein die QS-Anforderungen schon jetzt klargestellt. Demnach gelten ab dem 1. Januar 2019 für alle QS-Teilnehmer – im In- und Ausland – die Vorgaben des deutschen Tierschutzgesetzes zur betäubungslosen Ferkelkastration.

Besonders wichtig ist, dass diese Vorgaben auch für Tiere und Fleisch gelten, die aus dem Ausland über die Anerkennung anderer Standards in das QS-System geliefert und vermarktet werden. Darüber hinaus geht es nicht allein um die Tiere, sondern auch um Mastschweine und Schweinefleisch, das von Ferkeln stammt, die chirurgisch kastriert sind. Der Beschluss hat also sowohl Gültigkeit für die Landwirtschaft als auch für alle nachgelagerten Produktions- und Vermarktungsstufen.“

Auch in der Pressemitteilung zum Positionspapier vom 19.04.2018 heißt es noch:
„Die gesetzlichen Voraussetzungen für die eingesetzten Methoden werden sich in den Herkunftsländern auch zukünftig unterscheiden. QS wird allerdings Alternativverfahren nur akzeptieren, die der Vorgabe Betäubung oder Schmerzausschaltung gerecht werden. Für Lieferanten ins QS-System wird der Grundsatz der Gleichbehandlung gelten, erläutert Nienhoff. Das heißt: Auch Sauenhalter im Ausland, die ihre Tiere an Schweinemäster im QS-System liefern, müssen ab 2019 die Anforderungen des deutschen Tierschutzgesetzes erfüllen. Außerdem dürfen im QS-System Schweinefleisch und Schlachtschweine auch aus dem Ausland nur dann vermarktet werden, wenn auch die Ferkel, die ab 2019 geboren werden und chirurgisch kastriert werden, nach den Anforderungen des deutschen Tierschutzgesetzes behandelt wurden.“

Entsetzt hat uns diesbezüglich die Kehrtwende von QS hinsichtlich des Imports von Ferkeln, die mittels CO²-Narkose bzw. Lokalanästhesie kastriert wurden. Bei agrarheute heißt es dazu am 17.07.2018:

„QS könne nicht die nationalen Unterschiede in den Verfahren ausgleichen und deshalb auch nicht ein Verfahren, das im Ausland zugelassen sei, aber in Deutschland nicht, ausschließen. Die Verfahren, die im Ausland rechtlich zugelassen sind, dürfen bei Tieren, die in das QS-System eingeführt werden, auch angewandt werden.

QS könne nicht geradebiegen, was die Politik vermasselt habe. Abgesehen davon würden wohl viele deutsche Mäster protestieren, wenn plötzlich keine Ferkel mehr aus Dänemark oder Niederlande nach Deutschland importiert werden dürften.“

Wir stellen uns nun die Frage, wann und vor allem aus welchem Grund QS hier die klare Haltung der vorherigen Pressemitteilungen aufgegeben hat?

Über eine Antwort würden wir uns sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Nadine & Heinrich Henke
Brokser Sauen

 

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